Zusammenfassung
Im Laufe des Lebens kommt es bei vielen Menschen zu relevanten Rückenschmerzen – davon wird jedoch nur ein Bruchteil durch Bandscheibenvorfälle verursacht. Eine radikuläre Schmerzsymptomatik ist in den meisten Fällen auf eine Kompression von Spinalnerven durch eine Diskusprotrusion oder einen Diskusprolaps (Austritt von Bandscheibenmaterial) zurückzuführen. Der Altersgipfel für symptomatische Bandscheibenvorfälle liegt zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Übergewicht, mangelnde Bewegung oder verstärkte biomechanische Belastung begünstigen einen Bandscheibenvorfall. Anhand der Symptomatik (radikuläre Schmerzausstrahlung, Sensibilitätsstörungen, motorische Einschränkungen, Reflexminderung) kann auf die Höhe der Läsion geschlossen werden. Dabei sind lumbale Bandscheibenvorfälle in den Bewegungssegmenten L4/5 und L5/S1 am häufigsten.
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Definition
- Diskusprotrusion: Verlagerung des Nucleus pulposus in einen Einriss der inneren Fasern des Anulus fibrosus mit resultierender Vorwölbung des Anulus fibrosus und ggf. des hinteren Längsbandes
- Diskusprolaps: Austritt von Bandscheibenmaterial aus dem Anulus fibrosus (= Herniation)
- Nach mediolateral (90% der Fälle): Austritt am hinteren Längsband (Ligamentum longitudinale posterius) vorbei
- Nach medial/posteromedial: Austritt durch das hintere Längsband hindurch
- Nach lateral
- Diskussequester: Bandscheibengewebe, das seine Verbindung zur ursprünglichen Bandscheibe verloren hat
Epidemiologie
- Alter
- Häufigkeitsgipfel: 30.–50. Lebensjahr
- Nach dem 50. Lebensjahr: Seltener aufgrund des abnehmenden Expansionsdrucks des Nucleus pulposus
- Lokalisation [1]
- Lumbal (ca. 60%)
- 90% der lumbalen Bandscheibenvorfälle in kaudalen Bewegungssegmenten L4/5 und L5/S1
- Häufigstes Krankheitsbild der Lendenwirbelsäule im mittleren Lebensalter [2]
- Lebenszeitprävalenz bei 45- bis 55-Jährigen: 20%
- Zervikal (ca. 35%)
- Thorakal (ca. 2%)
- Lumbal (ca. 60%)
- Geschlechterverhältnis: Insg. ausgewogen
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Degenerativer Bandscheibenvorfall
- Sehr häufig
- Meist infolge einer Bandscheibendegeneration
- Selten infolge einer genetischen Prädisposition
- Traumatischer Bandscheibenvorfall
- Isoliert sehr selten
- Häufiger in Kombination mit Wirbelsäulenverletzung
- Meist infolge einer traumatischen Belastung oder Extrembewegung
Pathophysiologie
Anatomische Grundlagen der Bandscheibe [3][4][5][6]
- Aufbau
- Gallertartiger Nucleus-pulposus-Kern
- Faserknorpeliger Anulus-fibrosus-Ring
- Knorpelige Grund- und Deckplatte der angrenzenden Wirbelkörper
- Durchblutung des Anulus fibrosus
- Beim Kleinkind: Stark vaskularisiert
- Beim Erwachsenen: Größtenteils avaskulär
- Innervation des Anulus fibrosus: Perivaskuläre und sensible Nerven
- Funktion: Gleichmäßige Verteilung der axialen Belastung auf die Deck- und Bodenplatten der Wirbelkörper
- Siehe auch: Gelenke der Wirbelsäule
Pathophysiologie der Bandscheibendegeneration [3][7]
- Definition: Umbau der Bandscheiben aufgrund von Alter, Belastung und geringer Regenerationsfähigkeit; geht oft mit weiteren degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule einher
- Risikofaktoren [8]
- Rauchen
- Positive Familienanamnese
- Diabetes mellitus
- Kardiovaskuläre Risikofaktoren
- Übergewicht
- Verletzungen der Wirbelsäule
- Rückenschmerzen in der Anamnese
- Berufe mit schwerer körperlicher Arbeit
- Mechanismus
- Rückbildung der Gefäßversorgung des Anulus fibrosus im Kindesalter
- Veränderung der strukturellen Zusammensetzung des Anulus fibrosus
- Dehydratation der Bandscheibe führt zu Höhenminderung
- Anulus fibrosus wird anfälliger für Verletzungen
- Verminderte Höhe, Elastizität und Federfunktion der Bandscheibe begünstigen weitere degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
Pathophysiologie des Bandscheiben-assoziierten Schmerzes [3]
- Kombination (Mixed Pain)
- Nozizeptorschmerz
- Inflammatorischer nozizeptiver Schmerz
- Neuropathischer Schmerz
- Ursachen
- Erhöhte Druckbelastung der Facettengelenke durch Höhenminderung der Bandscheibe
- Lokale Entzündungsprozesse
- Einsprossung sensibler Nerven in die degenerierte Bandscheibe
- Kompression von Nervenwurzeln durch Bandscheiben-Herniation
Symptomatik
Allgemeine Symptome
- Schmerzen
- Dauer: Akut (<6 Wochen), subakut (6–12 Wochen), chronisch (>12 Wochen)
- Qualität: Oft stechend, ggf. elektrisierend
- Schmerzverstärkung durch Druck , -reduktion durch Entlastung
- Lokalisation abhängig von Höhe des Bandscheibenvorfalls
- HWS: Meist Nackenschmerz mit Schmerzausstrahlung in Schulter und Arme (Brachialgie)
- BWS: Schmerzen des oberen Rückens (Dorsalgie) und der Rippenbögen (Interkostalneuralgie)
- LWS: Schmerzen des unteren Rückens (Lumbalgie), Schmerzausstrahlung in die Beine im Verlauf des N. ischiadicus (Ischialgie) und Schmerzausstrahlung im Verlauf des N. femoralis (Femoralgie)
- Symptomausprägung abhängig von Lokalisation des Bandscheibenvorfalls
- Mediolateral und intraforaminal: Kompression von Nervenwurzel(n) → Radikuläre Symptomatik
- Eher medial: Kompression des Myelons → Myelopathische Symptomatik
- Radikuläre Symptomatik
- Schmerzausstrahlung: Ausstrahlung ins sensible Versorgungsgebiet einer oder mehrerer Nervenwurzeln (Dermatom)
- Sensibilitätsstörungen: Missempfindungen, Kribbelparästhesien, Taubheitsgefühl im Dermatom der betroffenen Nervenwurzel
- Paresen der Kennmuskeln
- Reflexminderung oder Ausfall des Muskeleigenreflexes eines Kennmuskels
- Radikuläre Syndrome: Symptomkonstellation, die auf Schädigung von Nervenwurzeln zurückzuführen ist [9]
- Zervikale radikuläre Syndrome
- Lumbale radikuläre Syndrome
- Cauda-equina-Syndrom: Kompression mehrerer Nervenwurzeln möglich, ggf. beidseitig
- Myelopathische Symptomatik: Ein- oder beidseitige neurologische Funktionsausfälle durch Kompression des Rückenmarks bis hin zum inkompletten Querschnittsyndrom
- Auf Höhe der Kompression: Ggf. radikuläre Schmerzen, schlaffe Paresen und Areflexie (Zeichen des 2. Motoneurons)
- Unterhalb der Läsion: Hypästhesie/Anästhesie, spastische Paresen, Kloni, Ataxie, Hyperreflexie, Pyramidenbahnzeichen (Zeichen des 1. Motoneurons)
- Zervikale Myelopathie bei Kompression des zervikalen Rückenmarks
- Conus-medullaris-Syndrom bei Kompression auf Höhe des Conus medullaris
Die radikulären Dermatome haben überlappende Grenzen, sodass die unterschiedlichen Dermatomkarten in der Literatur immer einen Kompromiss darstellen!
Bei hohen lumbalen Bandscheibenvorfällen können Rückenschmerzen weitestgehend fehlen. Hier steht bei der L3-Kompression der Knieschmerz im Vordergrund!
Als Warnzeichen für das Absterben eines Nerven gilt ein plötzliches Nachlassen der Schmerzsymptomatik bei gleichzeitig zunehmender Parese. In einem solchen Fall droht ein Wurzeltod!
Häufige radikuläre Syndrome und ihre Kennmuskeln
Zervikale radikuläre Syndrome [10]
Zervikale radikuläre Syndrome | |||
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Dermatom (Sensibilitätsstörung/Schmerzausstrahlung) | Reflex(-minderung) | ||
C3/4-Syndrom |
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C5-Syndrom |
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C6-Syndrom |
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C7-Syndrom |
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C8-Syndrom |
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Lumbale radikuläre Syndrome [10][11]
Lumbale radikuläre Syndrome | |||
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Syndrom | Dermatom (Sensibilitätsstörung/Schmerzausstrahlung) | Reflex(-minderung) | |
L3-Syndrom |
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L4-Syndrom |
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L5-Syndrom |
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S1-Syndrom |
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Ein lateraler Bandscheibenprolaps auf Höhe LWK 4/5 betrifft i.d.R. nur die Nervenwurzel L5 auf einer Seite, wohingegen ein medialer Bandscheibenprolaps auf dieser Höhe ein Cauda-equina-Syndrom verursachen kann!
Verlaufs- und Sonderformen
Das Konus- und das Kaudasyndrom stellen schwerwiegende Verlaufsformen eines Bandscheibenvorfalls dar. Beide Syndrome können sowohl isoliert als auch kombiniert auftreten. Das Konus-Kauda-Syndrom, also die Kombination beider Syndrome, ist oft durch eine sehr große Raumforderung (bspw. posteromedialer Vorfall, Tumor) bedingt, die eine massive Kompression des Rückenmarks und der Spinalnerven bewirkt.
Vergleich von Konussyndrom und Kaudasyndrom | ||
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Conus-medullaris-Syndrom | Cauda-equina-Syndrom | |
Anatomie |
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Lokalisation |
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Abgeschwächte/ausfallende Reflexe | ||
Symptomatik |
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Das Konussyndrom und das Kaudasyndrom sind absolute Notfallsituationen und bedürfen eines sofortigen operativen Eingriffs!
Vorgehen in der Notaufnahme
- Anamnese und körperliche Untersuchung mit Fokus Wirbelsäule
- SAMPLE-Schema oder OPQRST-Schema unter Berücksichtigung der Red Flags bei Rückenschmerzen
- Inspektion, Palpation und Funktionsuntersuchung (Sensibilität, Kraft der Kennmuskeln, Reflexstatus, Wurzeldehnungszeichen)
- Für eine detaillierte Untersuchung siehe: Diagnostik bei Bandscheibenprolaps
- Lagerung [12][13]
- In möglichst schmerzarmer Position
- Ggf. Unterstützung durch spezielle Lagerungskissen
- Venöser Zugang und Blutentnahme: Kleines Blutbild, BSG, CRP, PCT, Leber- und Nierenwerte
- Monitoring: Ggf. EKG, Pulsoxymetrie, Blutdruck
- Schmerzadaptierte Analgesie: Unter Berücksichtigung bereits erhaltener Medikamente
- Bei leichten Schmerzen : Ibuprofen p.o. oder Metamizol p.o. oder i.v.
- Bei starken Schmerzen : Piritramid
- Zur Behandlung einer opioidinduzierten Übelkeit: Dimenhydrinat
- Weiteres Vorgehen
- Bei Red-Flags-Symptomatik oder immobilisierenden Schmerzen: Stationäre Aufnahme und Therapie empfohlen [1]
- Bei immobilisierenden Schmerzen: Thromboseprophylaxe je nach individuellem Risiko: Enoxaparin , alternativ Certoparin
Diagnostik
Ziele
- Red Flags bei Rückenschmerzen identifizieren
- Radikuläre Syndrome erkennen
- Betroffene Nervenwurzel bzw. Rückenmarksabschnitt identifizieren
Anamnese
- Schmerzanamnese
- Beginn: Akut oder subakut (sog. Hexenschuss)
- Auslöser: Trauma oder Fehlbelastung
- Charakter und Intensität
- Bewegungsabhängigkeit
- Verlauf
- Radikuläre Symptome und Hinweise für die Schädigung des Rückenmarks
- Sensibilitätsstörung in einem Dermatom
- Parese einzelner Muskelgruppen
- Störungen von Blasen- und Mastdarmfunktion
- Weitere Symptome: Zur differenzialdiagnostischen Einordnung, siehe auch: Red Flags bei Rückenschmerzen
Fokussierte körperliche Untersuchung
- Inspektion
- Hautveränderungen
- Muskelatrophien
- Gangbild und Schonhaltung [14]
- Deformität der Wirbelsäule
- Sprungschanzenphänomen bei Spondylolisthesis
- Beinhaltung und Beckenschiefstand
- Palpation und Perkussion
- Paravertebraler Hartspann, ggf. mit Steilstellung der Wirbelsäule
- Klopf- oder Druckschmerz über der Wirbelsäule
- Valleix-Druckpunkte: Punkte über dem N. ischiadicus, die im Falle einer Nervenreizung druckschmerzhaft sein können
- Neurologische Untersuchung
- Sensibilitätsprüfung: Fokus auf plausible Ausdehnung in dem zur Symptomatik passenden Dermatom
- Einzelkraftprüfung der Kennmuskeln: Medical-Research-Council-Skala
- Prüfung der Muskeleigenreflexe, siehe auch: Radikuläre Syndrome
- Bei V.a. lumbale Radikulopathie: Wurzeldehnungszeichen
- Bei V.a. zervikale Radikulopathie: Provokationstest, bspw. Spurling-Test [15][16][17]
- Funktionelle Untersuchung, siehe auch: Orthopädische Untersuchung der Wirbelsäule
Ob es sich um eine radikuläre oder pseudoradikuläre Schmerzausbreitung handelt, ist klinisch nicht leicht zu unterscheiden und erfordert eine gründliche neurologische Untersuchung!
Bei lumbalen Bandscheibenvorfällen wird häufig nicht die unmittelbar auf der gleichen Höhe austretende Wurzel geschädigt, sondern die darunter!
Bildgebende Diagnostik bei Bandscheibenprolaps [1][11][18][19]
Bei akutem Rückenschmerz und fehlenden Hinweisen auf Red Flags bei Rückenschmerzen ist eine bildgebende Diagnostik initial nicht routinemäßig indiziert!
- Indikation
- Radikuläre Schmerzen seit ≥2 Wochen
- Starke Schmerzen (insb. nach Trauma)
- Therapieresistente Schmerzen ohne radikuläre Symptome seit ≥4 Wochen
- Ausgeprägte neurologische Defizite wie Paresen, Blasen- oder Mastdarmstörungen
- Weitere Red Flags bei Rückenschmerzen
- Verfahren
Auswahl bildgebender Verfahren zur Diagnostik eines Bandscheibenvorfalls | |||
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Verfahren | Typische Indikation | Durchführung | Möglicher Befund |
Magnetresonanztomografie |
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Konventionelle Röntgenaufnahme |
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Computertomografie |
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Myelografie [22] |
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Eine bildmorphologische Pathologie hat keinen prädiktiven Wert für das Auftreten einer klinischen Symptomatik! Hier sollte das akute Beschwerdebild genau auf Übereinstimmung mit der morphologischen Veränderung in Röntgen/MRT/CT kontrolliert werden!
Erweiterte Diagnostik
Labor
- Indikation: Verdacht auf infektiöse oder entzündliche Ursache, Ausschluss von Kontraindikationen bei medikamentöser Therapie
- Parameter: Kleines Blutbild, BSG, CRP, PCT, Leber- und Nierenwerte
Neurophysiologische Diagnostik
- Elektromyografie (EMG)
- Indikation: Differenzierung einer peripheren Nervenläsion von einer Wurzelschädigung
- Durchführung
- Untersuchung mehrerer Muskeln, die durch die gleiche Nervenwurzel, aber unterschiedliche Nerven innerviert werden
- Periphere und paravertebrale Ableitung des Versorgungsgebietes einer Nervenwurzel (Myotom)
- Vergleich mit nicht-betroffenen Muskeln, die durch andere Nervenwurzeln innerviert werden
- Interpretation: Denervierungszeichen paravertebral (insb. pathologische Spontanaktivität) sprechen für Läsion der Nervenwurzel oder Vorderhornzelle
- Sensible Elektroneurografie (ENG)
- Indikation: Differenzierung einer infra- von einer supraganglionären Schädigung
- Durchführung: Betroffene Nerven im Seitenvergleich
- Interpretation
- Erhaltene sensible Nervenaktionspotenziale (SNAP) bei gestörter Sensibilität: Hinweis auf Wurzelläsion (supraganglionär)
- Ausgefallene oder amplitudengeminderte sensible Nervenaktionspotenziale: Hinweis auf periphere Nervenläsion oder Plexusläsion (infraganglionär)
- Motorische Elektroneurografie (ENG)
- Indikation: Differenzierung einer Wurzelläsion von einer Mononeuropathie
- Interpretation
- Erniedrigtes Muskelsummenaktionspotenzial (MSAP), ggf. verlängerte F-Wellen-Latenz oder reduzierte Persistenz
- Bei S1- oder C7-Läsion: H-Reflex auf betroffener Seite ausgefallen oder verlängerte Latenz
Diagnostische periradikuläre Infiltration (PRT) [1]
- Indikation
- Unklare Korrelation von Klinik und Bildmorphologie
- Analgesie direkt am Spinalnerv
- Durchführung: Bildwandler- oder CT-gestützte transforaminale Injektion geringer Mengen eines Lokalanästhetikums (0,2–0,3 mL) und Kontrastmittels an die Nervenwurzel
- Interpretation: Vorübergehendes Verschwinden der Schmerzen im Bereich der betäubten Nervenwurzel bestätigt radikulären Ursprung der Schmerzen
Wurzeldehnungszeichen
AMBOSS-Video-Tutorials zur Prüfung des (umgekehrten) Lasègue- sowie des Bragard-Zeichens:
Lasègue-Test [1][14]
- Durchführung
- Untersuchung des betroffenen Beines in Rückenlage
- Anheben des gestreckten Beines durch die untersuchende Person
- Lasègue-Zeichen positiv: Schnell einschießende Schmerzen in das ipsilaterale Bein mit Ausbreitung im motorischen/sensiblen Areal der betroffenen Nervenwurzel bei einem Beugungswinkel im Hüftgelenk von meist 40–60°
- Hinweis auf: Wurzelreizung im Bereich L4–S1, Reizung des N. ischiadicus oder meningeale Reizung
- Pseudo-Lasègue-Zeichen: Ziehende Schmerzen im Bereich der LWS und des Oberschenkels mit nur langsam zunehmender Stärke und ohne Schmerzausstrahlung
- Hinweis auf: Muskuloskelettale Dysfunktionen
Gekreuzter Lasègue-Test
- Durchführung
- Untersuchung des nicht-betroffenen Beines in Rückenlage
- Analog zum Lasègue-Test
- Gekreuztes Lasègue-Zeichen positiv: Einschießende Schmerzen in das kontralaterale Bein mit Ausbreitung im motorischen/sensiblen Areal der betroffenen Nervenwurzel
- Hinweis auf: Wurzelreizung im Bereich L4–S1 oder des N. ischiadicus des kontralateralen Beines, meningeale Reizung (analog zum Lasègue-Test)
Umgekehrter Lasègue-Test [11]
- Durchführung
- Untersuchung des betroffenen Beines in Bauchlage
- Bein wird in der Hüfte gestreckt und optional im Knie flektiert
- Anschließend wird das Hüftgelenk durch passives Anheben des Oberschenkels durch die untersuchende Person überstreckt
- Umgekehrtes Lasègue-Zeichen positiv: Einschießende Schmerzen in die Vorderseite des Oberschenkels durch Hyperextension im Hüftgelenk
- Hinweis auf: Wurzelreizung von L3, L4 bzw. des N. femoralis im ipsilateralen Bein, meningeale Reizung
Bragard-Test (Wirbelsäule) [10][11]
- Durchführung
- Durchführung des Lasègue-Tests, bis der Schmerz einsetzt
- Anschließend Absenken des Beines, bis der Schmerz gerade verschwunden ist
- Halten der Position und passive Durchführung einer schnellen Dorsalextension des Fußes durch die untersuchende Person
- Bragard-Zeichen positiv: Schnell einschießende Schmerzen in das ipsilaterale Bein mit Ausbreitung im motorischen/sensiblen Areal der betroffenen Nervenwurzel
- Hinweis auf: Wurzelreizung im Bereich L4–S1, Reizung des N. ischiadicus oder meningeale Reizung
- Bragard-Zeichen negativ bei positivem Lasègue-Test: Evtl. Hinweis auf eine muskuloskelettale Dysfunktion
Kernig-Zeichen [23]
- Variante A
- Durchführung: Passives Anheben des gestreckten Beines in Rückenlage durch die untersuchende Person
- Kernig-Zeichen positiv: Einschießende Schmerzen ab einem bestimmten Beugungswinkel des Hüftgelenks sowie reflektorische Beugung des Beines im Kniegelenk zur Schmerzreduktion
- Variante B
- Durchführung: Passive Beugung des Beines in Hüft- und Kniegelenk um je 90° in Rückenlage, anschließend erfolgt eine langsame, passive Streckung im Kniegelenk
- Kernig-Zeichen positiv: Einschießende Schmerzen bei Streckung des Kniegelenks mit fühlbarer Abwehrspannung, typisch ist das Auftreten von Schmerzen bzw. einer Abwehrspannung bei einem Streckungswinkel <135° (bzw. Knieflexion >45° und <90°)
- Hinweis auf: Wurzelreizung im Bereich L4–S1, Reizung des N. ischiadicus oder meningeale Reizung
Differenzialdiagnosen
Unspezifischer Rückenschmerz
- Definition: Lumbale Rückenschmerzen, die auf keine spezifisch feststellbare Ursache zurückzuführen sind
- Symptomatik: Lokaler Rückenschmerz ohne radikuläre Reizung
- Therapie: Konservativ
- Aufklärung über Krankheitsbild
- Kurzfristige medikamentöse Schmerztherapie: NSAR (bspw. Ibuprofen, Diclofenac) , ggf. kurzfristig schwache Retard-Opioide
- Beibehaltung von körperlicher Aktivität, Bewegungstherapie, keine(!) Bettruhe
-
Reevaluation der Beschwerden nach (2–)4 Wochen
- Therapiedeeskalation bei Besserung
- Therapieeskalation bei Persistenz der Beschwerden: Abklärung von Yellow Flags, erweitertes diagnostisches Vorgehen bei Kreuzschmerz (Überprüfung der Indikation einer Bildgebung, ggf. Einbeziehen weiterer Fachdisziplinen)
- Bzgl. weiterer Details zur Therapie siehe auch: Rückenschmerz
Spezifischer Rückenschmerz
- Funktionelle Ursachen spezifischer Rückenschmerzen
- Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, bspw. degenerative Spinalkanalstenose
- Wirbelsäulenverletzungen
Extravertebragene Ursachen
- Neuralgische Schulteramyotrophie
- Degenerative Muskelerkrankungen mit axialem Schwerpunkt: Bspw. myotone Dystrophie Typ 2
- Periphere Nervenläsionen
- Meralgia paraesthetica
- Pseudoradikuläre Syndrome
- Proximale diabetische Neuropathie oder Radikulopathie
- Mononeuropathia multiplex
- Raumfordernde Prozesse: Epidurale Blutungen, benigne und maligne Tumoren, Knochenmetastasen, spinale durale AVMs
- Infektionen umgebender Strukturen: Bspw. Spondylodiszitis, spinaler epiduraler Abszess
- Entzündliche Radikulopathien: Bspw. Neuroborreliose, Herpes zoster, Guillain-Barré-Syndrom
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Ziele
- Schnellstmögliche Rückbildung der Symptomatik
- Soziale und berufliche Reintegration
- Verhinderung einer Chronifizierung
Indikation
- Konservative Therapie
- Stärkster Rückenschmerz ohne relevante sensomotorische Defizite
- Radikuläre Symptome mit sensiblem Defizit
- Radikuläre Symptome mit geringem motorischen Defizit, Kraftgrad ≥4/5
- Operative Therapie [1]
- Konus- oder Kaudasyndrom: Notfallindikation
- Myelonkompression, zentrale Ausfälle (bspw. pathologische Fremdreflexe) unabhängig vom Schweregrad
- Radikuläre Symptome mit motorischem Defizit, Kraftgrad ≤3/5
- Progredienter radikulärer Schmerz
- Persistierender radikulärer Schmerz >6–12 Wochen unter konservativer Therapie
Therapieformen
Konservative Therapie des Bandscheibenvorfalls
- Durchführung: Multimodales Therapiekonzept, bspw.
- Medikamentöse Schmerztherapie nach WHO-Stufenschema
- Nicht-medikamentöse Therapie, bspw.
- Bewegungstherapie: Fortführung der täglichen Aktivitäten, keine Bettruhe
- Physiotherapie: Bspw. Krankengymnastik , Wärmetherapie, Massage
- Ggf. periradikuläre Therapie: Injektion von Lokalanästhetikum und/oder Glucocorticoiden an die Nervenwurzel
- Auch als Diagnostik der Schmerzursache bei unklaren Schmerzsyndromen
- Patient:innenedukation
- Verhaltenstherapie
- Typische Komplikationen
- Progrediente Symptomatik
- Chronifizierung
Operative Therapie des Bandscheibenvorfalls
- Durchführung
- Standardverfahren: Mikrochirurgische Sequestrektomie
- Weitere Verfahren
- Offene Sequestrektomie
- Perkutane Dekompression (Nukleotomie)
- Ggf. Kombination mit anderen Wirbelsäulenverfahren, bspw. Diskektomie, Implantation einer Bandscheibenprothese oder Spondylodese
- Typische Komplikationen
- Iatrogene Wurzel- oder Duraläsion
- Rezidiv bei Teilnukleotomie
- Postdiskektomie-Syndrom
- Selten: Verletzung großer prävertebraler Blutgefäße (bspw. A. iliaca communis auf Höhe L4/L5)
Konservative Therapie
Indikation
- Therapie der 1. Wahl bei Ausschluss absoluter OP-Indikationen
- Rückenschmerzen ohne radikuläre Symptomatik
- Keine passende Korrelation von Klinik und Bildgebung
- Begleitend bei operativer Therapie
Prinzip
- Nicht-medikamentöse Therapie zur raschen Mobilisierung
- Unterstützend ggf. medikamentöse Schmerztherapie, äquivalent zur medikamentösen Therapie von Rückenschmerzen
- Interventionelle Therapie bei starken Schmerzen
- Bei Risikofaktoren für eine Chronifizierung von Rückenschmerzen : Frühzeitig Verhaltenstherapie
Die wichtigste therapeutische Maßnahme bei einem Bandscheibenvorfall mit radikulären Symptomen ist die Bewegungstherapie! Unterstützend ist jedoch insb. initial häufig eine medikamentöse Schmerztherapie notwendig.
Medikamentöse Therapie
- Ziel: Schmerzreduktion, insb. initial zur raschen Wiederaufnahme von Bewegung
- Auswahl der Substanzen: Nach Schmerzstärke und Schmerzqualität
- Akute Schmerzen
- Orale Schmerztherapie gemäß WHO-Stufenschema, ggf. initial parenteral
- Für genaue Dosierungen siehe: Medikamentöse Therapie von Rückenschmerzen
- Bei neuropathischen Schmerzen siehe: Schmerztherapie bei Herpes zoster
- Chronische Schmerzen, siehe: Multimodale Behandlungsprogramme bei chronischen Rückenschmerzen
Nicht-Medikamentöse Therapie
- Aktivierende Therapien
- Patient:innenedukation
- Bewegungstherapie
- Krankengymnastik
- Unterstützende Therapien: Bspw. Wärmeanwendung, manuelle Therapie, Massagen, Akupunktur
- Therapien zur Prävention einer Chronifizierung
- Kognitive Verhaltenstherapie
- Entspannungstechniken
- Rückenschule
- Ergotherapie
Empfehlungen der S2k-Leitlinie zur konservativen nicht-medikamentösen Therapie bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik [1] | |||
---|---|---|---|
Behandlungsoption | Akute radikuläre Symptome | Postoperative radikuläre Symptome | Subakute oder chronifizierungsgefährdete radikuläre Symptome |
Ggf. empfohlene Maßnahmen | |||
Bewegungstherapie |
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Krankengymnastik |
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Verhaltenstherapie |
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Thermotherapie (Wärmetherapie) |
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Hydro- und Balneotherapie |
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Manuelle Therapie |
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Ergotherapie |
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Progressive Muskelrelaxation |
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Massage |
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Rückenschule (biopsychologischer Ansatz) |
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Orthesen |
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Elektrotherapie |
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Ultraschall |
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Akupunktur |
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Gerätegestützte Traktion |
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↑↑ = starke Empfehlung („soll“), ↑ = empfohlen („sollte“) ↔︎ = offene Empfehlung („kann“) ↓ = nicht empfohlen, ↓↓ = starke Nicht-Empfehlung |
Epidurale Injektion [1][24]
- Ziel: Schmerzlinderung, Herabsetzung der Nervenerregbarkeit, Desensibilisierung, ggf. Vermeidung einer operativen Therapie
- Auswahl des Verfahrens
- HWS: PRT oder interlaminäre Injektion
- LWS: Bevorzugt PRT, interlaminäre Injektion möglich
Periradikuläre Therapie (PRT)
- Definition: Epidurale Injektion von Medikamenten transforaminal an die Nervenwurzel
- Indikation
- Zeitpunkt: Jederzeit und ggf. mehrfach möglich
- Zielstruktur: Präganglionärer Epiduralraum um Nervenwurzel und Spinalganglion im Foramen intervertebrale
- Voraussetzung: Aktuelle Kernspintomografie
- Medikamentenauswahl: Meist Kombination aus Lokalanästhetikum und Glucocorticoid
- Lokalanästhetika, bspw. Lidocain oder Bupivacain
- Nicht-kristalline Glucocorticoide, bspw. Dexamethason (Off-Label Use)
- Kochsalzlösung bei Verzicht auf Lokalanästhetika
- Durchführung: Transforaminale Injektion in den ventralen Epiduralraum unter Durchleuchtung
- Wirksamkeit: Kurzfristig gut, ≥50% Schmerzreduktion bei ca. 70% der Behandelten [1]
- Nachbeobachtung
- Postinterventionelle Überwachung des neurologischen Status
- Rückmeldung der Patient:innen innerhalb von 14 Tagen nach Intervention
- Komplikationen: Sehr selten, aber ggf. schwerwiegend, bspw.
- Verletzung nervaler Strukturen
- Spinales epidurales Hämatom
- Infektionen
- Anaphylaktische Reaktion
- Intraarterielle Injektion
- Punktion der Dura
- Siehe auch: Komplikationen bei rückenmarksnaher Leitungsanästhesie
An der HWS sollten zur PRT aufgrund des Risikos für schwerwiegende Nebenwirkungen keine Lokalanästhetika verwendet werden!
Interlaminäre Injektion
- Definition: Epidurale Injektion von Medikamenten in den lateralen und ventralen Epiduralraum zwischen zwei Wirbelbögen
- Indikation: Radikuläre Schmerzen ausgehend von der HWS oder LWS
- Wirksamkeit: Bei ca. 70%
- Sicherheit: Geringeres Risiko für intraarterielle Injektion im Vergleich zur PRT
Landmarkengestützte Injektion
- Definition: Epidurale Injektion von Medikamenten anhand klinischer Palpationsbefunde
- Indikation: Lumbale radikuläre Schmerzen, wenn keine Bildgebung zu Verfügung steht
- Wirksamkeit: Limitierte Evidenz für kurzfristigen schmerzlindernden Effekt
- Sicherheit: Abhängig von Erfahrung der durchführenden Person; limitierte Evidenz
Operative Therapie
Allgemeines [1][14][19][25]
- Ziel: Entlastung neuronaler Strukturen
- Indikation
- Absolute OP-Indikation
- Akute Myelopathie oder zentrale Ausfälle, bspw. Konus-Kauda-Syndrom
- Rasch progrediente und/oder funktionell relevante motorische Ausfälle (Kraftgrad ≤3/5)
- Relative OP-Indikation
- Ausbleibende Besserung der Beschwerden unter konservativer Therapie >6 Wochen
- Eindeutiger Wunsch der betroffenen Person nach einer OP zur Verkürzung des Beschwerdeverlaufs
- Absolute OP-Indikation
- Zeitpunkt
- Dringliche OP: Bei absoluter OP-Indikation
- Elektive OP: Bei relativer OP-Indikation
- Auswahl operativer Techniken: Technik und Umfang des Eingriffs stark von der zugrundeliegenden Indikation abhängig
- Dekompression
- Sequestrektomie
- Diskektomie
- Perkutane intradiskale Verfahren („Shrinking“)
- Spondylodese
- Bandscheibenprothese
Typisches Vorgehen
Zervikaler Bandscheibenvorfall [19]
- Standardverfahren: Anteriore Diskektomie und Fusion
- Alternative Verfahren
- Anteriore Diskektomie und Einsatz einer Bandscheibenprothese
- Dorsale Foraminotomie und Sequestrektomie (mikrochirurgisch oder endoskopisch)
Thorakaler Bandscheibenvorfall [25][26]
- Standardverfahren: Dekompression mit Sequestrektomie oder Diskektomie
- Standardzugang: Ventral (thorakoskopisch oder Mini-Open)
- Alternativer Zugang: Dorsal, bspw. transforaminal oder transpedikulär
- Ggf. zusätzliche Spondylodese
Lumbaler Bandscheibenvorfall [14]
- Standardverfahren: Dekompression mit Sequestrektomie
- Mikrochirurgische Technik
- Interlaminär
- Extraforaminal
- Translaminär
- Endoskopische Technik
- Interlaminär
- Transforaminal
- Mikrochirurgische Technik
- Ggf. zusätzliche Spondylodese
Nachbehandlung [14][19][25]
- Allgemeine Hinweise
- Körperliche Schonung für 6 Wochen
- Physiotherapie: 1–2 ×/Woche
- Thromboseprophylaxe bis zur gesicherten Mobilisierung
- Lokalisationsabhängiges Vorgehen
Komplikationen bei Bandscheibenoperation [14][19][25]
- Rezidiv
- Persistierendes sensibles oder motorisches Defizit
- Persistierende Schmerzen, siehe auch: Persistent-Spinal-Pain-Syndrom
- Nerven- und Rückenmarkschädigung
- Intraspinales oder prävertebrales Hämatom
- Infektion und Wundheilungsstörung
- Duraläsion mit Liquorfistel
- Bewegungs- und Funktionseinschränkung
- Segmentale Instabilität
- Fraktur der Querfortsätze
- Heterotope Ossifikation
- Implantatbedingte Komplikationen
- Siehe auch: Allgemeine postoperative Komplikationen und Komplikationen nach Osteosynthese
Zugangsspezifische Komplikationen
- HWS [19]
- Plexusaffektion durch Lagerung
- Verletzung der A. vertebralis
- Verletzung der ventralen Gefäße und Weichgewebestrukturen
- Horner-Syndrom
- Dysphagie
- BWS [25]
- Pneumonie
- Lungenhernie
- Chylothorax
- LWS [14]
- Verletzung viszeraler Organe und Gefäße
- Arachnoiditis
Persistent-Spinal-Pain-Syndrom, ehemals: Postdiskektomie-Syndrom [27][28]
- Definition: Chronische Schmerzen im Bereich des Rückens oder projizierte/radikuläre Schmerzen im Bereich der Extremitäten [29]
- Typ 1: Ohne vorherige OP
- Typ 2: Nach Wirbelsäulen-OP
- Epidemiologie
- Ätiologie: Multifaktoriell, bspw. [30]
- Pathoanatomische Ursachen
- Biomechanische Ursachen
- Neurophysiologische Ursachen
- Postoperative Ursachen
- Risikofaktoren bspw.
- Alter >70 Jahre
- Weibliches Geschlecht
- Mehrgewicht
- Depression und weitere Risikofaktoren für eine Chronifizierung von Rückenschmerzen
- Therapie [31]
- Meistens multimodale Schmerztherapie
- Neuromodulation (Spinal Cord Stimulation)
- Epidurale Injektion
- Ggf. operative Revision
Ambulante Nachsorge
- Ziele
- Aufrechterhaltung des Therapieerfolgs
- Berufliche Reintegration und wirtschaftliche Absicherung
- Soziale Teilhabe
- Maßnahmen [1]
- Gesundheitsbezogene Verhaltens- und Lebensstilanpassung
- Rehabilitationssport
- Leistungserbringung durch Deutschen Behindertensportverband (Bereich Stütz- und Bewegungsorgane)
- Funktionstraining
- Leistungserbringung durch Regionalgruppen der Rheuma-Liga
- Angeleitet durch Physio- und Ergotherapeut:innen
- Sozialrechtliche Beratung
- Berufliche Wiedereingliederung
- Ggf. Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
- Adäquate Schmerztherapie
- Regelmäßige Schmerzerfassung und Erfassung von Risikofaktoren für eine Chronifizierung von Rückenschmerzen
- Ggf. multimodale Behandlungsprogramme bei chronischen Rückenschmerzen
- Zeitlicher Rahmen [1][14][19]
- Berufliche stufenweise Wiedereingliederung: Verlaufsabhängig
- Ambulante Therapien: Möglichst zeitnah (innerhalb von 12 Monaten nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahmen)
Nach einem Bandscheibenvorfall sollten den Betroffenen gezielte Nachsorgemaßnahmen angeboten werden!
Komplikationen
- Allgemeine Komplikationen
- Chronische (Rücken‑)Schmerzen
- Persistierende Wurzelschädigung und Wurzeltod oder Myelopathie
- Motorischer Funktionsverlust: Paresen, Kraftverlust, Bewegungseinschränkung
- Sensibilitätsstörungen
- Abgeschwächte oder pathologische Reflexe
- Harninkontinenz und/oder Stuhlinkontinenz
- Sexuelle Funktionsstörungen
- Rezidivprolaps [32]
- Für Prognose und Risikofaktoren siehe auch: Bandscheibenprolaps - Prognose
- Komplikationen bei Bandscheibenoperation, siehe auch:
- Implantatassoziierte vertebrale Spondylodiszitis
- Komplikationen bei Wirbelsäulenverletzungen
- Komplikationen nach Osteosynthese/Endoprothese
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
Risikofaktoren
- Alter >40 Jahre
- Krankenstand >3 Monate
- Symptomdauer >6 Monate
- Vorbestehende chronische Schmerzen
- Schlechtere Performance-Scores oder neurologische Defizite
- Rezidivprolaps
- Art des Bandscheibenvorfalls
- Belastende psychische Faktoren
- Laufende Entschädigungszahlungen der Unfallversicherung
- Geringer Bildungsstatus
- Beziehungsstatus
Prognose je nach Therapieverfahren [33][34]
- Konservative vs. operative Therapie
- Schnellere Rekonvaleszenz nach OP
- Keine signifikanten Unterschiede bzgl. der Langzeitergebnisse nach 1–2 Jahren
- Deutliche Besserung der Symptomatik unter konservativer Therapie bei ca. 80–90% der Betroffenen innerhalb eines Jahres
- Deutliche Besserung der Bein- oder Rückenschmerzen nach lumbalem Bandscheibenprolaps nach 10 Jahren: Bei ca. 60% der konservativ und ca. 70% der operativ therapierten Personen
- Vergleich operativer Verfahren
- Höchste Erfolgsrate und geringste Komplikationsrate bei perkutaner Dekompression
- Geringste Reoperationsrate bei mikrochirurgischer, offener Dekompression
Prävention
- Regelmäßige Bewegung/sportliche Aktivität, insb. [35][36]
- Kräftigung der Rumpfmuskulatur
- Dehnübungen
- Maßnahmen am Arbeitsplatz, bspw. [37]
- Schulungen zu rückengerechtem Heben
- Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung
- Schulungen/Programme, insb. für besonders gefährdete Berufsgruppen wie bspw. Pflegekräfte [38]
Unter Tipps & Links finden sich verschiedene Übungsprogramme für Rückengesundheit sowie Programme zur arbeitsbezogenen Prävention von Rückenschmerzen und Bandscheibenschäden!
Um den Druck möglichst gleichmäßig auf die Bandscheiben zu verteilen und das Risiko für Verletzungen zu reduzieren, sollte man größere Lasten rückengerecht aus den Beinen heben und nah am Körper tragen!
Patienteninformationen
- Bandscheibenprolaps
- Bandscheibenprolaps: Entscheidungshilfe OP
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Diskusprolaps
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
M50.-: Zervikale Bandscheibenschäden
- Inklusive: Zervikale Bandscheibenschäden mit Zervikalneuralgie, Zervikothorakale Bandscheibenschäden
- M50.0†: Zervikaler Bandscheibenschaden mit Myelopathie (G99.2*)
- M50.1: Zervikaler Bandscheibenschaden mit Radikulopathie
- Exklusive: Brachiale Radikulitis o.n.A. (M54.13)
- M50.2: Sonstige zervikale Bandscheibenverlagerung
- M50.3: Sonstige zervikale Bandscheibendegeneration
- M50.8: Sonstige zervikale Bandscheibenschäden
- M50.9: Zervikaler Bandscheibenschaden, nicht näher bezeichnet
M51.-: Sonstige Bandscheibenschäden
- Inklusive: Thorakale, thorakolumbale und lumbosakrale Bandscheibenschäden
- M51.0†: Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Myelopathie (G99.2*)
- M51.1†: Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie (G55.1*)
- Ischialgie durch Bandscheibenschaden
- Exklusive: Lumbale Radikulitis o.n.A. (M54.16)
- M51.2: Sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung
- Lumbago durch Bandscheibenverlagerung
- M51.3: Sonstige näher bezeichnete Bandscheibendegeneration
- M51.4: Schmorl-Knötchen
- M51.8: Sonstige näher bezeichnete Bandscheibenschäden
- M51.9: Bandscheibenschaden, nicht näher bezeichnet
M96.-: Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert
- M96.1: Postlaminektomie-Syndrom, andernorts nicht klassifiziert
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.