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Nicht-invasive Beatmung

Letzte Aktualisierung: 11.9.2025

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Die nicht-invasive Beatmung (NIV) bezeichnet eine maschinelle Unterstützung der Spontanatmung ohne invasiven Atemwegszugang wie Endotrachealtubus oder Trachealkanüle. Sie wird über dicht sitzende NIV-Masken oder andere Interfaces wie Beatmungshelme appliziert, meist in Form einer synchronisierten druckunterstützten Beatmung. Ziel ist die Vermeidung einer invasiven Beatmung bei insuffizienter Spontanatmung. Eine NIV soll die Vorteile einer invasiven Beatmung ermöglichen, ohne die damit verbundenen Risiken einzugehen und ist besonders effektiv zur Behandlung der hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz.

Indikationen zur Akuttherapie sind v.a. AECOPD, kardiales Lungenödem, Pneumonie und ausgewählte ARDS-Fälle. Die Langzeittherapie kommt insb. bei COPD, neuromuskulären Erkrankungen und Obesitas-Hypoventilationssyndrom infrage. Weitere Einsatzgebiete sind schwieriges Weaning, Postextubationsphase und palliative Atemunterstützung. Eine Anwendung soll frühzeitig begonnen werden bei klarer Indikation und fehlenden Kontraindikationen für NIV sowie vorhandener Expertise und adäquater technischer Ausstattung. Im Akutsetting erfolgt sie meist auf der Intensivstation, bei der Langzeittherapie steht die häusliche Anwendung im Vordergrund.

Dieses Kapitel behandelt primär die NIV bei Erwachsenen. Für pflegerische Inhalte siehe: Pflege bei nicht-invasiver Beatmung.

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Grundlagen der NIVtoggle arrow icon

Definition [1]

Voraussetzungen zur NIV [2]

  • Behandelte Person
  • Medizinisches Personal
    • Gut geschultes Team mit ausreichender Erfahrung und Kenntnis des Verfahrens
    • Engmaschige Überwachung der Vitalparameter und Blutgaswerte
    • Adäquate technische Ausrüstung
    • Unmittelbare Intubationsbereitschaft (in Akutsituationen)

Vor- und Nachteile der NIV [1][2]

Primäres Ziel der NIV ist die Vermeidung einer invasiven Beatmung bei insuffizienter Spontanatmung! Sie soll die Vorteile einer invasiven Beatmung ermöglichen, jedoch ohne deren potenzielle Nachteile! [2]

Wirkungsweise und Effekte der NIV [1][2]

  • Vergrößerung des Lungenvolumens
  • Reduktion der Atemarbeit
  • Rekrutierung (potenzieller) Atelektasen
  • Hämodynamische Stabilisierung
  • Verbesserung der Compliance
NIV zur Therapie der respiratorischen Insuffizienz [1][2][3]
Hyperkapnische respiratorische Insuffizienz Hypoxämische respiratorische Insuffizienz
Pathophysiologie
  • Hauptsächlich Gasaustauschstörung
  • Partielle Beeinträchtigung der Atempumpe
  • Störung der O2-Aufnahme
Leitwert
Effekte der NIV
  • Hauptziel: Vergrößerung der FRC
    • Endexspiratorischen Kollaps der Alveolen vermeiden (durch PEEP)
    • Eröffnung von Atelektasen (durch inspiratorische Druckunterstützung)

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Indikationtoggle arrow icon

Respiratorische Insuffizienz

Akute respiratorische Insuffizienz [2][4]

Klinische Anzeichen für eine akute respiratorische Insuffizienz [7]
Parameter
Körperliche Untersuchung
Diagnostik

NIV wird in erster Linie bei Erkrankungen eingesetzt, die zum Versagen der Atempumpe führen (hyperkapnische respiratorische Insuffizienz). Bei der hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz ist sie weniger effektiv! [2]

Bei der akuten hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz mit einem pH-Wert <7,35 soll nach Ausschluss von Kontraindikationen bevorzugt eine NIV erfolgen! [2]

Chronische respiratorische Insuffizienz [3]

Postextubationsphase nach Langzeitbeatmung und Weaning [1][2]

Perioperativ und periinterventionell [2]

Präoxygenierung vor Intubation [2][7]

Prähospitale NIV-Therapie [2]

Eine NIV darf den Transport und die Reperfusionstherapie bei STEMI nicht verzögern!

Aufgrund fehlender Evidenz wird bei stumpfem Thoraxtrauma keine NIV empfohlen!

Palliativtherapie [4]

Die Indikationsstellung beinhaltet eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung unter Berücksichtigung der klinischen Situation und des Patientenwillens! [4]

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Kontraindikationtoggle arrow icon

Absolute Kontraindikationen [2]

Relative Kontraindikationen [2]

Bei relativer Kontraindikation ist ein Therapieversuch mit NIV nur im Einzelfall gerechtfertigt. Voraussetzungen sind ein erfahrenes Team, eine adäquate technische Ausrüstung und eine unmittelbare Intubationsbereitschaft! [2]

Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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Praktisches Vorgehentoggle arrow icon

Die folgenden Inhalte beziehen sich auf das Vorgehen in der Akutsituation!

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Material und Medikamentetoggle arrow icon

Basismaterial [4]

Zur NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz wird bevorzugt die Mund-Nasen-Maske eingesetzt! [2]

Die passende Größe der Maske ist entscheidend für eine effektive Anwendung! [1]

Interfaces (NIV-Masken)

Charakteristika verschiedener NIV-Interfaces [2][11][1]
Mund-Nasen-Maske Vollgesichtsmaske Beatmungshelm Nasenmaske
In Akutsituationen geeignet 0
Außerhalb der ITS oder IMC anwendbar -
Schnelle Verbesserung der BGA 0 0
Bei besonderer Anatomie anwendbar - -
Längere Anwendungsdauer möglich 0 0 0
Husten und Expektoration erleichtert - - 0
Sprechen erleichtert - -
Essen und Trinken möglich - - -
Erhöhtes Aspirationsrisiko - 0
Risiko für Klaustrophobie - 0 0
Aerophagie 0 0 0
Neigung zu Undichtigkeit (Leckage) - -
Durchgängigkeit der Nase erforderlich -
Hoher Gasfluss erforderlich -
Totraumvolumen relevant vergrößert 0 - [12]
Lärmbelästigung -
Druckbelastung des Nasenrückens - -
Irritation der Augen - 0 0 -
Legende: ✓ = Vorteil, 0 = Neutral, - = Nachteil

Beatmungsgerät [1][4]

Basismedikamente (Auswahl nach Situation und Klinikstandard) [4]

Material und Medikamente für eine endotracheale Intubation [4]

  • Basismaterial und -medikamente
  • Material für das Management von Atemwegskomplikationen
  • Medikamente für die erweiterte Therapie und den Notfall
  • Siehe auch: Endotracheale Intubation - AMBOSS-SOP
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Vorbereitungtoggle arrow icon

Räumlichkeit und Personal [4]

Bei akuter respiratorischer Insuffizienz ist ein rascher Beginn der NIV i.d.R. auf der Intensivstation erforderlich! [3]

Patientenvorbereitung [1][4]

Während der gesamten Prozedur werden alle Schritte verständlich erklärt und eng mit der betroffenen Person kommuniziert! [4]

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Ablauf/Durchführungtoggle arrow icon

Variationen des Vorgehens [2]

  • Option 1: Erst Maske aufsetzen, dann Konnektion ans Beatmungsgerät
  • Option 2: Erst Konnektion ans Beatmungsgerät, dann Maske aufsetzen
  • Option 3: Erst Maske aufsetzen, dann Beatmung über Beatmungsbeutel (mit Sauerstoffgabe), Konnektion ans Beatmungsgerät erst nach kardiorespiratorischer Stabilisierung

Aufsetzen der NIV-Maske [1][2]

  • Durchführung durch Person 1 (meist Fachpflegekraft)
  • Maske zunächst nur mit Abstand vor das Gesicht der Person halten [4]
  • Langsame Annäherung der Maske an das Gesicht, von unten beginnend auf das Gesicht aufsetzen, Haltebänder lose über den Kopf legen
  • Maske ohne größeren Druck auf dem Gesicht halten (manuelle Fixierung)
  • Kurze Wartezeit zur Gewöhnung an die Maßnahme
  • Kommunikation mit der Person und Rückversicherung: Sitz der Maske und Dyspnoe erfragen
  • Bei fehlender Toleranz der Maske
  • Bei guter Toleranz der Maske
    • Fixierung mittels Haltebändern
    • Leckage-Management
    • Anpassung der Geräteeinstellungen an die Spontanatmung (Synchronisation)

Einstellung des Beatmungsgerätes zur NIV [1][13]

Zur Gewöhnung sollten initial sowohl ein geringer PEEP als auch eine niedrige Druckunterstützung gewählt werden! [1][4]

Hypoxämische ARI

Beispielhafte Geräteeinstellungen zur NIV bei hypoxämischer akuter respiratorischer Insuffizienz [7]
Initial Im Verlauf
PEEP 5 cmH2O 5–10 cmH2O
FiO2 0,6

Individuelle Steigerung bis 1,0 (Ziel: saO2 >92% oder paO2/FiO2 >200)

Mindestfrequenz („Back-up-Frequenz“) 15/min

Hyperkapnische ARI

Beispielhafte Geräteeinstellungen zur NIV bei hyperkapnischer akuter respiratorischer Insuffizienz [7]
Initial Im Verlauf
Inspirationsdruck (phoch) 12 cmH2O 16–20 cmH2O
PEEP (ptief) 4 cmH2O 6 cmH2O
FiO2 0,21
Mindestfrequenz („Back-up-Frequenz“) 20/min 15/min

Bei Hyperkapnie dürfen die Drücke nicht zu niedrig eingestellt werden! [14]

Spezielle Empfehlungen je nach Krankheitsbild [2]

Monitoring und Dokumentation [1][4][15]

Während der Adaptationsphase ist eine konstante Betreuung zur adäquaten Überwachung des klinischen Zustands der behandelten Person nötig!

Vordergründiges Ziel der Adaptationsphase ist eine Synchronisation zwischen Spontanatmung und Beatmungsgerät! Dabei spielt das Leckage-Management eine wichtige Rolle! [2]

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Erfolgskontrolle bei NIVtoggle arrow icon

Ersteinschätzung [2]

  • Zeitpunkt: 30–60 min nach Beginn der NIV
  • Ziel: Vorläufige Beurteilung der Effektivität der Maßnahme (anhand der Erfolgskriterien der NIV )
  • Konsequenz
    • Bei ausreichender Effektivität: NIV fortführen
    • Bei unzureichender Effektivität: Suche nach möglichen Ursachen, bspw. [15]
      • Funktionelle Atemwegsverlegung: Durch Beatmung getriggerter Glottisschluss
      • Mechanische Atemwegsverlegung: Fremdkörper, Tumor oder Schleimhautschwellung

Entscheidung über das weitere Vorgehen [2][4]

1–2 h nach Beginn der NIV muss beurteilt werden, ob ein NIV-Versagen vorliegt und/oder Abbruchkriterien vorhanden sind! [1][2][4]

Erfolgskriterien [2][4]

Erfolgskriterien der NIV
Klinische Beurteilung
Blutgasanalyse

Der Anstieg des pH-Wertes innerhalb der ersten 4 h ist ein wichtiger prognostischer Marker für den Therapieerfolg der NIV! [2]

Ein stabil erhöhter paCO2 bzw. stabil reduzierter pH-Wert darf auch länger als 2 h toleriert werden, sofern sich der klinische Zustand und andere Erfolgskriterien verbessern! [2]

Abbruchkriterien [2][4]

Abbruchkriterien bei NIV
Klinische Beurteilung
Blutgasanalyse

Abbruchkriterien umfassen im Wesentlichen die ausbleibende Verbesserung der Erfolgskriterien! [2]

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Beendigung der NIVtoggle arrow icon

  • Individuelle Beobachtungsdauer: Beendigung der Akut-NIV abhängig vom klinischen Verlauf [2]
  • Mögliche Kriterien [2]
    • Besserung des klinischen Zustands und Normalisierung von pCO2 und pH-Wert
    • Normalisierung des pH-Wertes und Toleranz einer nicht-assistierten Atmung trotz erhöhtem pCO2

Es gibt keine ausreichende Evidenz bezüglich der optimalen Dauer der NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz! [2]

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Komplikationentoggle arrow icon

Nebenwirkungen der NIV [4]

NIV-Versagen [2]

Prädiktoren für NIV-Versagen [7]

Prädiktoren für NIV-Erfolg [1][7]

  • Geschultes Personal mit klinischer Erfahrung
  • Passendes Material (bspw. verschiedene NIV-Masken in mehreren Größen)
  • Gute Synchronisation zwischen Beatmungsgerät und Spontanatmung
  • Engmaschiges Monitoring und Kontrolle
  • Geringe Leckage
  • Guter Zahnstatus
  • Niedriger APACHE-II-Score
  • Hohe Vigilanz und Kooperationsfähigkeit
  • Gute Sekretmobilisation

Das Risiko für ein NIV-Versagen bei akuter respiratorischer Insuffizienz steigt mit dem Ausmaß der Hypoxämie bzw. der respiratorischen Azidose! [15]

NIV-Intoleranz [1][2]

Deventilationssyndrom [2][16][17]

  • Definition: Erneute Verschlechterung der Dyspnoe nach Absetzen der Maske
  • Mögliche Gründe: Unklarer Pathomechanismus
  • Symptomatik: Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Dyspnoe, ggf. kardiorespiratorische Einschränkung
  • Vorgehen: Fortführung der (nächtlichen) NIV zum Erhalt der Lebensqualität
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