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Anämie

Letzte Aktualisierung: 28.8.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die Anämie ("Blutarmut") ist ein häufiger Befund in der Medizin. Klinisch können sich Blässe und Abgeschlagenheit zeigen, insbesondere bei Belastung aufgrund einer verminderten Sauerstoffversorgung. Bei einem langsamen, chronischen Geschehen führen allerdings Adaptationsvorgänge dazu, dass die Betroffenen trotz zum Teil deutlich erniedrigter Hämoglobin- und/oder Erythrozytenwerte lange keine Beschwerden empfinden und die Diagnose häufig als Zufallsbefund im Rahmen einer Routineblutuntersuchung gestellt wird. Der weitaus häufigste Grund für die Entstehung einer Anämie ist ein Eisenmangel, der wiederum viele Ursachen haben kann wie beispielsweise chronische Blutverluste, Malnutrition oder -assimilation.

Differentialdiagnostisch ist die Einteilung in mikro-, normo- und makrozytäre Anämien der hilfreichste erste Schritt, da die möglichen Ursachen einer Anämie diesbezüglich zu charakteristischen Veränderungen führen. Liegt beispielsweise ein Eisenmangel vor, kann nicht genügend Hämoglobin gebildet werden und es zeigen sich "zu kleine" Erythrozyten ("mikrozytär"). Liegt dagegen ein Folsäure- oder Vitamin B12-Mangel vor, können nicht genügend Zellen gebildet werden, sodass eine Überladung der Erythrozyten erfolgt und diese ein größeres Volumen aufweisen ("makrozytär").

Die Abklärung einer chronischen Anämie stellt keinen Notfall dar, gefährlich ist dagegen eine akute Blutung. Hier darf man sich in keinem Fall auf Laborwerte verlassen, da sich erst verzögert ein Abfall der Blutwerte zeigt (durch kompensatorische Flüssigkeitsretention, die zur Verdünnung führt). Aussagekräftig sind hingegen die Vitalparameter (Blutdruck und Herzfrequenz), die engmaschig zu überwachen sind. Eine zügige und adäquate Einleitung weiterer diagnostischer und therapeutischer Schritte muss erfolgen.

Definitiontoggle arrow icon

Eine Anämie besteht bei Verminderung des Hämoglobinwertes, der Erythrozytenzahl und/oder des Hämatokrits

Normwerte für Erwachsene (nach der Referenzliste des IMPP)

Hämoglobin 136-172 g/L 120-150 g/L
Erythrozytenzahl 4,3-5,9/pL 3,5-5,0/pL
Hämatokrit 0,39-0,49 0,33-0,43
cHb 2,11-2,67 mmol/L 1,86-2,33 mmol/L
cHb(Fe) 8,44-10,68 mmol/L 7,45-9,31 mmol/L

Ätiologietoggle arrow icon

Verlust

Verminderte Bildung

Verminderte Hämoglobinsynthese

Auch bei bekannter chronischer Erkrankung können zusätzlich ein "echter" Eisenmangel oder andere Anämieursachen vorliegen!

Verminderte Zellbildung

Pathophysiologietoggle arrow icon

  • Pathophysiologische Überlegungen helfen bei der Ursachenfindung einer Anämie weiter
    1. Kann nicht genügend Hämoglobin hergestellt werden , werden die ausreichend vorhandenen Erythrozyten weniger beladen → mikrozytär, hypochrom
    2. Können nicht genügend Zellen gebildet werden , werden die wenigen Erythrozyten stärker beladen → makrozytär, hyperchrom
    3. Liegen zwar ausreichend Substrate zur Bildung von Hämoglobin und Zellen vor, aber die Synthese wird nicht initiiert oder durchgeführt , zeigen sich meist zu wenig "normale" Erythrozytennormozytär, normochrom
    4. Liegt dagegen eine Blutung vor, kann der Verlauf der Laborparameter in drei Stadien unterteilt werden
      • Bei hochakutem Blutverlust sind Hb-, Hämatokrit- und Erythrozytenwerte normal, da die Konzentration im "verbleibenden" Blut zunächst gleich bleibt - eine Anämie kann laborchemisch noch nicht festgestellt werden
      • Durch Einstrom von Gewebsflüssigkeit entwickelt sich anschließend auch laborchemisch eine Anämie (Verdünnung ohne Veränderung der Erythrozytenzusammensetzung) → normozytär, normochrom
      • Im Verlauf (bei chronischer Blutung) kommt es meist zu einem relevanten Eisenverlust, sodass nicht genügend Hämoglobin hergestellt werden kann (siehe Punkt 1.) → mikrozytär, hypochrom

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

Aplastische Anämie

Eine Knochenmarkinsuffizienz infolge ionisierender Strahlung oder obligat myelotoxischer Substanzen stellt definitionsgemäß keine Aplastische Anämie dar!

Für detailliertere Informationen zum Thema, siehe: Aplastische Anämie.

Diagnostiktoggle arrow icon

Einstieg in die Diagnostik über den Hämoglobinwert zum Nachweis der Anämie. Wichtigste Folgewerte sind anschließend MCV (Normwert: 81-100fL) und/oder MCH (Normwert: 27-34pg).

Anämie MCV, MCH Mögliche Erkrankungen Weitere Befunde Anmerkung
Mikrozytär, hypochrom Erniedrigt
  • Bekannte Tumorerkrankung, entzündliche Erkrankung?
  • Wichtige Differentialdiagnose der Eisenmangelanämie, aber häufiger normozytär
  • Herkunft? (Mittelmeerraum)
  • Diagnosesicherung durch Hb-Elektrophorese
    • Nachweis von vermehrten γ- und δ-Globinketten
Normozytär, normochrom normal
  • Akute Blutung
  • Klinische Hinweise (Blutabgänge, Teerstuhl, Trauma, postoperativ)
  • Evtl. mit stärkerer klinischer Symptomatik, da keine Adaptation (im Gegensatz zu chronischen Anämieformen)
  • Ggf. weitere Zellreihen↓
Makrozytär, hyperchrom Erhöht
  • Ggf. weitere Zellreihen↓
  • Ggf. weitere Zellreihen↓

Therapietoggle arrow icon

Studientelegramme zum Thematoggle arrow icon

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SOP (Standard Operating Procedure)toggle arrow icon

In den Ergänzungen dieser Sektion können individuelle SOPs eingefügt werden. Diese Sektion ist über die AMBOSS-Suchfunktion mittels dem Begriff „SOP Anämie“ unmittelbar auffind- und ansteuerbar.

Patienteninformationentoggle arrow icon

Meditrickstoggle arrow icon

In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.

Anämien-Grundlagen: Pathologie und Diagnostik

Eisenmangelanämie

Megaloblastäre Anämie

Hämolytische Anämie

Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)

Sphärozytose

Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

Alimentäre Anämien

Hämolytische Anämien (siehe auch Kapitel: Hämolytische Anämie)

Aplastische und sonstige Anämien (siehe auch Kapitel: Aplastische Anämie)

P61.- Sonstige hämatologische Krankheiten in der Perinatalperiode

  • P61.2: Anämie bei Prämaturität
  • P61.3: Angeborene Anämie durch fetalen Blutverlust
  • P61.4: Sonstige angeborene Anämien, anderenorts nicht klassifiziert
    • Angeborene Anämie o.n.A.

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Marsh et al.:Guidelines for the diagnosis and management of aplastic anaemiaIn: British Journal of Haematology. Band: 147, Nummer: 1, 2009, doi: 10.1111/j.1365-2141.2009.07842.x . | Open in Read by QxMD p. 43-70.
  2. Brummendorf et al.:Telomere length in leukocyte subpopulations of patients with aplastic anemiaIn: Blood. Band: 97, Nummer: 4, 2001, p. 895-900.
  3. Leitlinie Aplastische Anämie – Diagnostik und Therapie der erworbenen Aplastischen Anämie.Stand: 1. Mai 2012. Abgerufen am: 11. September 2017.
  4. Siegenthaler, Blum: Klinische Pathophysiologie. 9. Auflage Thieme 2013, ISBN: 978-3-131-76089-0.
  5. Ruutu et al.:Prophylaxis and treatment of GVHD: EBMT–ELN working group recommendations for a standardized practiceIn: Nature. 2013, doi: 10.1038/bmt.2013.107 . | Open in Read by QxMD.
  6. Aplastische Anämie.Stand: 1. August 2018. Abgerufen am: 15. August 2018.

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