Zusammenfassung
Die Spondylodiszitis ist eine eher seltene Form der Osteomyelitis, deren Inzidenz jedoch zunehmend steigt. Meist liegt ihr eine bakterielle Infektion zugrunde. Zu Beginn äußert sie sich häufig durch unspezifische Rückenschmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule. Der weitere Verlauf reicht von der Destruktion der betroffenen Wirbelkörper mit neurologischen Defiziten über die Streuung der Erreger bis hin zur Sepsis. Eine frühzeitige Diagnose mit MRT und Laboruntersuchungen sowie die anschließende gezielte Therapie des verursachenden Erregers ist essenziell, um das Risiko schwerer Komplikationen zu vermeiden. Die Behandlung erfolgt häufig konservativ mittels mehrwöchiger Antibiotikatherapie. Bei Instabilität der Wirbelsäule oder neurologischen Defiziten ist jedoch meist eine zusätzliche operative Therapie erforderlich.
Definition
- Diszitis: Infektion der Bandscheibe
- Spondylitis: Infektion der Wirbelkörper
- Spondylodiszitis: Infektion der Bandscheibe und der Endplatte(n) der angrenzenden Wirbelkörper
Epidemiologie
Ätiologie
Infektionsweg
- Hämatogen bei Bakteriämie bzw. Sepsis
- Regionale Unterschiede bei der Durchblutung der Wirbelsäule → Kaudal häufigere Lokalisation der Spondylodiszitis (LWS > BWS > HWS )
- Altersabhängige Unterschiede bei der Architektur des Gefäßsystems der Wirbelkörper und Bandscheibe → Unterschiedlicher Verlauf bei Kindern und Erwachsenen
- Per continuitatem (direkte oder lymphogene Ausbreitung)
- Direkte externe Inokulation (meist iatrogen)
Der hämatogene Infektionsweg kommt am häufigsten vor! [3]
Erreger
- Unspezifische Spondylodiszitis: Ca. 85% sind monobakteriell
- Staphylococcus aureus
- Koagulasenegative Staphylokokken (KoNS)
- Streptococcus spp.
- Enterococcus spp.
- Enterobacterales, bspw. Escherichia coli
- Anaerobier, bspw. Cutibacterium acnes
- Spezifische Spondylodiszitis
- Mykobakterien, insb. Mycobacterium tuberculosis
- Brucellen, insb. Brucella melitensis
- Hefe- und Schimmelpilze, insb. Candida spp. oder Aspergillus fumigatus
- Parasiten, insb. Echinococcus granulosus
Übersicht über typische Erreger der Spondylodiszitis und deren häufigstem Infektionsweg [1] | |
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Pathogen | Infektionsweg |
Staphylococcus aureus |
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Koagulasenegative Staphylokokken |
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Viridans-Streptokokken, Enterokokken |
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Enterobakterien |
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Anaerobier, polymikrobielle Infektion |
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Mykobakterien, Brucellen |
|
Pilze |
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Risikofaktoren (Auswahl) [5]
- Höheres Lebensalter
- Vorerkrankungen
- Immunsuppression
- Akute oder chronische Infektionen
- Sehr hoher oder niedriger BMI
- ASA-Klasse ≥3
- Voroperationen
- Operationsbedingte Faktoren der Wirbelsäulen-OP
Klassifikation
Brighton Spondylodiszitis Score
Brighton Spondylodiszitis Score (2019) [6] | ||
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Variable | Punktzahl | |
Unabhängiger Fokus | Keiner | 1 |
Infektion des Urogenitaltrakts, Pneumonie | 3 | |
Endokarditis | 5 | |
Sepsis | 6 | |
Komorbiditäten | Keine | 1 |
Intravenöser Drogenabusus | 3 | |
Diabetes mellitus | 5 | |
Immunsuppression | Keine | 1 |
Tumormetastasen | 4 | |
Dialyse | 6 | |
MRT-Befund | Unauffällig | 1 |
Unspezifische Flüssigkeitsanreicherung | 2 | |
Wirbelkörperkollaps | 4 | |
Abszessformation | 5 | |
Lokalisation | HWS | 1 |
Lumbosakraler Übergang | 3 | |
Thorakolumbaler Übergang | 5 | |
Neurologisches Defizit | Keines | 1 |
Motorisches oder sensibles | 2 | |
Vollständiges | 3 | |
Wahrscheinlichkeit für einen operativen Eingriff: 7–14 Punkte = Gering; 15–20 Punkte = Mittel; 21–33 Punkte = Hoch |
Klassifikation der unspezifischen Spondylodiszitis nach Pola
Klassifikation der unspezifischen Spondylodiszitis mit Behandlungsempfehlungen nach Pola et al. (2017) [7] | |||
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Klassifikation | Beschreibung | Behandlungsempfehlung | |
Typ-A-Infektion | A1 |
| |
A2 |
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| |
A3 |
| ||
A4 |
| ||
Typ-B-Infektion | B1 |
| |
B2 |
| ||
B3 |
|
| |
Typ-C-Infektion | C1 |
|
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C2 |
|
| |
C3 |
|
| |
C4 |
|
|
Symptomatik
- Verlauf: Häufig unspezifische Symptome mit schleichendem Beginn
- Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule
- In Ruhe und bei Belastung
- Nachtschmerz, insb. bei Änderung der Position
- Paravertebraler Hartspann
- B-Symptomatik
- Neurologische Defizite
- Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion
- Sensibles und/oder motorisches Defizit
- Schwächegefühl oder auch unspezifische Schmerzen in den Extremitäten
- Akutes Querschnittsyndrom
- Infektion
- Begleitende Infektion, bspw. Pneumonie oder Harnwegsinfekt
- Abszessbildung
- Wirbelkörperfraktur
- Bewegungseinschränkung
- Ggf. Schonhaltung
- Ggf. reflektorisch erhöhter Tonus der Rückenmuskulatur
- Dysphagie: Bei zervikaler Lokalisation
- Lokalisation
- Unspezifische Spondylodiszitis: LWS >> BWS > HWS
- Spezifische Spondylodiszitis: Thorakolumbaler Übergang > HWS > Lumbosakraler Übergang
Die klinische Symptomatik ist variabel und häufig unspezifisch, fehlende Rückenschmerzen sind kein Ausschlusskriterium!
Die Pott-Trias (Abszess, Parese, Gibbus) wird in der Literatur gerne als typische Befundkonstellation genannt, ist aber eher von historischer Bedeutung!
Diagnostik
Diagnostischer Algorithmus bei Spondylodiszitis
- Klinischer V.a. Spondylodiszitis
- Labordiagnostik
- Bildgebung
- Konventionelle Röntgenaufnahme
- MRT (mit Kontrastmittel)
- Bei Kontraindikationen: CT (mit Kontrastmittel)
- Falls positiv: Bestätigte Diagnose
- Falls negativ: Feinnadelpunktion
- Fokussuche
- Interdisziplinäre Planung der Therapie
Anamnese
- Schmerzanamnese
- Beginn und Verlauf
- Lokalisation
- Schmerzcharakter und -intensität
- Begleitsymptome, bspw. B-Symptomatik
- Prädisponierende Faktoren
- Vorerkrankungen, insb. Tumorerkrankungen, Osteoporose, Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen
- Vorherige Infektion
- Voroperationen bzw. vorangegangene Maßnahmen
- Medikamenteneinnahme
- Suchtanamnese, insb. intravenösem Drogenabusus
Der Fokus der Anamnese sollte auf Red Flags bei Rückenschmerzen liegen!
Körperliche Untersuchung
- Orientierende körperliche Untersuchung: Insb. Screening auf Vorliegen einer begleitenden Infektion oder Sepsis
- Allgemein- und Ernährungszustand
- Vitalparameter
- Siehe auch: qSOFA-Score
- Orientierende orthopädische Untersuchung der Wirbelsäule
- Inspektion, Palpation und Perkussion
- Lokale Rötung und/oder Überwärmung
- Fehlstellung oder Schonhaltung
- Paravertebrale Myogelose
- Lokaler Druck- oder Klopfschmerz
- Ggf. Stauchungsschmerz beim Fersenfalltest
- Bewegungsausmaß nach Neutral-Null-Methode
- Inspektion, Palpation und Perkussion
- Neurologische Untersuchung
- Obligate Suche nach einer möglichen radikulären und/oder medullären Symptomatik
- Standardisierte Dokumentation mit bspw. ASIA-ISNCSCI
- Beurteilung der körperlichen Befunde [8]
- Diagnose vermuten bei neuen oder progredienten Rücken-/Nackenschmerzen und
- Fieber oder
- CRP↑ oder
- Bakteriämie oder
- Infektiöser Endokarditis
- Diagnose erwägen bei
- Neuen neurologischen Symptomen und Fieber (mit oder ohne Rückenschmerzen) oder
- Neuen lokalisierten Rücken-/Nackenschmerzen nach kürzlicher Bakteriämie durch Staphylococcus aureus
- Diagnose vermuten bei neuen oder progredienten Rücken-/Nackenschmerzen und
Labordiagnostik
- Blutuntersuchung
- Blutkultur
- Bei allen Patient:innen mit V.a. Spondylodiszitis indiziert
- 3× Abnahme innerhalb von 24 h
- Biopsie: Erregernachweis (insb. in Kombination mit Blutkultur) häufig möglich [8]
- CT-gesteuerte Biopsie: Bei negativer Blutkultur indiziert (interdisziplinäre Indikationsstellung)
- Intraoperative Probenentnahme
- Abnahme von mind. 4 Proben
Ein Erregernachweis ist insb. in der Kombination aus Blutkultur und Biopsie häufig möglich und sollte vor Beginn der Antibiotikatherapie gelingen. Bei negativem Ergebnis können ggf. molekularbiologische Untersuchungsverfahren wie eine PCR erfolgreich sein! [1][8]
Bildgebung
- Indikation: Klinischer V.a. Spondylodiszitis
- Bei gravierenden neurologischen Defiziten: Notfall-MRT
- Siehe auch: Red Flags bei Rückenschmerzen
- Durchführung
- Ausgangsuntersuchung: Konventionelle Röntgenaufnahme im Stehen
- Bildgebung der Wahl zur Diagnosesicherung: MRT mit Kontrastmittel
Auswahl bildgebender Verfahren zur Diagnostik einer Spondylodiszitis [1][4][9][10] | ||||
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Verfahren | Typische Indikationen | Durchführung | Mögliche Befunde | Bemerkungen |
Konventionelle Röntgenaufnahme |
|
|
|
|
CT |
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|
|
|
MRT |
|
|
| |
Skelettszintigrafie |
|
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Die Diagnose einer Spondylodiszitis basiert auf klinischen, labordiagnostischen und radiologischen Befunden!
Stadien nach Eysel und Peters
Stadien der Spondylodiszitis nach Eysel und Peters | |
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Stadium | Befund in der konventionellen Röntgenaufnahme |
1 | Verkleinerung des Zwischenwirbelraums |
2 | Erosion der Grund- und Deckplatte |
3 | Segmentale Kyphosierung |
4 | Malalignment der Wirbelsäule |
MRT bei Spondylodiszitis [9][10]
- Anzeichen einer Spondylodiszitis
- Höhenminderung der Bandscheibe
- Erosionen der Endplatten
- Entzündungszeichen
- T1-Gewichtung: Hypointensität der Bandscheibe und der benachbarten Wirbelkörper
- T2-Gewichtung oder STIR: Hyperintensität der Bandscheibe und der benachbarten Wirbelkörper, Verlust des „Nuclear-Cleft-Sign“
- Typische Anzeichen für einen Abszess
- Fokale Hyperintensität in der fettgesättigten T1- und T2-Gewichtung
- Zentral: Hypointensität in der T1-Gewichtung und Hyperintensität in der T2-Gewichtung ohne Kontrastmittel-Enhancement
- Peripher: Kontrastmittel-Enhancement in der fettgesättigten T1-Gewichtung
- Unterscheidung der Spondylodiszitiden
Differenzierung der Spondylodiszitiden im MRT [9][11][12] | ||
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Befund | Unspezifische Spondylodiszitis | Spezifische Spondylodiszitis |
Typisches Befallsmuster |
|
|
Abszessbildung |
|
|
Fokussuche
- Ziele
- Suche nach primärem Fokus
- Suche nach Streuherden
- Durchführung: Nach klinikinternen Standards, bspw.
- Röntgenaufnahme des Thorax
- Labordiagnostik gemäß allgemeinchirurgischen Standards, siehe auch: Präoperative Laboruntersuchungen
- Urindiagnostik
- Echokardiografie (TTE)
- Zahnstatus
- Ggf. CT-Thorax/Abdomen
Differenzialdiagnosen
- Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen (Spondylosis deformans)
- Bandscheibenprolaps
- Osteoporotische Wirbelkörperfraktur
- Knochenmetastase
- Entzündliche Spondylarthropathie, insb. Andersson-Läsionen
- Chronisch nicht-bakterielle Osteomyelitis (CNO)
- Septische Arthritis
- Non-Hodgkin-Lymphom
- SAPHO-Syndrom
- Neuropathische Arthropathie, sog. Charcot-Wirbelsäule
- CPPD-Arthritis (Chondrokalzinose)
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Allgemeines
- Therapieziele
- Ausbreitung der Infektion verhindern
- Infekt sanieren
- Schmerzen reduzieren
- Ggf. Wirbelsäule stabilisieren
- Neurologische Defizite vermeiden bzw. verbessern
- Funktion und Belastbarkeit wiederherstellen
- Rezidive verhindern
- Entscheidungsfindung: Individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung, insb. abhängig von
- Gesamtzustand der betroffenen Person
- Erreger sowie Ausmaß der Infektion
- Vorliegen absoluter OP-Kriterien
- Vorgehen
- Antibiotikatherapie plus
- Konservative oder
- Operative Therapie
- Regelmäßige klinische, laborchemische und ggf. radiologische Kontrolle
- Antibiotikatherapie plus
Antibiotikatherapie der Spondylodiszitis [4]
- Beginn: Abhängig vom Gesamtzustand der Betroffenen
- Sepsis oder neurologisches Defizit nicht vorhanden: Nach Erregernachweis mit spezifischer Antibiotikatherapie
- Bei Sepsis oder schwerem bzw. progredientem neurologischem Defizit: Sofortiger Beginn mit empirischer Antibiotikatherapie , bspw. [13]
- Dauer: Mind. 6 Wochen
- Applikation: In den ersten 2 Wochen i.v., dann Wechsel auf p.o. möglich
Unspezifische Spondylodiszitis
Antibiotikatherapie der unspezifischen Spondylodiszitis [1][3][8] | |||
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Erreger | Antibiotikum | ||
1. Wahl | Alternativen | ||
Staphylokokken | Oxacillinsensibel |
|
|
Oxacillinresistent |
|
| |
Enterococcus spp. | Penicillinsensibel |
|
|
Penicillinresistent |
|
| |
β-hämolysierende Streptokokken |
|
| |
Enterobacteriaceae |
| ||
Anaerobier [3] |
|
Spezifische Spondylodiszitis (Auswahl)
- Mycobacterium tuberculosis
- Initialphase mit Vierfachtherapie: 2 Monate Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol
- Im Anschluss daran Kontinuitätsphase mit Zweifachtherapie: 7 Monate Isoniazid und Rifampicin
- Für detaillierte Dosisempfehlungen siehe auch: Therapie der Tuberkulose
- Candida albicans [4][14]
- Initial: 2 Wochen Caspofungin 70 mg i.v. 1×/d
- Im Anschluss daran: 6–12 Monate Fluconazol 400 mg p.o. 1×/d
- Siehe auch: Invasive Kandidosen mit Organmanifestation
- Brucella melitensis [15]
- 3–6 Monate Dreifachtherapie: Doxycyclin, Rifampicin und Streptomycin oder Gentamicin , bspw.
- Für mind. 12 Wochen: Doxycyclin 100 mg p.o. 2×/d plus Rifampicin 600–900 mg p.o. 1×/d plus
- Für 2–3 Wochen: Streptomycin 1 g i.m. 1×/d oder
- Für 1 Woche: Gentamicin 5 mg/kgKG i.v. 1×/d
- Siehe auch: Brucellose
- 3–6 Monate Dreifachtherapie: Doxycyclin, Rifampicin und Streptomycin oder Gentamicin , bspw.
Konservatives Vorgehen [4][5]
- Indikation: Spondylodiszitis im Anfangsstadium
- Eher milde klinische Symptomatik
- Keine neurologischen Defizite
- Wenig knöcherne Destruktion
- Operatives Vorgehen nicht möglich
- Maßnahmen
- Analgetische Therapie , siehe auch:
- Ggf. Ruhigstellung mit Orthese
- Ggf. Physiotherapie unter achsengerechter Mobilisierung (nach Ausschluss von Kontraindikationen und segmentaler Instabilität)
- Kriterien für Therapieversagen
- Mikrobiologisch: Erregerpersistenz trotz adäquater Antibiotikatherapie
- Klinisch: Kombination aus Symptomen, Entzündungsparametern↑ sowie radiologischem und mikrobiologischem Nachweis einer Infektion
- Verlaufskontrolle: Entzündungsparameter plus klinischer Befund
- Bei V.a. Therapieversagen: MRT- oder CT-Kontrolle
- Persistierende Infektion und/oder progrediente Instabilität der Wirbelsäule: Verfahrenswechsel interdisziplinär diskutieren
- Unauffälliger radiologischer Befund: Ausweiten der Fokussuche
- Bei adäquatem Therapieansprechen, aber persistierenden starken Schmerzen
- Dauer >4–6 Wochen: Ggf. operative Therapie erwägen
- Dauer >3 Monate: Multimodale Behandlungsprogramme bei chronischen Rückenschmerzen
- Bei V.a. Therapieversagen: MRT- oder CT-Kontrolle
Die Mehrzahl der Fälle kann mit Erfolg konservativ behandelt werden! [1]
Operatives Vorgehen [4][5]
- Absolute OP-Indikationen
- Relevantes oder progressives neurologisches Defizit mit/ohne radiologisch sichtbarer Kompression des Rückenmarks
-
Instabilität der Wirbelsäule oder kyphotische Fehlstellung
- Segmentale Kyphose >15°
- Wirbelkörperkollaps >50%
- Translation >5 mm
- Spinaler epiduraler Abszess
- Ventraler, paravertebraler Abszess >2,5 cm
- Sepsis
- Therapieversagen (radiologisch, klinisch und laborchemisch)
- Zeitpunkt: Abhängig von den Symptomen und dem Ausmaß des Infekts
- Notfalloperation
- Sepsis
- Nervenwurzel- oder Rückenmarkskompression mit neurologischem Defizit
- Elektive Operation: Frühzeitiges Vorgehen zeigt besseres Outcome
- Notfalloperation
- Vorgehen : Meist Kombination aus
- Infektsanierung: Radikales Débridement , Nekrosektomie, Spülung, ggf. Drainage und
- Stabilisierung des betroffenen Segments: Spondylodese plus ggf.
- Bei spinalem epiduralem Abszess oder intraspinaler Beteiligung: Dekompression des Spinalkanals
- Bei neurologischem Defizit: Dekompression der neuronalen Strukturen
- Bei segmentaler Instabilität oder knöcherner Destruktion: Rekonstruktion und Stabilisierung der ventralen Säule
Typische operative Strategien bei einer Spondylodiszitis [4][5] | |
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Indikation | Vorgehen |
Spondylodiszitis der HWS |
|
Spondylodiszitis der BWS/LWS |
|
Spondylodiszitis mit ausgeprägter Instabilität |
|
Verlaufs- und Sonderformen
Spinaler epiduraler Abszess [3][16]
- Definition: Abszess zwischen Dura mater des Rückenmarks und Periost des Wirbelkanals
- Ätiologie
- Per continuitatem über lokale Infektion, bspw. Spondylodiszitis oder paravertebraler Abszess
- Direkte Inokulation, bspw. im Rahmen einer Operation oder Injektion
- Hämatogene Streuung, meist arterieller septischer Embolus
- Typische klinische Symptomatik
- Rückenschmerzen
- Fieber
- Neurologische Defizite durch Raumforderung im Verlauf
- Siehe auch: Red Flags bei Rückenschmerzen
- Diagnostik: Siehe Diagnostik der Spondylodiszitis
- Therapie : Antibiotikatherapie plus
- CT-gesteuerte Drainage oder
- Operative Dekompression und Débridement des Abszesses: Immer bei neurologischem Defizit oder Raumforderung
- Siehe auch: Antibiotikatherapie der unspezifischen Spondylodiszitis
Implantatassoziierte vertebrale Osteomyelitis [4][17]
- Inzidenz: Steigend
- Operationsbedingte Risikofaktoren
- OP-Dauer↑
- Ausgedehnter Weichgewebeschaden
- Vorbestrahlung des Operationsgebiets
- Revisionseingriff
- Hoher perioperativer Volumenumsatz
- Einteilung
- Ätiologie: Meist bakterielle Infektion eines Wirbelsäulenimplantats
- Akute Infektion: Häufig Staphylococcus aureus
- Chronische Infektion: Häufig Cutibacterium acnes oder koagulasenegative Staphylokokken
- Symptomatik
- Fieber
- Persistierende postoperative Schmerzen
- Wundheilungsstörung , Abszess oder freiliegendes Implantat
- Diagnostik
- Labordiagnostik: CRP↑ und Leukozytenzahl↑
-
Mikrobiologische Untersuchung: Direkter Erregernachweis (Weichgewebe, Abszess oder aus der Sonikation)
- Hochvirulente Keime : In 1 Probe
- Niedrigvirulente Keime : In mind. 2 Proben
- Bildgebung
- Hinweise auf eine Implantatlockerung, Pseudarthrose oder periostale Ossifikation
- Siehe auch: Diagnostik der Spondylodiszitis
- Therapie
- Akute Infektion
- Radikales Débridement unter Erhalt des Implantats plus
- Antibiotikatherapie
- Eradikationstherapie: 12 Wochen mit biofilmaktivem Antibiotikum oder
- Suppressionstherapie: Bis zur Konsolidierung und Implantatentfernung
- Chronische Infektion
- Radikales Débridement (inkl. Entfernung etwaiger Fisteln!), nachfolgendes Vorgehen je nach Stabilität des Wirbelsäulensegments
- Stabil: Vollständige Entfernung des Implantats
- Instabil: Einzeitiger Wechsel des Implantats
- Plus Antibiotikatherapie je nach Erreger
- „Problemerreger“ (gegenüber biofilmaktiven Antibiotika resistente Pathogene ): Lang dauernde Suppressionstherapie bis zur Konsolidierung und Implantatentfernung
- Kein „Problemerreger“ (leicht zu behandelnde Pathogene ohne Resistenzen): Eradikationstherapie mit einem biofilmaktiven Antibiotikum für 12 Wochen
- Radikales Débridement (inkl. Entfernung etwaiger Fisteln!), nachfolgendes Vorgehen je nach Stabilität des Wirbelsäulensegments
- Akute Infektion
Empfohlene Antibiotikatherapie bei implantatassoziierter vertebraler Osteomyelitis [18] | ||
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Erreger | Antibiotikum | |
2 Wochen: Gabe i.v. | Ab 3. Woche: Gabe p.o. | |
Unbekannt |
|
|
Staphylokokken, oxacillinsensibel |
|
|
Staphylokokken oxacillinresistent |
| |
Streptococcus spp. |
|
|
Enterococcus spp., penicillinsensibel |
|
|
Enterococcus spp., penicillinresistent oder bei Penicillinallergie |
|
|
Enterobacteriaceae |
|
|
Nonfermenter |
|
|
Anaerobier (grampositiv) |
|
|
Spondylodiszitis im Kindes- und Jugendalter
- Epidemiologie
- Seltene Erkrankung
- Altersgipfel: 4–5 Jahre
- Diszitis > Spondylodiszitis
- Unspezifische > spezifische Spondylodiszitis (Europa)
- Typische Lokalisation: LWS oder lumbosakraler Übergang
- Ätiologie: Meist hämatogener Infektionsweg
- Typischer Erreger: Staphylococcus aureus
- Symptomatik: Meist unspezifische Symptome
- Bauchschmerzen, Rückenschmerzen oder Hüftschmerzen
- Eingeschränkte Beweglichkeit der Hüfte und/oder der Wirbelsäule
- Vermeidung von Belastung
- Nächtliches Fieber
- Diagnostik: Bisher kein standardisiertes Vorgehen vorhanden
- Labordiagnostik: Entzündungsparameter↑
- Konventionelle Röntgenaufnahme
- MRT
- CT nur in Einzelfällen
- Insg. ähnliches Vorgehen wie bei Erwachsenen, siehe auch: Diagnostik der Spondylodiszitis
- Differenzialdiagnosen: Siehe auch Rückenschmerzen im Kindes- und Jugendalter
- Therapie: Bisher kein standardisiertes Vorgehen vorhanden
- Konservative Therapie: Meist ausreichend
- Immobilisation im Cast oder Korsett sowie Bettruhe plus
- Antibiotikatherapie, bspw. empirisch mit Penicillin G, Clindamycin oder Cephalosporin der 2. Generation
- Operative Therapie: Nur bei begründeter Indikation
- Neurologisches Defizit
- Abszessbildung
- Ausgeprägte knöcherne Destruktion
- Instabile Wirbelsäule
- Konservative Therapie: Meist ausreichend
- Kontrolle: MRT nach jeweils 6 und 12 Monaten
Komplikationen
Allgemeine Komplikationen
- Chronische Rückenschmerzen
- Persistierendes neurologisches Defizit
- Verbleibende Instabilität und Ausbildung einer Fehlstellung
- Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
- Bewegungs- und Funktionseinschränkung
Operative Komplikationen
- Verletzung von neuronalen Strukturen oder Gefäßen
- Verletzung des Durasacks, ggf. mit Bildung einer Liquorfistel
- Implantatversagen oder -dislokation
- Infektion des Implantats
- Pseudarthrose
- Wundheilungsstörung, Infektion oder Abszedierung
- Bildung eines Hämatoms oder Seroms
- Bei HWS-OP: Verletzung der Halsorgane, Schluckstörung, Läsion des N. laryngeus recurrens, Horner-Syndrom, Herzrhythmusstörungen
- Bei BWS-/LWS-OP: Miktions- oder Potenzstörung
- Siehe auch: Komplikationen nach Osteosynthese und allgemeine postoperative Komplikationen
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Prognosefaktoren: Individuelle Prognose insb. abhängig von
- Zeitraum zwischen dem Auftreten erster Symptome bis zur Diagnosestellung
- Vorliegen neurologischer Defizite
- Ausmaß der Infektion, insb. knöcherne Destruktion und Abszessbildung
- Nicht-Ansprechen auf initiale (konservative) Therapie
- Häufigkeit ca. 50% der Fälle
- Mögliche Risikofaktoren
- Multisegmentaler Befall
- Abszessbildung
- Hohes CRP
- Hohes Lebensalter
- Hohe Letalität
- Häufigkeit: 64,7/1.000 der stationär behandelten Personen (Stand 2020)
- Ca. 5% innerhalb des ersten Monats
- Ca. 20% innerhalb des ersten Jahres (Stand 2019)
- Mögliche Risikofaktoren
- Multisegmentaler Befall
- Multimorbidität
- Nierenversagen
- Hohes Lebensalter
- Häufigkeit: 64,7/1.000 der stationär behandelten Personen (Stand 2020)
- Rezidive
- Häufigkeit: 1–22% (meist innerhalb des ersten Jahres)
- Mögliche Risikofaktoren
- Ausgeprägte knöcherne Destruktion
- Abszessbildung
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- M46.- Sonstige entzündliche Spondylopathien
- M46.1: Sakroiliitis, anderenorts nicht klassifiziert
- Exkl.: Ostitis condensans
- M46.2-: Wirbelosteomyelitis
- M46.20: Wirbelosteomyelitis: Mehrere Lokalisationen der Wirbelsäule
- M46.21: Wirbelosteomyelitis: Okzipito-Atlanto-Axialbereich
- M46.22: Wirbelosteomyelitis: Zervikalbereich
- M46.23: Wirbelosteomyelitis: Zervikothorakalbereich
- M46.24: Wirbelosteomyelitis: Thorakalbereich
- M46.25: Wirbelosteomyelitis: Thorakolumbalbereich
- M46.26: Wirbelosteomyelitis: Lumbalbereich
- M46.27: Wirbelosteomyelitis: Lumbosakralbereich
- M46.28: Wirbelosteomyelitis: Sakral- und Sakrokokzygealbereich
- M46.29: Wirbelosteomyelitis: Nicht näher bezeichnete Lokalisation
- M46.3-: Bandscheibeninfektion (pyogen)
- M46.4-: Diszitis, nicht näher bezeichnet
- M46.5-: Sonstige infektiöse Spondylopathien
- M46.8-: Sonstige näher bezeichnete entzündliche Spondylopathien
- M46.9-: Entzündliche Spondylopathie, nicht näher bezeichnet
- M46.1: Sakroiliitis, anderenorts nicht klassifiziert
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.