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Lungenembolie

Letzte Aktualisierung: 3.4.2023

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Eine Lungenembolie ist definiert als Verschluss einer oder mehrerer Lungenarterien durch Einschwemmen von Thromben, seltener Lipiden oder Fremdmaterial über die Blutbahn. Klassischerweise geschieht dies durch Ablösen eines Blutgerinnsels aus dem venösen Stromgebiet der unteren Hohlvene – die zugrunde liegende Beinvenenthrombose kann dabei nicht selten zunächst unbemerkt verlaufen. Hauptrisikofaktoren sind die Immobilisation durch Bettlägerigkeit und/oder Operationen im Vorfeld. Das Spektrum der klinischen Symptomatik reicht in Abhängigkeit vom Ausmaß der verlegten Strombahn von asymptomatisch bis zum obstruktiven Schock, die Beschwerden sind zudem oft unspezifisch – wie Thoraxschmerz oder Dyspnoe. Aus diesem Grund sind Fehldiagnosen nicht selten, die Lungenembolie ist daher einer der häufigsten unerwarteten Befunde einer Obduktion.

Laborchemische Hinweise sind erhöhte D-Dimere oder ein erniedrigter Sauerstoffpartialdruck in der Blutgasanalyse. Eine hohe diagnostische Sicherheit erreicht man durch die radiologische Darstellung der Lungengefäße mittels CT-Angiografie. Zur Verhinderung weiterer Thromboembolien, und um eine sukzessive Auflösung des Embolus und der ursächlichen Thrombose zu erwirken, wird eine therapeutische Heparinisierung eingeleitet. Bei einer fulminanten Lungenembolie mit Schock kann durch eine Lysetherapie oder eine Notfall-Operation der Versuch unternommen werden, den Thrombus zu entfernen.

Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion “Tipps & Links".

Partielle oder totale Verlegung des Lumens einer Pulmonalarterie

  1. Druckbelastung des rechten Herzens
    1. Erhöhter pulmonalarterieller Druck (PAP)
    2. Erhöhter zentralvenöser Druck (ZVD)
    3. Akutes Cor pulmonale
    4. Rechtsherzversagen bei massiver Lungenembolie möglich
  2. Erhöhung des funktionellen Totraumvolumens
    1. Ventilation der Alveolen ohne Perfusion der dazugehörigen Kapillaren
    2. Arterielle Hypoxämie (pO2)
  3. Hyperventilation
  4. Vorwärtsversagen

Weitere Störfaktoren des Gasaustausches

Allgemein

Akutes Einsetzen (z.B. nach morgendlichem Aufstehen) von Symptomen

Die einer Lungenembolie häufig zugrunde liegende tiefe Beinvenenthrombose kann unentdeckt bleiben, weil sie in 50% der Fälle asymptomatisch verläuft!

In Narkose während eines operativen Eingriffs

Bei rezidivierender oder progredienter Dyspnoe unklarer Ätiologie sollten rezidivierende Lungenembolien als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden!

Inzidentelle Lungenembolie

  • Definition: Lungenembolie als Zufallsbefund im Rahmen einer anderweitig indizierten CT-Thorax-Untersuchung
  • Vorkommen: Betroffen sind vor allem Patienten mit Malignomen und chronischen kardiopulmonalen Erkrankungen
  • Klinik: Meistens asymptomatisch
  • Therapie: Insb. bei Patienten mit Malignom sollte eine inzidentelle analog zu einer symptomatischen Lungenembolie behandelt werden, siehe auch: Lungenembolie bei Malignompatienten

Sonderformen der Lungenembolie

Folgend genannte seltene Sonderformen der Lungenembolie werden gesondert aufgeführt.

Für detaillierte Informationen zum praktischen Vorgehen in der Akutsituation siehe: Sofortmaßnahmen bei Lungenembolie

Allgemein [1]

Blutuntersuchung

Venöse Blutentnahme [1]

  • D-Dimer-Erhöhung
  • Troponin und BNP: Hinweis auf vermehrte RechtsherzbelastungPrognostisch ungünstig

Der D-Dimer-Test liefert häufig falsch-positive Werte, aber sehr selten falsch-negative Werte. Daher schließen normwertige D-Dimere eine Lungenembolie oder TVT nahezu aus!

Bei Patienten mit Verdacht auf Lungenembolie (ohne Schock) soll bei niedrigem Risiko-Score eine D-Dimer-Bestimmung und bei hohem Score eine CT-Pulmonalisangiografie/Lungenszintigrafie erfolgen! (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme)

Bei einer niedrigen klinischen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie und negativen D-Dimeren soll keine CT-Angiografie der Lunge durchgeführt werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Pneumologie)

Arterielle Blutgasanalyse

Diagnose-sichernde Bildgebung [1]

Sonstiges („viel Diagnostik, wenig Spezifisches“) [1]

Für weitere scrollbare Notfall-CTs siehe auch: Schnittbildserien in der Notfallmedizin

Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie nach Wells [1][4][5]

  • Ziel des Scores: Optimierung des diagnostischen Algorithmus bei stabilen Patienten (siehe: Diagnostik)
Wells-Score bei Lungenembolie (LAE) Punkte
Original [4] Vereinfacht [6]
Klinische Zeichen einer tiefen Beinvenenthrombose (TVT) 3 1
Lungenembolie wahrscheinlicher als andere Diagnose 3 1
Frühere Lungenembolie/TVT 1,5 1
Tachykardie (Herzfrequenz >100/min) 1,5 1
Operation oder Immobilisierung innerhalb des letzten Monats 1,5 1
Hämoptysen 1 1
Malignom (unter Therapie, Palliativtherapie oder Diagnose jünger als 6 Monate) 1 1

Interpretation

  • Bevorzugte Interpretationsweise: Nach dichotomisiertem Prinzip „unwahrscheinlich/wahrscheinlich“ (bei beiden Versionen möglich)
    • Vereinfachter Wells-Score
      • 0–1: Lungenembolie unwahrscheinlich
      • ≥2: Lungenembolie wahrscheinlich
    • Originalversion des Wells-Score
      • 0–4: Lungenembolie unwahrscheinlich
      • ≥5: Lungenembolie wahrscheinlich
  • Alternative „klassische“ dreistufige Interpretation (nur bei der Originalversion des Wells-Scores anzuwenden )
    • 0–1: Niedrige Wahrscheinlichkeit
    • 2–6: Mittlere Wahrscheinlichkeit
    • ≥7: Hohe Wahrscheinlichkeit

Philip Wells hat auch einen Score zur klinischen Wahrscheinlichkeit für eine Venenthrombose entwickelt (siehe: Wells-Klassifikation der tiefen Beinvenenthrombose).

Lungenembolie-Risikorechner (Wells-Score)

Für detaillierte Informationen zum praktischen Vorgehen in der Akutsituation siehe: Sofortmaßnahmen bei Lungenembolie

Die erste Frage bei Verdacht auf eine Lungenembolie sollte sein: Ist der Patient hämodynamisch stabil?

Stabiler Patient [1]

Instabiler Patient [1]

  • Bedingung: Erfüllung eines der folgenden Kriterien
    • Reanimationspflichtigkeit oder
    • Obstruktiver Schock oder
    • Persistierende Hypotonie und Minderdurchblutung von Endorganen
  • Vorgehen: Ist der Patient stabil genug für ein Angio-CT?
    • Stabil genugAngio-CT → Nachweis/Ausschluss
    • Nicht stabil genug für CTEchokardiografie
      • Keine rechtsventrikuläre Dysfunktion → Ausschluss (andere Ursache der Instabilität suchen)
      • Rechtsventrikuläre Dysfunktion → CT falls doch möglich, sonst → Behandlung wie Nachweis (Lyse)

PESI-Score (Pulmonary Embolism Severity Index) und sPESI (simplified PESI)

sPESI und PESI
Parameter Punkte
sPESI

PESI

Alter 1 Punkt bei Alter >80 Jahre Alter in Jahren
Malignom 1

+30

Blutdruck systolisch <100 mmHg 1

+30

Herzfrequenz ≥110/min 1 +20
Sauerstoffsättigung (sO2) in Raumluft <90% 1 +20
Chronische Herzinsuffizienz 1 +10
Chronische Lungenerkrankung +10
Vigilanzstörung Nicht berücksichtigt +60
Körpertemperatur <36 °C +20
Atemfrequenz >30/min +20
Männlich +10

PESI- und sPESI-Score (Rechner)

Klinische Risikostratifikation bei LAE [1]

  • Kombination aus sPESI, Labordiagnostik und Bildgebung
  • Entscheidungshilfe bezüglich Ausmaß der benötigten Überwachungs- und Therapiemaßnahmen
Klinisches Risiko Risikoparameter und Scores
Schock, Hypotonie sPESI ≥1 Rechtsherzbelastung Kardiale Biomarker Therapeutische Konsequenz
Hoch + + + + Hoch gefährdeter Patient; Rekanalisierende Maßnahmen wahrscheinlich erforderlich
Intermediär-hoch + + + Gefährdeter Patient – Engmaschige intensivstationäre Therapie und Überwachung – Bereitschaft für rekanalisierende Maßnahmen
Intermediär-niedrig + Max. 1 Kriterium positiv Gefährdung moderat – Engmaschige klinische Überwachung erforderlich (Monitorüberwachung, ggf. Intermediate care)
Niedrig Normalstationäre Behandlung i.d.R. ausreichend

Für detaillierte Informationen zum Vorgehen in der Akutsituation siehe: Akuttherapie bei Lungenembolie

Akut [1]

Spezifisch [1]

Bei Lungenembolie ohne akute Lebensgefahr: Therapeutische Antikoagulation

Bei massiver Lungenembolie mit Lebensgefahr: Rekanalisierende Maßnahmen

  • Thrombolyse
    • Indikation
      • Bei hämodynamischer Instabilität oder Reanimationspflichtigkeit
      • Präklinische Lyse
        • Bei Reanimationspflichtigkeit (z.B. bei ventrikulären Tachykardien/Kammerflimmern) und hochgradigem V.a. eine hämodynamisch instabile Lungenembolie
        • Ziel: Verringerung der Rechtsherzbelastung durch Reduktion der Thrombuslast infolge der Lyse
    • Durchführung
    • Komplikationen
      • Blutungsgefahr unter Lysetherapie beachten
      • Beachtung der Kontraindikationen für eine Lysetherapie
  • Alternative: Operation/Intervention

Bei Blutung unter Lysetherapie

Eine Überdosierung von Protamin kann zur Hemmung der Fibrinpolymerisation mit zusätzlicher Blutungsgefahr führen!

Bei Reanimationspflichtigkeit gibt es keine Kontraindikationen für eine systemische Lysetherapie!

Sekundärprophylaxe [1]

Weiteres Prozedere [1]

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Nachsorgeuntersuchung[1]

  • Indikation: Alle Patienten mit akuter Lungenembolie
  • Zeitpunkt: Nach 3–6 Monaten Antikoagulation
  • Vorgehen: Klinisches Assessment bzgl. Dyspnoe und funktioneller Einschränkung

Diagnostik bei rezidivierender Lungenembolie

Lungenembolie in Schwangerschaft und Wochenbett [1]

Eine Schwangerschaft allein erhöht das Risiko einer venösen Thromboembolie bereits um das 4-Fache! [8]

Lungenembolie bei Malignompatienten

Lungenembolie bei Anti-Phospholipid-Syndrom

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Lungenembolie

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Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

  1. Konstantinides et al.: 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism developed in collaboration with the European Respiratory Society (ERS) In: European Heart Journal. 2019, doi: 10.1093/eurheartj/ehz405 . | Open in Read by QxMD .
  2. Kearon et al.: Diagnosis of Pulmonary Embolism with D-Dimer Adjusted to Clinical Probability In: New England Journal of Medicine. Band: 381, Nummer: 22, 2019, doi: 10.1056/nejmoa1909159 . | Open in Read by QxMD p. 2125-2134.
  3. Righini et al.: Age-Adjusted D-Dimer Cutoff Levels to Rule Out Pulmonary Embolism In: JAMA. Band: 311, Nummer: 11, 2014, doi: 10.1001/jama.2014.2135 . | Open in Read by QxMD p. 1117.
  4. Wells PS, Ginsberg JS, Anderson DR, Kearon C, Gent M, Turpie AG, Bormanis J, Weitz J, Chamberlain M, Bowie D, Barnes D, Hirsh J: Use of a clinical model for safe management of patients with suspected pulmonary embolism. In: Annals of internal medicine. Band: 129, Nummer: 12, 1998, p. 997-1005.
  5. Pocket-Leitlinie Lungenembolie. Stand: 1. Januar 2015. Abgerufen am: 3. November 2017.
  6. Gibson et al.: Further validation and simplification of the Wells clinical decision rule in pulmonary embolism. In: Thrombosis and haemostasis. Band: 99, Nummer: 1, 2008, doi: 10.1160/TH07-05-0321 . | Open in Read by QxMD p. 229-34.
  7. Martillotti et al.: Treatment options for severe pulmonary embolism during pregnancy and the postpartum period: a systematic review In: Journal of Thrombosis and Haemostasis. Band: 15, Nummer: 10, 2017, doi: 10.1111/jth.13802 . | Open in Read by QxMD p. 1942-1950.
  8. S2k-Leitlinie Venenthrombose und Lungenembolie: Diagnostik und Therapie. Stand: 10. Oktober 2015. Abgerufen am: 3. November 2017.
  9. Kosova et al.: Fat Embolism Syndrome In: Circulation. Band: 131, Nummer: 3, 2015, doi: 10.1161/circulationaha.114.010835 . | Open in Read by QxMD p. 317-320.
  10. Wild et al.: Kasuistik - Luftembolie nach ZVK-Entfernung In: AINS - Anästhesiologie · Intensivmedizin · Notfallmedizin · Schmerztherapie. Band: 48, Nummer: 01, 2013, doi: 10.1055/s-0032-1333076 . | Open in Read by QxMD p. 28-31.
  11. Erdmann: Klinische Kardiologie. 8. Auflage Springer 2011, ISBN: 978-3-642-16480-4 .