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Anästhesie in der Thoraxchirurgie

Letzte Aktualisierung: 9.10.2023

Abstracttoggle arrow icon

Im thoraxchirurgischen Patientenkollektiv finden sich häufig Personen mit fortgeschrittenen bzw. symptomatischen kardiopulmonalen Vorerkrankungen. Für eine optimale anästhesiologische Betreuung ist – neben der Kenntnis der anatomischen und physiologischen Grundlagen von Lunge, Herz und zentraler Kreislaufregulation – eine gezielte präoperative Vorbereitung mit Befunderhebung und Diagnostik notwendig. Diese umfasst neben der Beurteilung des aktuellen Allgemeinzustandes auch die Optimierung der Ausgangsbedingungen bzw. die Reduktion des perioperativen Risikos. Ein interdisziplinärer Austausch zu Einschätzung des perioperativen Risikos und Operabilität ist dabei wünschenswert.

Aus anästhesiologischer Sicht stellt die Intubation mit Doppellumentubus zur Lungenseparation mit Einlungenventilation (ELV) eine technische Besonderheit in der Thoraxchirurgie dar. Die genaue Kenntnis der physiologischen Zusammenhänge, insb. der Effekte der ELV auf die hypoxische pulmonale Vasokonstriktion und die Herzfunktion, ist entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden bzw. schnell zu beherrschen.

Anatomische und physiologische Grundlagentoggle arrow icon

Anatomische Grundlagen

Der linke Lungenflügel besteht aus zwei Lappen und neun Segmenten, der rechte Lungenflügel aus drei Lappen und zehn Segmenten!

Der Mittellappen des rechten Lungenflügels liegt keilförmig zwischen Ober- und Unterlappen an der vorderen Thoraxwand und kann nur von ventral auskultiert werden!

Physiologische Grundlagen

Atemmechanik

Pulmonaler Gasaustausch

Grundvoraussetzungen für den Gasaustausch sind die Ventilation der Lunge, die Diffusion der Gase über die Alveolarmembran und die Perfusion der Lunge!

Ventilation der Lunge

Perfusion der Lunge [1]

Hypoxische pulmonale Vasokonstriktion [2][3][4]

Hämodynamische Zusammenhänge [2][5]

Typische Eingriffetoggle arrow icon

Mediastinoskopie [1]

Videoassistierte Thorakoskopie (VATS) [1]

Lobektomie, Pneumektomie [1][5]

Operative Versorgung bei Thoraxtrauma bzw. Lungenblutung [1]

Präoperative Anamnese und Diagnostiktoggle arrow icon

Patientenkollektiv [6]

Anamnese und körperliche Untersuchung [6]

Diagnostik [2][6]

Obligate Diagnostik

Erweiterte Diagnostik

Perioperatives Risiko und Operabilität [6]

Die von den Fachgesellschaften empfohlenen Grenzwerte sind orientierend – letztlich ist es jedoch eine interdisziplinäre Einzelfallentscheidung, ob und in welchem Ausmaß ein Eingriff durchgeführt wird! [2]

Präoperative Optimierung [1][6]

Besonderheiten bei der Aufklärung

Anästhesiologische Besonderheitentoggle arrow icon

Anästhesieverfahren

Besonderheiten bei Allgemeinanästhesie [1]

Regionalanästhesie in der Thoraxchirurgie [1][5]

Atemwegssicherung und Beatmung

Einlungenventilation [1][6]

Techniken der Lungenseparation [10]

Vor- und Nachteile der Techniken zur Einlungenventilation [2][11]
Vorteile Nachteile
Doppellumentubus (allgemein)
  • Getrennter Zugang zu beiden Lungenflügeln
  • Absaugen, O2-Gabe, PEEP/CPAP getrennt möglich
  • Leichteres Kollabieren des nicht-beatmeten Lungenflügels
  • Schwierigere Anlage als Bronchusblocker
  • Umintubation bei postoperativer Nachbeatmung nötig
  • Nicht geeignet für Kinder <6 Jahren oder sehr kleine Erwachsene
Linksläufiger DLT
  • Leichtere Positionierung und geringeres Dislokationsrisiko als rechtsläufiger DLT
  • Klinische Lagekontrolle (Auskultation) möglich
Rechtsläufiger DLT
  • Schwierigere Positionierung als linksläufiger DLT
Bronchusblocker
  • Leichter zu platzieren als DLT
  • Keine Umintubation für Blockade anderer Seite oder postoperative Nachbeatmung nötig
  • Einzige Möglichkeit der Lungenseparation bei Kindern <6 Jahren
  • Dislokationsrisiko höher als bei DLT
  • Zur Beatmung nutzbares Tubuslumen↓
  • Kein gezieltes Absaugen möglich
  • Lungenflügel entlüftet verzögert

Effekte der Einlungenventilation [5]

Lagerung [1][5]

Monitoring [1][5]

Intubation mit Doppellumentubustoggle arrow icon

Auswahl des geeigneten Tubus [6]

  • Größe des Doppellumentubus
    • Einschätzung nach Alter, Geschlecht und Körpergröße
    • Prinzipiell größtmöglicher, noch problemlos einzuführender Tubus, da vorteilhaft zur
      • Minimierung des Atemwegswiderstands
      • Minimierung des Risikos für eine traumatische Verletzung des Bronchus
      • Zuverlässigen Platzierung des Tubus
      • Optimalen Füllung des endobronchialen Cuffs
    • Bei spürbarem Widerstand während der Intubation: Nächstkleinere Größe wählen
  • Bevorzugt linksläufiger Doppellumentubus
    • Vorteile: Geringeres Dislokationsrisiko, größere Toleranz bei der Position des bronchialen Cuffs und dichterer Sitz
    • Nachteil: Einführen etwas schwieriger
    • Indikationen: Thorakoskopische und extrapulmonale Operationen
    • Kontraindikation: Geplante linksseitige Pneumektomie
Orientierende Größen des Doppellumentubus nach Patientengröße und -geschlecht [6]
Körpergröße in cm Frauen Männer
<150 32 Ch
150–160 35 Ch 37 Ch
160–170 37 Ch 39 Ch
>170 39 Ch 41 Ch

Aufgrund des geringeren Dislokationsrisikos, der größeren Toleranz bei der Position des bronchialen Cuffs und der besseren Abdichtung wird im klinischen Alltag meist ein linksläufiger Doppellumentubus verwendet!

Vorgehen bei der Intubation [6][10]

  1. Spitze des Tubus zeigt nach vorn
  2. Tubusspitze bis hinter die Stimmbandebene einführen
  3. Führungsstab zurückziehen
  4. Spitze um 90° in Richtung des gewünschten Hauptbronchus drehen
  5. Weiter vorschieben, bis ein leichter Widerstand feststellbar ist
  6. Trachealen Cuff blocken
  7. Y-förmigen Konnektor aufsetzen
  8. Manuell beatmen

Klinische Lagekontrolle bei linksseitiger Intubation[1]

Ziel bei einem linksläufigen DLT ist die Positionierung des trachealen Cuffs in der Luftröhre und des bronchialen Cuffs im linken Hauptbronchus (kurz unterhalb der Karina). Die Öffnung zum rechten Lungenflügel liegt zwischen dem trachealen und bronchialen Cuff (kurz oberhalb der Karina) und die Öffnung zum linken Lungenflügel an der Tubusspitze.

  • Schritt 1: Tracheale Lage prüfen
    1. Manuelle Beatmung bei geblocktem trachealen Cuff
    2. Auskultation: Lunge beidseits belüftet? → Mit Schritt 2 fortfahren
    3. Bei einseitigem Atemgeräusch: Tubus ca. 3 cm zurückziehen, erneute Kontrolle
  • Schritt 2: Linke Seite prüfen (Korrekte endobronchiale Lage der Tubusspitze?)
    1. Tracheales Lumen (für rechte Seite) abklemmen
    2. Bronchialen Cuff blocken
    3. Auskultation: Atemgeräusch darf nur noch links zu hören sein
    4. Abgeklemmtes Lumen wieder freigeben
    5. Atemgeräusch muss wieder beidseits hörbar sein
  • Schritt 3: Rechte Seite prüfen (Korrekte endotracheale Lage der seitlichen Öffnung?)
    1. Bronchiales Lumen (für linke Seite) abklemmen
    2. Bronchialer Cuff bleibt geblockt
    3. Auskultation: Atemgeräusch darf nur noch rechts zu hören sein
    4. Abgeklemmtes Lumen wieder freigeben
    5. Atemgeräusch muss wieder beidseits hörbar sein
Mögliche Auskultationsergebnisse bei Platzierung eines linksläufigen Doppellumentubus [12][13]
Ziel Prozedur Gewünschtes Auskultationsergebnis Tubus zu tief Tubus nicht tief genug

Beide Lungenflügel beatmen

Kein Lumen abgeklemmt

Atemgeräusch rechts = links

Atemgeräusch links > rechts Atemgeräusch rechts = links
Trachealer Cuff (weiß) geblockt
Linken Lungenflügel beatmen Tracheales Lumen (weiß) abgeklemmt Atemgeräusch links, kein Atemgeräusch rechts Atemgeräusch links, kein Atemgeräusch rechts Atemgeräusch rechts = links
Bronchialer Cuff (blau) geblockt
Rechten Lungenflügel beatmen Bronchiales Lumen (blau) abgeklemmt Atemgeräusch rechts, kein Atemgeräusch links Abgeschwächtes Atemgeräusch rechts, kein Atemgeräusch links Atemgeräusch rechts = links
Bronchialer Cuff (blau) geblockt

Der Doppellumentubus liegt richtig, wenn beidseits Atemgeräusche auskultierbar sind, und diese (bei geblockten Cuffs) nach Abklemmen eines Lumens nur auf der jeweiligen Seite verschwinden! [6]

Fiberoptische Lagekontrolle [1][6]

  • Indikationen
    • Unmittelbar nach der Intubation
    • Nach Abschluss der OP-Lagerung
    • Nach jeder Umlagerung
    • Verdacht auf Dislokation des Tubus aus der regelrechten Lage
    • Klinischer Hinweis auf Verlegung eines Tubuslumens
    • Problematische seitengetrennte Beatmung
  • Befund bei linksläufigem DLT
    • Blick durch tracheales Lumen
      • Freie Sicht auf Karina und rechten Hauptbronchus
      • Bronchiales Lumen läuft nach links in den linken Hauptbronchus
      • Bronchialer Cuff liegt kurz unterhalb der Karina
      • Cuff unter Sicht blocken
    • Blick durch bronchiales Lumen meist nicht notwendig
  • Befund bei rechtsläufigem DLT
    • Blick durch tracheales Lumen
      • Freie Sicht auf Karina und linken Hauptbronchus
      • Bronchiales Lumen läuft nach rechts in den rechten Hauptbronchus
      • Bronchialer Cuff liegt kurz unterhalb der Karina (jedoch nicht immer zu sehen)
      • Cuff unter Sicht blocken
    • Blick durch bronchiales Lumen
      • Unterhalb der Tubusspitze: Aufteilung in rechten Mittel- und Unterlappen sichtbar
      • Hinter seitlicher Tubusöffnung (sog. Murphy-Auge): Abgang des rechten Oberlappenbronchus frei sichtbar

Einstellung der Beatmungsparameter

Beenden der Einlungenventilation

  • Vorgehen
    1. Vor Beendigung der Lungenseparierung stillgelegten Lungenflügel absaugen
    2. Recruitmentmanöver des operierten Lungenflügels (bei V.a. Leckage operierende Fachabteilung benachrichtigen)
    3. Zweilungenventilation
    4. Bronchialen Cuff entblocken
    5. Trachealen Cuff entblocken
    6. Extubieren oder auf konventionellen Endotrachealtubus wechseln (bei erforderlicher Nachbeatmung)
  • Weitere Maßnahmen
    • Thoraxdrainage(n) anschließen
    • Sog nach Maßgabe der operierenden Fachabteilung
    • Postoperative Röntgenkontrolle

Intubation mit Bronchusblockertoggle arrow icon

Auswahl des geeigneten Bronchusblockers [6][10]

  • Größen beim Arndt-Bronchusblocker: 9,0, 7,0 oder 5,0 French
  • Größen beim Univent-Tubus: Blocker mit 6,0–9,0 mm Innendurchmesser bzw. 9,7–12,7 mm Außendurchmesser
Auswahl der Tubusgröße bei Arndt-Bronchusblocker
Empfohlene Mindestgröße der Endotrachealtuben (Innendurchmesser in mm)
9-Fr-Blocker 7,5 mm
7-Fr-Blocker 6 mm
5-Fr-Blocker 4,5 mm

Vorgehen bei der Intubation

Spezielle Risiken und Komplikationentoggle arrow icon

Hypoxämie unter Einlungenventilation [1][2][5]

  • Kritische Grenze: spO2 <90% bzw. paO2 <70 mmHg
  • Risikofaktoren
    • Deutliche Funktionseinschränkung des ventilierten Lungenanteils
    • Linksseitige ELV
    • Schnelle Entlüftung des zu operierenden Lungenflügels
    • ELV in Rückenlagerung
  • Praktisches Vorgehen
    1. Tubusdislokation und andere extrapulmonale Ursachen für Hypoxämie ausschließen
    2. FiO2 erhöhen (Nachteile: Resorptionsatelektasen, hypoxische pulmonale Vasokonstriktion↓)
    3. Recruitmentmanöver des beatmeten Lungenflügels
    4. PEEP auf unterem, beatmetem Lungenflügel ggf. erhöhen (Nachteil: Rechtsventrikuläre Nachlast↑)
    5. Strikte ELV teilweise aufheben
      1. Nicht-beatmeten Lungenflügel intermittierend beatmen oder/und
      2. Kontinuierlichen positiven Atemwegsdruck (5–10 mbar) auf nicht-beatmete Lunge und
      3. Kontinuierliche O2-Insufflation in nicht-beatmete Lunge
    6. Chirurgisch: A. pulmonalis des nicht-beatmeten Lungenflügels (passager) anschlingen
  • Allgemein bei Pneumektomie: Pulmonalarterie des nicht-beatmeten Lungenflügels frühestmöglich abklemmen

Akute Rechtsherzinsuffizienz [5]

Intraoperative Herzrhythmusstörungen [5]

Weitere Risiken und Komplikationen [5]

Quellentoggle arrow icon

  1. Klein, Wiedemann:Anästhesie in der Thoraxchirurgie – Teil 1In: Anästhesiologie & Intensivmedizin (A&I). Band: 52, 2011, p. 263-282.
  2. Larsen: Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. 9. Auflage Springer 2016, ISBN: 978-3-662-50443-7.
  3. Larsen: Anästhesie. Elsevier 2022, ISBN: 978-3-437-22512-3.
  4. Kammerer et al.:Anästhesie in der ThoraxchirurgieIn: Der Anaesthesist. Band: 65, Nummer: 5, 2016, doi: 10.1007/s00101-016-0173-4 . | Open in Read by QxMD p. 397-412.
  5. Licker et al.:The hypoxic pulmonary vasoconstriction: From physiology to clinical application in thoracic surgeryIn: Saudi Journal of Anaesthesia. Band: 15, Nummer: 3, 2021, doi: 10.4103/sja.sja_1216_20 . | Open in Read by QxMD p. 250.
  6. Tarry, Powell:Hypoxic pulmonary vasoconstrictionIn: BJA Education. Band: 17, Nummer: 6, 2017, doi: 10.1093/bjaed/mkw076 . | Open in Read by QxMD p. 208-213.
  7. Klein, Wiedemann:Anästhesie in der Thoraxchirurgie – Teil 2In: Anästhesiologie & Intensivmedizin (A&I). Band: 52, 2011, p. 314-334.
  8. S3-Leitlinie Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms.Stand: 1. Februar 2018. Abgerufen am: 19. März 2018.
  9. Karzai, Schwarzkopf:Hypoxemia during One-lung VentilationIn: Anesthesiology. Band: 110, Nummer: 6, 2009, doi: 10.1097/aln.0b013e31819fb15d . | Open in Read by QxMD p. 1402-1411.
  10. Lumb, Slinger:Hypoxic pulmonary vasoconstriction: physiology and anesthetic implicationsIn: Anesthesiology. Band: 122, Nummer: 4, 2015, doi: 10.1097/ALN.0000000000000569 . | Open in Read by QxMD p. 932-46.
  11. Spieth et al.:Anästhesiologisches Management der EinlungenanästhesieIn: Anästhesiologie & Intensivmedizin. Band: 50, 2009, p. 86-102.
  12. Offner, Loop:Schmerztherapie in der Thoraxchirurgie - Schmerzpathophysiologie und -epidemiologie bei thorakalen EingriffenIn: AINS - Anästhesiologie · Intensivmedizin · Notfallmedizin · Schmerztherapie. Band: 47, Nummer: 09, 2012, doi: 10.1055/s-0032-1325289 . | Open in Read by QxMD p. 568-575.
  13. Striebel: Anästhesie - Intensivmedizin - Notfallmedizin. 9. Auflage Schattauer 2016, ISBN: 978-3-794-52995-7.
  14. Neuner et al.:Anästhesie in der ThoraxchirurgieIn: Wiener klinisches Magazin. Band: 18, Nummer: 4, 2015, doi: 10.1007/s00740-015-0065-2 . | Open in Read by QxMD p. 104-115.

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