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Essstörungen

Letzte Aktualisierung: 21.4.2023

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Die Anorexia nervosa (AN) gehört u.a. zusammen mit der Bulimia nervosa (BN) und der Binge-Eating-Störung (BES) zu den Essstörungen. Gemeinsame Merkmale dieser Erkrankungen sind ein gestörtes Essverhalten sowie eine übermäßige (gedankliche) Beschäftigung mit dem Thema Essen. Grundsätzlich können Essstörungen jederzeit einem Syndromwandel unterliegen und ineinander übergehen. Während bei der Anorexia nervosa meist das Untergewicht dominiert, stehen bei der Bulimia nervosa regelmäßig auftretende Essattacken und gegenregulierende Maßnahmen (bspw. Erbrechen) im Vordergrund. Die Binge-Eating-Störung ist ebenfalls durch regelmäßig auftretende Essattacken (ohne gegenregulierende Maßnahmen) und konsekutives Übergewicht geprägt.

Komplikationen (bspw. Elektrolytentgleisungen) können u.a. durch wiederholtes Erbrechen und/oder Abführmittelmissbrauch entstehen. Bei restriktivem Essverhalten kann sich ein sog. Starvationssyndrom mit u.a. Bradykardie und Amenorrhö (bei Frauen) entwickeln. Wichtige Therapiebausteine sind Psychoedukation, Psychotherapie und der Abbau von Therapieambivalenz. Insb. bei der Anorexia nervosa spielen auch das Ernährungsmanagement und die Gewichtsrehabilitation eine wichtige Rolle.

Einteilung [1]

Übersicht der Hauptstörungen

Gegenüberstellung von Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung [2]
Anorexia nervosa (AN) Bulimia nervosa (BN) Binge-Eating-Störung (BES)
Allgemeine Merkmale (Auswahl) [3]
  • Übermäßige (gedankliche) Beschäftigung mit Essen
  • Gestörtes Essverhalten (als Folge einer Störung von Emotionswahrnehmung und -ausdruck) [4]
Spezifische Merkmale (Auswahl) [3]
Körpergewicht [1]
  • I.d.R. untergewichtig
  • I.d.R. normalgewichtig

Ein Unterscheidungsmerkmal zwischen der AN vom bulimischen Typus und der BN ist das Untergewicht bzw. der Gewichtsverlust bei AN! [1]

Epidemiologie der Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung[2]
Anorexia nervosa (AN) Bulimia nervosa (BN) Binge-Eating-Störung (BES)
Geschlechterverteilung
Lebenszeitprävalenz
  • : 0,3–2,6%
  • : 0,1–0,3%
  • : 0,9–2,6%
  • : 0,1–0,5%
  • : 1,9–3,5%
  • : 0,3–2,1%
Erkrankungsbeginn
  • Meist um die Pubertät herum (aber auch früher möglich)
  • Meist in der Adoleszenz (tendenziell später als bei der AN)
  • Meist in der Adoleszenz bzw. im Erwachsenenalter (ca. 25 Jahre)

Die Binge-Eating-Störung ist die häufigste Essstörung!

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Die Ursache der Essstörungen ist am ehesten multifaktoriell bedingt und insb. durch biologische sowie psychosoziale Einflüsse zu erklären. Dabei wird von einem komplexen Vulnerabilitäts-Stress-Modell ausgegangen. [2][3]

  • Genetik: Familiäre Häufung (v.a. bei Anorexia nervosa )
  • Neurophysiologie, u.a. Veränderung von
  • Psychosoziale Risikofaktoren, bspw.
    • Persönlichkeitsstruktur mit hohem Leistungsanspruch und niedrigem Selbstwert [6]
    • Belastende Lebensereignisse, bspw. (körperlicher, emotionaler) Missbrauch
    • Starke Reifungskonflikte in Kindheit/Jugend [4][6]
    • „Westliches Schlankheitsideal“ [1]

Bei allen Essstörungen liegt ein gestörtes Verhältnis zum Thema „Essen“ vor, dem i.d.R. eine Störung von Emotionswahrnehmung und -ausdruck zugrunde liegt. [3][4]

Typische Merkmale der Anorexia nervosa [2][3][7]

  • Körperschemastörung, häufig mit
    • Angst vor Gewichtszunahme (Gewichtsphobie) [4]
    • Tragen kaschierender Kleidung
  • Untergewicht (durch fehlende Gewichtszunahme bei Kindern oder Gewichtsverlust )
    • Altersunabhängig: Körpergewicht mind. 15% unterhalb des zu erwartenden Gewichts [8]
    • Bei Erwachsenen: BMI ≤17,5 kg/m2
  • Verhaltensweisen, die zu Gewichtsabnahme führen
    • Restriktiver Typus: Vermeiden von (hochkalorischer) Nahrungsaufnahme
    • Bulimischer Typus: Aktive Maßnahmen zur Gewichtsreduktion, bspw. [1]
  • Siehe auch: Diagnostische Kriterien der Anorexia nervosa nach ICD-10

Atypische Verläufe einer Anorexia nervosa (F50.1), bei denen typische Symptome (bspw. Untergewicht) fehlen, treten zunehmend auf!

Mögliche somatische Folgen [2][3]

Typische Merkmale der Bulimia nervosa [1][3][4][7]

  • Wiederholte Essanfälle: Konsum außergewöhnlich großer Nahrungsmengen innerhalb kurzer Zeit
    • Mind. 2×/Woche über 3 Monate [2]
    • Mit Kontrollverlusterleben
    • Insb. Konsum (hochkalorischer) Nahrungsmittel, die sonst eher gemieden werden
    • Häufige Auslöser
      • Unangenehme Gefühle
      • Vorangegangener Verzicht auf (bestimmte) Nahrungsmittel
      • (Heiß‑)Hunger
    • Auch möglich als subjektiv erlebte Essanfälle (oft bei Kindern und Jugendlichen)
      • Konsumierte Nahrungsmenge ist nicht außergewöhnlich groß
      • Mit Kontrollverlusterleben
  • Einsatz kompensatorischer Maßnahmen, bspw.
  • Körperschemastörung
  • Suchtartiges Verlangen zu Essen

Typische Merkmale der Binge-Eating-Störung [1][3][4]

  • Wiederholte Essanfälle: Konsum außergewöhnlich großer Nahrungsmengen innerhalb kurzer Zeit
    • Mind. 1×/Woche über 3 Monate
    • Einhergehen mit
      • Kontrollverlusterleben
      • Erheblichem Leidensdruck, Ekel- und/oder Schuldgefühlen
    • Auslöser: I.d.R. unangenehme Gefühle
    • Auch möglich als subjektiv erlebte Essanfälle (oft bei Kindern und Jugendlichen)
      • Konsumierte Nahrungsmenge ist nicht außergewöhnlich groß
      • Mit Kontrollverlusterleben
  • Ohne (regelmäßige) kompensatorische Maßnahmen: Folglich häufige Komorbidität mit Übergewicht und Adipositas

Screening [1]

  • Empfohlen
    • Im Rahmen der J1 (Kindervorsorgeuntersuchung)
    • Insb. bei Patient:innen mit
      • Wachstumsverzögerung (im Kindes- und Jugendalter)
      • Niedrigem oder hohem Körpergewicht
      • Starker Gewichtszunahme/-abnahme
      • Amenorrhö, Infertilität
      • Sorgen bzgl. des eigenen Körpergewichts (bei Normalgewicht)
      • Ätiologisch unklaren gastrointestinalen Beschwerden
      • (Beruflicher) Tätigkeit im Bereich: Unterhaltung, Mode, Ernährung, Leistungssport [9]
      • Zahnschäden [1]

Exploration [1][3]

Somatische Diagnostik [1][3]

Die somatische Diagnostik dient sowohl der Erfassung somatischer Komplikationen/Komorbiditäten als auch der Differenzialdiagnostik.

Labordiagnostik

Testpsychologische Verfahren (Auswahl) [1][3]

Die nachfolgend gelisteten Fragebögen sind (mit Ausnahme des EDI-2) frei verfügbar und unter Tipps & Links zu finden.

  • Eating Disorder Inventory-2 (EDI-2)
    • Standardverfahren (international)
    • Selbst-Rating mit 11 Skalen
    • Für Jugendliche und Erwachsene
    • Zeitaufwand: I.d.R. 20–25 min
  • Eating Disorder Examination (EDE)
    • Strukturiertes Experteninterview
    • Für Jugendliche und Erwachsene
    • Zeitaufwand: I.d.R. 45–60 min
  • Eating Disorder Examination-Questionnaire (EDE-Q)
    • Selbst-Rating (auch für Screening geeignet)
    • Für Jugendliche und Erwachsene
    • Zeitaufwand: I.d.R. <15 min
  • Eating Disorder Examination für Kinder (ChEDE)
    • Strukturiertes Experteninterview
    • Für Kinder im Alter von 8–14 Jahren
    • Zeitaufwand: I.d.R. 45 min

Anorexia nervosa

In der ICD-10

Diagnostische Kriterien der Anorexia nervosa nach ICD-10 [7]
A
  • Körpergewicht mind. 15% unter dem normalen oder erwarteten Gewicht (entsprechend Alter, Körpergröße) aufgrund von
    • Gewichtsverlust oder
    • Fehlender Gewichtszunahme (bei Kindern)
B
  • Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt (durch Vermeidung „fettmachender“ Nahrung)
C
  • Selbstwahrnehmung als „zu fett“
  • Furcht, zu dick zu werden
  • Selbst festgelegte, sehr niedrige Gewichtsschwelle
D
E
  • Ausschluss: Kriterium A und B der diagnostischen Kriterien der Bulimia nervosa nach ICD-10 liegen nicht vor
Differenzierungen
  • F50.00 Anorexie ohne aktive Maßnahmen zur Gewichtsabnahme (bspw. Abführen)
  • F50.01 Anorexie mit aktiven Maßnahmen zur Gewichtsabnahme (bspw. Abführen)
  • F50.1 Atypische Anorexia nervosa: Nicht alle, aber einige der Kriterien der Anorexia nervosa sind erfüllt

In der ICD-11 [2]

  • Wesentliche Änderungen
    • Gewichtskriterium
      • BMI <18,5 kg/m2 oder ≤5. BMI-Perzentile (im Kindes- und Jugendalter) [1]
      • Alternativ: Gewichtsverlust von >20% (des Ausgangsgewichts) innerhalb von 6 Monaten
    • Amenorrhö entfällt als diagnostisches Kriterium

Bulimia nervosa

In der ICD-10

Diagnostische Kriterien der Bulimia nervosa nach ICD-10 [7]
A
  • Episoden von Essattacken: Konsum großer Nahrungsmengen in sehr kurzer Zeit
  • Mind. 2×/Woche über 3 Monate
B
  • Andauernde Beschäftigung mit dem Essen, eine unwiderstehliche Gier oder Zwang zu essen (Craving)
C
  • Versuch, der Gewichtszunahme mit mind. 1 der folgenden Verhaltensweisen entgegenzusteuern
D
  • Selbstwahrnehmung als „zu fett“
  • Furcht, zu dick zu werden
Differenzierungen
  • F50.3 Atypische Bulimia nervosa: Nicht alle, aber einige der Kriterien der Bulimia nervosa sind erfüllt

In der ICD-11 [2]

  • Wesentliche Änderungen
    • Erforderliche Frequenz der Essanfälle gesunken: Mind. 1×/Woche (innerhalb von 3 Monaten)
    • Genauere Definition eines Essanfalls: Erhebliche Nahrungsaufnahme innerhalb kurzer Zeit
      • Im Vergleich zur Nahrungsmenge, die Gesunde unter ähnlichen Umständen konsumieren
      • Mit Kontrollverlusterleben bzgl. des eigenen Essverhaltens

Binge-Eating-Störung [2]

Die Binge-Eating-Störung ist im DSM-5 und in der ICD-11 als eigenständige Diagnose gelistet. In der ICD-10 fällt die Störung unter F50.9 (Essstörung, nicht näher bezeichnet).

Psychische Komorbiditäten [2]

Essstörungen treten häufig zusammen mit psychischen Komorbiditäten auf, insb.:

Somatische Komorbiditäten [1][2][3][10]

Essstörungen scheinen mit Autoimmunerkrankungen (insb. Zöliakie, CED, Diabetes mellitus ) assoziiert zu sein. Der Zusammenhang gilt für beide Richtungen .

Wichtig ist insb. auch die Abgrenzung der Essstörungen untereinander. Siehe hierzu: Gegenüberstellung von Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung.

Differenzialdiagnosen bei Essstörungen [1][3]
Klinisches Bild Differenzialdiagnosen

Untergewicht

Übergewicht
Erbrechen
Essanfälle

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Allgemeines [2]

  • Definition: Außergewöhnlich starres und gesundheitsbewusstes Ernährungsverhalten
    • Nicht mit dem primären Ziel der Gewichtsreduktion
    • Keine eigenständige Diagnose (auch nicht in der ICD-11)
  • Prävalenz
    • In der Allgemeinbevölkerung: Ca. 1–6,9% (insg. unzuverlässige Daten)
    • Deutlich erhöht in Assoziation mit Essstörungen: Orthorexie als
      • Risikofaktor für die Entwicklung einer Essstörung
      • „Restzustand“ bzw. „Kompromiss“ bei ausgeprägter Essstörung

Klinisches Bild und Diagnostik [2]

  • Typische Merkmale, u.a.
    • Starre Kategorisierung in „gesunde“ und „ungesunde“ Nahrungsmittel
      • Zwanghafte und alltagsdominierende Beschäftigung damit
      • Ausgeprägte Sorge, infolge „ungesunder“ Ernährung zu erkranken
    • Festlegung strikter Ernährungsregeln
      • Selbstbestrafung bei Verstößen
      • Gefühl der Kontrolle und Sicherheit bei Einhaltung
    • Psychosoziale Einbußen aufgrund erheblicher „Fixierung“ auf Ernährungsverhalten
  • (Differenzial‑)Diagnostik

Therapie [2]

Es liegen keine gesonderten Leitlinienempfehlungen vor, weshalb die Behandlungsempfehlungen ähnlicher Erkrankungen (insb. Essstörungen, Zwangsstörung) als Orientierung dienen.

Allgemeine Therapieempfehlungen bei Essstörungen [1][2]

Für störungsspezifische Informationen siehe: Anorexia nervosa - Therapie, Bulimia nervosa - Therapie, Binge-Eating-Störung - Therapie

  • Grundlegendes
    • Tragfähige therapeutische Beziehung aufbauen
    • Frühzeitig behandeln und dadurch Chronifizierung verhindern
    • Guten Informationsfluss zwischen den Behandelnden herstellen
    • Therapieambivalenz berücksichtigen: Behandlungsmotivation immer wieder prüfen und fördern [6]
  • Gesamtbehandlungsplan erstellen
    • Komorbiditäten sowie somatische Aspekte berücksichtigen und ggf. ergänzend behandeln
    • Störungsspezifische Behandlung wählen
    • Klare Therapievereinbarungen treffen [4]
    • Kleinschrittig vorgehen [4]
    • Potenzielle Versorgungslücken beachten und schließen (bspw. poststationär )
    • Im Anschluss an ambulante Psychotherapie: Regelmäßige Kontrolltermine vereinbaren

Aufgrund der häufig bestehenden Therapieambivalenz sollte die Behandlungsmotivation immer wieder geprüft und gefördert werden!

Zentrale Therapieinhalte bei Essstörungen [1][4]

Allgemein [1]

Therapeutische Aufgabe [4]

  • Vertrauensvolle und transparente Interaktion schaffen
  • „Funktion“ der Essstörung und assoziierte Ängste verstehen, insb.
    • Vermeidung
    • Selbstwertstabilisierung [6]
  • Veränderungsmotivation fördern
  • Autonomie- und Kontrollbestreben der Betroffenen berücksichtigen (kein Machtkampf!)

Es soll kein Machtkampf zwischen Patient:innen und Behandelnden entstehen!

Setting [1][1][2][4]

Da die Anorexia nervosa oft einen langen Behandlungsprozess erfordert, können – je nach Krankheitsphase – ambulante oder (teil‑)stationäre Therapiesettings sinnvoll sein. Im Folgenden sind Anhaltspunkte aufgeführt, die für das jeweilige Behandlungssetting sprechen. [1]

Ambulantes Setting

  • Moderates Untergewicht (BMI: 16–17,5 kg/m2)
  • Gute Therapiemotivation
  • Im Anschluss an eine stationäre Behandlung

Teilstationäres Setting

  • Unzureichende Besserung im ambulanten Setting
  • Im Anschluss an eine stationäre Behandlung („Step-down-Ansatz“)
  • Bei bereits mehrfachen stationären Aufenthalten in der Vergangenheit

Stationäres Setting

  • Klar messbare Kriterien
    • Rascher/Anhaltender Gewichtsverlust (>20% innerhalb von 6 Monaten)
    • Starkes Untergewicht: BMI <15 kg/m2 oder <3. BMI-Perzentile (im Kindes- und Jugendalter)
    • Vitale Gefährdung, gekennzeichnet durch bspw. [1]
  • Weitere Kriterien
    • Fehlende Besserung im ambulanten/teilstationären Setting (in 3 Monaten )
    • Starke bulimische Symptomatik (bspw. Laxanzienabusus)
    • Unzureichende Ressourcen bzw. störende Faktoren im ambulanten Setting (bspw. familiäre Struktur/Interaktion)
    • Mangelnde Krankheitseinsicht
    • Suizidalität, relevante psychiatrische Komorbidität
    • Notwendigkeit einer multiprofessionellen Behandlung (typischerweise im stationären Setting verfügbar [11])
    • Notwendigkeit von Unterbringung, Zwangsmaßnahmen

Therapiebausteine

Ernährungsmanagement und Gewichtsrehabilitation [1][2]

Therapieziele

  • Normalisierung des Essverhaltens, bspw. durch
    • Begleitetes Essen (u.a. im Restaurant) [1]
    • Kochgruppen
  • Normalisierung des Körpergewichts
    • Gewichtszunahme/Woche (durchschnittlich)
      • Ambulant: 200–500 g
      • Stationär: 500–1.000 g
    • Zielgewicht: Individuell besprechen
      • Etwa: BMI ≥18,5 kg/m2 oder ≥25. BMI-Perzentile (im Kindes- und Jugendalter)
      • Orientiert am prämorbiden Gewicht

Das Zielgewicht sollte sich am prämorbiden Gewicht orientieren und individuell festgelegt werden!

Vorgehen

Psychotherapie [1][2][3]

Medikamentöse Therapie [1][2]

  • Allgemein
    • Nicht routinemäßig empfohlen
    • Nicht als Mittel für Gewichtszunahme nutzen
    • Nur als Off-Label Use
  • Atypische Antipsychotika
    • Ggf. erwägen bei
      • Massiv eingeschränktem Denken bzgl. Gewicht und Essen
      • Nicht anders kontrollierbarer Hyperaktivität
    • Auswahl einer
    • Behandlungsdauer: Nur während bestehender Symptomatik, nicht als Dauertherapie

Allgemein [1][2][3]

Die allgemeinen Therapieempfehlungen bei Essstörungen sollten beachtet werden.

  • Setting: Vorzugsweise ambulant
  • Therapie der Wahl: Psychotherapie
  • Therapiefrequenz und -dauer
    • Frequenz: Mind. 1 Sitzung/Woche
      • 1. Monat: 2 Sitzungen/Woche erwägen
    • Gesamtdauer: Mind. 25 Sitzungen

Therapiebausteine

Psychotherapie [1][2][3]

Medikamentöse Therapie [1][2]

  • SSRI: Fluoxetin (einziges zugelassenes Medikament in Deutschland)
    • Einsatz
    • Häufig schneller Wirkeintritt (nach 7 Tagen)
    • Hohe Zieldosis: 60 mg/d
    • Behandlungsversuch: Mind. 4 Wochen
  • Andere SSRI: Off-Label Use

Allgemein [1][2][3]

Die allgemeinen Therapieempfehlungen bei Essstörungen sollten beachtet werden.

Therapiebausteine

Psychotherapie [1][2][3]

Ggf. Behandlung von Adipositas [3][4]

Medikamentöse Therapie [2][3]

Syndromwandel [1][2]

Komplikationen bei wiederholtem Erbrechen und Diuretika- bzw. Laxanzienabusus [2][3]

Komplikationen bei Mangelernährung bzw. Untergewicht

Starvationssyndrom

Starvationssyndrom durch Mangelernährung [2][3]
Organsystem Symptome

Herz und Kreislauf

Körpertemperatur

Blut

Magen-Darm-Trakt

Knochen

ZNS

  • (Pseudo‑)Hirnatrophie ggf. mit Liquorraumerweiterung

Haut und Haare

Endokrinologie

Knochendichteminderung bei Untergewicht [1]

  • Auftreten und Umfang
    • Bereits innerhalb des ersten Erkrankungsjahres
    • Verlust an Knochendichte pro Jahr: Ca. 1% [2]
  • Empfehlungen
    • Kontrolle der Knochendichte bei
      • Anhaltender Erkrankung (>2 Jahre)
      • Knochenschmerzen und/oder -frakturen (spontan)
    • Osteoporoseprophylaxe bei Mädchen und Frauen mit Anorexia nervosa [2]
    • Bei festgestellter Knochendichteminderung
      • Wichtigste Maßnahme: Gewichtsrehabilitation
      • Vermeidung von Aktivitäten mit hoher Sturzgefahr/Gewichtsbelastung

Refeeding-Syndrom [1][2][12]

  • Definition: Potenziell tödliche metabolische Entgleisung mit
    • Massiver Insulinfreisetzung durch rasche Erhöhung der Energiezufuhr bei vorangegangener Mangelernährung [3]
    • Elektrolytverschiebungen, insb. Hypophosphatämie
  • Auftreten: Nach jeglicher Form der Mangelernährung möglich (nicht nur bei Essstörungen) [13]
    • Erhöhtes Risiko insb. bei
      • Starkem Untergewicht (BMI <16 kg/m2)
      • Raschem Gewichtsverlust (>15% in den vergangenen 3–6 Monaten)
      • Vollständiger Nahrungskarenz (>10 Tage)
      • Vorbestehendem Elektrolytmangel: Phosphat, Kalium, Magnesium
    • Bei Anorexia nervosa: Deutlich seltener als zuvor angenommen
  • Mögliche Folgen: Bspw. epileptische Anfälle, Delir, Rhabdomyolyse, Herzrhythmusstörung
  • Empfehlungen zur Prophylaxe und Behandlung: Engmaschiges klinisches Monitoring

Komplikationen bzgl. Fertilität und Schwangerschaft [1]

Komplikationen bei Komorbidität mit Diabetes mellitus Typ 1 [2]

Eine komorbide Essstörung wirkt sich oft prognostisch schlecht auf den Verlauf des Diabetes mellitus Typ 1 aus.

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Prognose/Verlauf von Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung [2]
Anorexia nervosa (AN) Bulimia nervosa (BN) Binge-Eating-Störung (BES)
Verlauf
  • Häufig (sub‑)chronisch [3]
  • Oft lebenslange (Rest‑)Symptomatik
  • Meist günstiger als bei AN [4]
  • Meist günstiger als bei AN und BN [1]
Mortalitätsrisiko [4]
  • Ca. 5- bis 6-fach erhöht
  • Ca. 1,5-fach erhöht [1]
  • Ca. 2,4-fach erhöht
Negative Prädiktoren (Auswahl)
  • Erkrankungsbeginn im Kindesalter [6]
  • Behandlungsbeginn im höheren Lebensalter [4]
  • Starker Gewichtsverlust
  • Lange Krankheitsphase
  • Bulimischer Typus

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Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

  1. Voderholzer: Therapie psychischer Erkrankungen - State of the art. Urban & Fischer 2022, ISBN: 978-3-437-24915-0 .
  2. Sonnenmoser: Essstörungen bei Männern: Nicht nur eine „Frauenkrankheit“ In: Deutsches Ärzteblatt. 2017, p. 586.
  3. Schneider: Facharztwissen Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Springer 2017, ISBN: 978-3-662-50344-7 .
  4. Essstörungen. Stand: 31. Mai 2016. Abgerufen am: 16. Februar 2023.
  5. Mathias Berger: Psychische Erkrankungen. 6. Auflage Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2018, ISBN: 978-3-437-22485-0 .
  6. S3-Leitlinie Diagnostik und Behandlung der Essstörungen. Stand: 31. Mai 2018. Abgerufen am: 22. Dezember 2022.
  7. Markser, Bär: Seelische Gesundheit im Leistungssport. Schattauer 2019, ISBN: 978-3-608-43206-0 .
  8. WHO - World Health Organization: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. 9. Auflage Hogrefe 2019, ISBN: 978-3-456-85992-7 .
  9. Zauner et al.: Das Refeeding-Syndrom In: Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen. Band: 18, Nummer: 2, 2020, doi: 10.1007/s41971-020-00069-3 . | Open in Read by QxMD p. 30-38.
  10. Nguyen et al.: Refeeding-Syndrom In: Zeitschrift für Rheumatologie. Band: 80, Nummer: 3, 2020, doi: 10.1007/s00393-020-00952-7 . | Open in Read by QxMD p. 263-269.
  11. Anorexia nervosa bei Kindern und Jugendlichen. Stand: 9. April 2019. Abgerufen am: 8. März 2023.
  12. Hedman et al.: Bidirectional relationship between eating disorders and autoimmune diseases In: Journal of Child Psychology and Psychiatry. Band: 60, Nummer: 7, 2018, doi: 10.1111/jcpp.12958 . | Open in Read by QxMD p. 803-812.
  13. Herpertz-Dahlmann: Intensive Treatments in Adolescent Anorexia Nervosa In: Nutrients. Band: 13, Nummer: 4, 2021, doi: 10.3390/nu13041265 . | Open in Read by QxMD p. 1265.