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Menstruationszyklus und Zyklusanomalien

Letzte Aktualisierung: 31.8.2023

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Der Menstruationszyklus ist ein hypothalamisch und hypophysär gesteuerter hormoneller Kreislauf, der zwischen Menarche und Menopause die Konzeption ermöglicht. Der Zyklus beginnt mit dem ersten Tag der Menstruationsblutung und ist in der ersten Phase vor allem von hohen Östrogen- und FSH-Spiegeln geprägt. In der zweiten Hälfte überwiegen die Hormone Progesteron und LH. In dem komplexen Kreislauf können schon kleine hormonelle Abweichungen (z.B. durch psychischen Stress, Medikamente) zu Zyklusanomalien führen. Diese sind nicht immer pathologisch und können ganz verschiedene Ursachen haben. Zyklusanomalien werden nach Veränderungen der Blutungsfrequenz, der Blutungsstärke/Blutungsdauer und des Menstruationszeitpunkts eingeteilt. Beim Ausbleiben der Menstruation unterscheidet man zwischen primären, sekundären und physiologischen Amenorrhöen. Schmerzen, die im zeitlichen Zusammenhang zur Menstruation stehen, werden als Dysmenorrhö bezeichnet. Gehen diese Schmerzen mit psychischen, gastrointestinalen und weiteren Symptomen einher, so spricht man von einem prämenstruellen Syndrom.

Physiologietoggle arrow icon

Physiologische Grundlagen

Hormonelle Regelkreise

Der Menstruationszyklus wird durch das komplexe Zusammenspiel verschiedener Hormone bedingt, die von Hypothalamus (GnRH, Dopamin (Prolactin inhibiting Factor = PIF), Oxytocin), Hypophysenvorderlappen (FSH, LH, Prolaktin) und Ovar (Östrogene, Gestagene, Androgene) sezerniert werden.

Die pulsatile GnRH-Sekretion aus dem Hypothalamus steuert die Ausschüttung von FSH und LH im Hypophysenvorderlappen, die wiederum die Ausschüttung von Östrogenen und Gestagenen im Ovar beeinflussen. Eine negative Rückkopplung durch die Östrogen- und Progesteronwirkung inhibiert ihrerseits die GnRH-, FSH- und LH-Produktion; Östrogen kann jedoch zum Zeitpunkt der Ovulation auch einen fördernden Effekt haben (LH-Peak).

Der Regelkreis wird zusätzlich durch andere Neurotransmitter (z.B. Opioide, Acetylcholin, Noradrenalin) und weitere Hormone (z.B. Prolaktin) beeinflusst.

Menstruationszyklus

  • Der Menstruationszyklus dauert physiologischerweise 25–31 Tage
    • Die Variabilität liegt in der 1. Zyklushälfte bei der Follikelreifung
    • Die 2. Zyklushälfte dauert konstant 14–15 Tage
  • Die 1. Zyklushälfte beginnt mit dem ersten Tag der Menstruation
  • Die 2. Zyklushälfte beginnt mit der Ovulation nach normalerweise 12–15 Tagen
  • Die Menstruation dauert üblicherweise 3–7 Tage
  • Physiologischer Blutverlust: 10–80 mL
    • Durchschnittlicher Blutverlust 30–40 mL

1. Zyklushälfte (Tag 1–14)

Ovar: Follikelphase

In der Follikelphase reifen unter dem Einfluss von FSH mehrere Follikel im Ovar heran. Diese Follikel produzieren in den Granulosazellen Östrogene, die über einen negativen Feedback-Mechanismus die Freisetzung von FSH inhibieren. Über einen Selektionsmechanismus wird ein dominanter Follikel (Graaf-Follikel) ausgewählt.

Die vermehrte Östrogenproduktion führt ab einer gewissen Östrogenkonzentration zu einem positiven Feedback auf die LH- und FSH-Freisetzung. Es kommt zum LH-/FSH-Peak, der die Ovulation auslöst. Die Ovulation geht dabei hauptsächlich vom LH aus, FSH löst einen geringeren Ovulationsreiz aus. [1][2]

Endometrium: Desquamations- und Proliferationsphase

  • Desquamationsphase (Menstruation) (Tag 1–4): Der Beginn des Menstruationszyklus ist definiert als der erste Tag der Regelblutung. Kommt es nicht zur Schwangerschaft, so sinkt die Progesteronkonzentration aufgrund des Untergangs des Gelbkörpers. Die niedrige Progesteronkonzentration führt zu Gefäßspasmen in den Spiralarterien des Endometriums. Es kommt zu Ischämien und der Abstoßung der Lamina functionalis.
  • Verschiebung der Menstruation: Durch Hormoneinnahme (oder vorzeitigen Abbruch derselben) in der zweiten Zyklushälfte kann die Blutung verschoben werden. [3][905;80][864;171]
    • Hinauszögern der Blutung
      • Bei Einnahme oraler Kontrazeption: Einnahme des kombinierten oralen Kontrazeptivums über den normalen Zeitraum hinweg
        • Absetzen 3 Tage vor der gewünschten Abbruchblutung
      • Keine orale Kontrazeption: Einnahme eines Einphasenpräparats oder eines Gestagens ab dem 22. Zyklustag
        • Absetzen 3 Tage vor der gewünschten Abbruchblutung
    • Vorverlegung der Blutung
      • Bei Einnahme oraler Kontrazeption: Weglassen der letzten 1–7 Tabletten
        • Absetzen 3 Tage vor der gewünschten Abbruchblutung
      • Keine orale Kontrazeption: Einnahme eines Einphasenpräparats vom 5.–19. Zyklustag
  • Proliferationsphase (Tag 4–15): Unter dem Einfluss des Östrogens, das während der Follikelreifung gebildet wird, kommt es zur Proliferation der Epithelzellen des Endometriums.

2. Zyklushälfte (Tag 14–28)

Ovar: Lutealphase

Die Ovulation findet um den 14. Tag statt. Es kommt zum Platzen (Follikelruptur) des Graaf'schen Follikels, die Eizelle wird freigesetzt und von den Eileitern Richtung Uterus transportiert. Nach der Ovulation bilden die Granulosazellen LH-Rezeptoren und es kommt unter LH-Einfluss zur Umwandlung des Graaf'schen Follikels zum Gelbkörper (Corpus luteum). Der Gelbkörper produziert daraufhin Progesteron. Kommt es nicht zur Schwangerschaft (Nidation der befruchteten Eizelle), stirbt der Gelbkörper ab und die Progesteronproduktion nimmt ab. Das im Gelbkörper produzierte Progesteron hemmt über einen negativen Feedback-Mechanismus die LH-Freisetzung.

Der Gelbkörper ist abhängig von der trophischen Wirkung des LHs. Bei Eintreten einer Schwangerschaft produziert die befruchtete Eizelle β-HCG, welches die trophische Wirkung des LHs übernimmt. Der Gelbkörper bleibt bestehen und produziert weiter Progesteron.

Endometrium: Sekretionsphase

Unter dem Einfluss von Progesteron kommt es zur Differenzierung des Endometriums. Die Differenzierung schafft optimale Verhältnisse für die Nidation der befruchteten Eizelle. Bei Nicht-Eintreten der Schwangerschaft führt der sinkende Progesteronspiegel anschließend zur Nekrose des funktionellen Endometriums und zur Menstruation.

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Dysmenorrhö (Regelschmerzen)

Nach Ausschluss organischer Ursachen können als symptomatische Therapie Kontrazeptiva und NSAR eingesetzt werden.

Ausbleiben der Menstruation

Primäre Amenorrhö

Sekundäre Amenorrhö

Veränderte Menstruation

Zur Anamnese des weiblichen Menstruationszyklus gehört die Dokumentation der Menses über den Zeitraum der letzten Monate. Zur Vereinfachung der Dokumentierung wird das Kaltenbach-Schema angewandt. Darin können Regelfluss, Verhütungsmethode, Voroperationen, Geburten oder andere Unregelmäßigkeiten vermerkt werden.

Beschreibung Ätiologie (Beispiele)
Veränderung der Blutungsfrequenz
Polymenorrhö Zyklusdauer <25 Tage
Oligomenorrhö Zyklusdauer >35 Tage
Veränderung der Blutungsstärke/Blutungsdauer
Hypermenorrhö Starke Regelblutung mit Blutverlust von mehr als 80 mL pro Menstruation, ggf. mit Koagelabgang
Menorrhagie Dauer der Regelblutung >7 Tage
Hypomenorrhö Schwache Regelblutung mit Blutverlust von weniger als 25 mL pro Menstruation
Brachymenorrhö Dauer der Regelblutung <3 Tage
Veränderung des Menstruationszeitpunkts
Metrorrhagie (Zwischenblutungen) Azyklische oder Dauerblutungen außerhalb der Menstruationsphase
Menometrorrhagie Verstärkte, verlängerte und ggf. azyklische Blutungen
Spotting (Schmierblutungen) Sammelbegriff für schwache genitale Blutungen, die bei zahlreichen Störungen und Erkrankungen aber auch physiologischerweise auftreten können

Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

Prämenstruelles Syndrom (PMS) [3][4][5]

Prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) [10][11]

Diagnostiktoggle arrow icon

Zyklusanomalien sind sehr häufig und nicht zwangsläufig pathologisch. Um Pathologien auszuschließen, sollte aber bei anhaltender Symptomatik bzw. auf Wunsch der Patientin eine Diagnostik erfolgen. Folgende Punkte sollten dabei auf jeden Fall beachtet werden:

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Patienteninformationentoggle arrow icon

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

N91.-: Ausgebliebene, zu schwache oder zu seltene Menstruation

N92.-: Zu starke, zu häufige oder unregelmäßige Menstruation

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. S3-Leitlinie Hormonelle Empfängnisverhütung.Stand: 22. Januar 2020. Abgerufen am: 27. März 2020.
  2. Uhl: Gynäkologie und Geburtshilfe compact. Georg Thieme Verlag 2018, ISBN: 978-3-131-07346-4.
  3. Janni et al.: Facharztwissen Gynäkologie. Elsevier 2017, ISBN: 978-3-437-29896-7.
  4. V. Dorsch:Die prämenstruellen Syndrome PMS und PMDSIn: Der Gynäkologe. Band: 51, Nummer: 2, 2018, doi: 10.1007/s00129-017-4196-y . | Open in Read by QxMD p. 110-116.
  5. Keck et al.:Kontrazeption im LangzyklusIn: Der Gynäkologe. Band: 52, Nummer: 2, 2018, doi: 10.1007/s00129-018-4354-x . | Open in Read by QxMD p. 98-106.
  6. Keck et al.: Endokrinologie, Reproduktionsmedizin, Andrologie. Thieme 2002, ISBN: 978-3-131-07162-0.
  7. Zahradnik:Prämenstruelles SyndromIn: Gynäkologische Endokrinologie. Band: 2, Nummer: 2, 2004, doi: 10.1007/s10304-004-0060-y . | Open in Read by QxMD.
  8. Schneider, Härter:S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression - Langfassung, 2. AuflageNummer: 2. Auflage, 2015, doi: 10.6101/AZQ/000364 . | Open in Read by QxMD.
  9. Benkert, Hippius: Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. 13. Auflage Springer 2020, ISBN: 978-3-662-61752-6.
  10. Ludwig: Gynäkologische Endokrinologie. Optimist 2019, ISBN: 978-3-941-96206-4.
  11. Strauss: Der weibliche Sexualzyklus. de Gruyter 2020, ISBN: 978-3-110-85416-9.
  12. Goerke et al.: Klinikleitfaden Gynäkologie, Geburtshilfe. 7. Auflage Urban & Fischer 2010, ISBN: 3-437-22213-9.
  13. Haag et al.: Gynäkologie und Urologie (2012/13). 6. Auflage Medizinische Verlags- und Informationsdienste 2012, ISBN: 3-929-85175-x.