Abstract
Der Menstruationszyklus ist ein hypothalamisch und hypophysär gesteuerter hormoneller Kreislauf, der zwischen Menarche und Menopause die Konzeption ermöglicht. Der Zyklus beginnt mit dem ersten Tag der Menstruationsblutung und ist in der ersten Phase vor allem von hohen Östrogen- und FSH-Spiegeln geprägt. In der zweiten Hälfte überwiegen die Hormone Progesteron und LH. In dem komplexen Kreislauf können schon kleine hormonelle Abweichungen (z.B. durch psychischen Stress, Medikamente) zu Zyklusanomalien führen. Diese sind nicht immer pathologisch und können ganz verschiedene Ursachen haben. Zyklusanomalien werden nach Veränderungen der Blutungsfrequenz, der Blutungsstärke/Blutungsdauer und des Menstruationszeitpunkts eingeteilt. Beim Ausbleiben der Menstruation unterscheidet man zwischen primären, sekundären und physiologischen Amenorrhöen. Schmerzen, die im zeitlichen Zusammenhang zur Menstruation stehen, werden als Dysmenorrhö bezeichnet. Gehen diese Schmerzen mit psychischen, gastrointestinalen und weiteren Symptomen einher, so spricht man von einem prämenstruellen Syndrom.
Physiologie
Physiologische Grundlagen
Hormonelle Regelkreise
Der Menstruationszyklus wird durch das komplexe Zusammenspiel verschiedener Hormone bedingt, die von Hypothalamus (GnRH, Dopamin (Prolactin inhibiting Factor = PIF), Oxytocin), Hypophysenvorderlappen (FSH, LH, Prolaktin) und Ovar (Östrogene, Gestagene, Androgene) sezerniert werden.
Die pulsatile GnRH-Sekretion aus dem Hypothalamus steuert die Ausschüttung von FSH und LH im Hypophysenvorderlappen, die wiederum die Ausschüttung von Östrogenen und Gestagenen im Ovar beeinflussen. Eine negative Rückkopplung durch die Östrogen- und Progesteronwirkung inhibiert ihrerseits die GnRH-, FSH- und LH-Produktion; Östrogen kann jedoch zum Zeitpunkt der Ovulation auch einen fördernden Effekt haben (LH-Peak).
Der Regelkreis wird zusätzlich durch andere Neurotransmitter (z.B. Opioide, Acetylcholin, Noradrenalin) und weitere Hormone (z.B. Prolaktin) beeinflusst.
Menstruationszyklus
- Der Menstruationszyklus dauert physiologischerweise 25–31 Tage
- Die Variabilität liegt in der 1. Zyklushälfte bei der Follikelreifung
- Die 2. Zyklushälfte dauert konstant 14–15 Tage
- Die 1. Zyklushälfte beginnt mit dem ersten Tag der Menstruation
- Die 2. Zyklushälfte beginnt mit der Ovulation nach normalerweise 12–15 Tagen
- Die Menstruation dauert üblicherweise 3–7 Tage
- Physiologischer Blutverlust: 10–80 mL
- Durchschnittlicher Blutverlust 30–40 mL
1. Zyklushälfte (Tag 1–14)
Ovar: Follikelphase
In der Follikelphase reifen unter dem Einfluss von FSH mehrere Follikel im Ovar heran. Diese Follikel produzieren in den Granulosazellen Östrogene, die über einen negativen Feedback-Mechanismus die Freisetzung von FSH inhibieren. Über einen Selektionsmechanismus wird ein dominanter Follikel (Graaf-Follikel) ausgewählt.
Die vermehrte Östrogenproduktion führt ab einer gewissen Östrogenkonzentration zu einem positiven Feedback auf die LH- und FSH-Freisetzung. Es kommt zum LH-/FSH-Peak, der die Ovulation auslöst. Die Ovulation geht dabei hauptsächlich vom LH aus, FSH löst einen geringeren Ovulationsreiz aus. [1][2]
Endometrium: Desquamations- und Proliferationsphase
- Desquamationsphase (Menstruation) (Tag 1–4): Der Beginn des Menstruationszyklus ist definiert als der erste Tag der Regelblutung. Kommt es nicht zur Schwangerschaft, so sinkt die Progesteronkonzentration aufgrund des Untergangs des Gelbkörpers. Die niedrige Progesteronkonzentration führt zu Gefäßspasmen in den Spiralarterien des Endometriums. Es kommt zu Ischämien und der Abstoßung der Lamina functionalis.
- Verschiebung der Menstruation: Durch Hormoneinnahme (oder vorzeitigen Abbruch derselben) in der zweiten Zyklushälfte kann die Blutung verschoben werden. [3][905;80][864;171]
- Hinauszögern der Blutung
-
Bei Einnahme oraler Kontrazeption: Einnahme des kombinierten oralen Kontrazeptivums über den normalen Zeitraum hinweg
- Absetzen 3 Tage vor der gewünschten Abbruchblutung
- Keine orale Kontrazeption: Einnahme eines Einphasenpräparats oder eines Gestagens ab dem 22. Zyklustag
- Absetzen 3 Tage vor der gewünschten Abbruchblutung
-
Bei Einnahme oraler Kontrazeption: Einnahme des kombinierten oralen Kontrazeptivums über den normalen Zeitraum hinweg
- Vorverlegung der Blutung
- Bei Einnahme oraler Kontrazeption: Weglassen der letzten 1–7 Tabletten
- Absetzen 3 Tage vor der gewünschten Abbruchblutung
- Keine orale Kontrazeption: Einnahme eines Einphasenpräparats vom 5.–19. Zyklustag
- Bei Einnahme oraler Kontrazeption: Weglassen der letzten 1–7 Tabletten
- Hinauszögern der Blutung
- Proliferationsphase (Tag 4–15): Unter dem Einfluss des Östrogens, das während der Follikelreifung gebildet wird, kommt es zur Proliferation der Epithelzellen des Endometriums.
2. Zyklushälfte (Tag 14–28)
Ovar: Lutealphase
Die Ovulation findet um den 14. Tag statt. Es kommt zum Platzen (Follikelruptur) des Graaf'schen Follikels, die Eizelle wird freigesetzt und von den Eileitern Richtung Uterus transportiert. Nach der Ovulation bilden die Granulosazellen LH-Rezeptoren und es kommt unter LH-Einfluss zur Umwandlung des Graaf'schen Follikels zum Gelbkörper (Corpus luteum). Der Gelbkörper produziert daraufhin Progesteron. Kommt es nicht zur Schwangerschaft (Nidation der befruchteten Eizelle), stirbt der Gelbkörper ab und die Progesteronproduktion nimmt ab. Das im Gelbkörper produzierte Progesteron hemmt über einen negativen Feedback-Mechanismus die LH-Freisetzung.
Der Gelbkörper ist abhängig von der trophischen Wirkung des LHs. Bei Eintreten einer Schwangerschaft produziert die befruchtete Eizelle β-HCG, welches die trophische Wirkung des LHs übernimmt. Der Gelbkörper bleibt bestehen und produziert weiter Progesteron.
- Leithormone
Endometrium: Sekretionsphase
Unter dem Einfluss von Progesteron kommt es zur Differenzierung des Endometriums. Die Differenzierung schafft optimale Verhältnisse für die Nidation der befruchteten Eizelle. Bei Nicht-Eintreten der Schwangerschaft führt der sinkende Progesteronspiegel anschließend zur Nekrose des funktionellen Endometriums und zur Menstruation.
Symptome/Klinik
Dysmenorrhö (Regelschmerzen)
- Definition: Regelschmerzen vor, bei oder nach der Menstruation
- Primäre Dysmenorrhö
- Mögliche Ursachen
- Uterusfehlbildungen
- Erhöhte Prostaglandin-Synthese im Endometrium; bei Prostaglandinüberproduktion ist die Kontraktilität des Uterus während der Menstruation erhöht, wodurch es zu verstärkten schmerzhaften Ischämien kommt.
- Mögliche Ursachen
- Sekundäre Regelschmerzen
- Mögliche Ursachen
- Intrauterinpessare
- Endometriose
- Myome, Zysten
- Psychologische Faktoren
- Mögliche Ursachen
Nach Ausschluss organischer Ursachen können als symptomatische Therapie Kontrazeptiva und NSAR eingesetzt werden.
Ausbleiben der Menstruation
- Physiologische Amenorrhö: Vor der Menarche und postmenopausal sowie bei Schwangerschaft und Stillzeit ist das Ausbleiben von Regelblutungen physiologisch.
Primäre Amenorrhö
- Definition: Nicht-Eintreten der ersten Regelblutung (Menarche) trotz Vollendung des 16. Lebensjahres.
- Ätiologie
- Normale Pubertät
- Fehlanlagen: Hymenalatresie, Vaginalsepten, Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom
- Leistungssport
- Wachstums- und Entwicklungsverzögerung
- Hypergonadotroper Hypogonadismus
- Ovarialinsuffizienz, z.B. bei Turner-Syndrom
- Hypogonadotroper Hypogonadismus
- Hypophyseninsuffizienz
- Stress
- Leistungssport
- Essstörungen
- Tumoren etc.
- Hypergonadotroper Hypogonadismus
- Virilisierung
- Normale Pubertät
Sekundäre Amenorrhö
- Definition: Ausbleiben der Menstruation für mehr als drei Monate
- Ätiologie
- Schwangerschaft → Häufigster Grund für eine sekundäre Amenorrhö
- Diagnostik: β-HCG-Bestimmung zum Ausschluss
- Hypogonadismus
-
Hypergonadotroper Hypogonadismus
- Ovarialinsuffizienz, z.B. durch Zystenbildung, Ovarialtumoren, Radiatio
-
Hypogonadotroper Hypogonadismus
- Hypophyseninsuffizienz, z.B. durch chronische Erkrankungen (Mukoviszidose, Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen etc.)
- Essstörungen
- Tumoren oder Sheehan-Syndrom nach Entbindung
- Hyperprolaktinämie
-
Hypergonadotroper Hypogonadismus
- Psychogen
- Schwangerschaft → Häufigster Grund für eine sekundäre Amenorrhö
Veränderte Menstruation
Zur Anamnese des weiblichen Menstruationszyklus gehört die Dokumentation der Menses über den Zeitraum der letzten Monate. Zur Vereinfachung der Dokumentierung wird das Kaltenbach-Schema angewandt. Darin können Regelfluss, Verhütungsmethode, Voroperationen, Geburten oder andere Unregelmäßigkeiten vermerkt werden.
Beschreibung | Ätiologie (Beispiele) | |
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Veränderung der Blutungsfrequenz | ||
Polymenorrhö | Zyklusdauer <25 Tage | |
Oligomenorrhö | Zyklusdauer >35 Tage |
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Veränderung der Blutungsstärke/Blutungsdauer | ||
Hypermenorrhö | Starke Regelblutung mit Blutverlust von mehr als 80 mL pro Menstruation, ggf. mit Koagelabgang |
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Menorrhagie | Dauer der Regelblutung >7 Tage | |
Hypomenorrhö | Schwache Regelblutung mit Blutverlust von weniger als 25 mL pro Menstruation |
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Brachymenorrhö | Dauer der Regelblutung <3 Tage | |
Veränderung des Menstruationszeitpunkts | ||
Metrorrhagie (Zwischenblutungen) | Azyklische oder Dauerblutungen außerhalb der Menstruationsphase |
|
Menometrorrhagie | Verstärkte, verlängerte und ggf. azyklische Blutungen | |
Spotting (Schmierblutungen) | Sammelbegriff für schwache genitale Blutungen, die bei zahlreichen Störungen und Erkrankungen aber auch physiologischerweise auftreten können |
|
Verlaufs- und Sonderformen
Prämenstruelles Syndrom (PMS) [3][4][5]
- Definition: Zyklusabhängiger Symptomkomplex
- Beginn: I.d.R. wenige Tage vor dem Eintreten der Menstruation
- Ende: 1–3 Tage nach Beginn der Menstruation [6]
- Prävalenz: Ca. 20–60% [7][8][9]
- Klinik des prämenstruellen Syndroms
- Schmerzen: Dyspareunie, Brustspannen, Kopf- und Rückenschmerzen
- Gastrointestinal: Übelkeit, Durchfall, Heißhunger oder Appetitlosigkeit
- Ödemneigung
- Neurologisch: Migräne, erhöhte Sensibilität auf Reize
- Psychisch: Stimmungsschwankungen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Erschöpfungssymptome, depressive Verstimmung, Angstzustände, innere Unruhe, Aggressivität
- Therapie
- Vermeiden von individuellen Triggersubstanzen, z.B. Alkohol, Nikotin, Koffein
- Stressreduktion
- Körperliche Aktivität
- Nahrungsergänzungsmittel wie Magnesium, Vitamin B1, Vitamin B6, Vitamin E, Calciumcarbonat
- Mönchspfeffer
- Orale Kontrazeptiva zur Zyklusregulierung
- Periphere Analgetika
Prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) [10][11]
- Definition: Schwere Form des prämenstruellen Syndroms
- Beginn: In der Woche vor der Menstruation
- Ende: Wenige Tage nach Beginn der Menstruation
- Jahresprävalenz: Ca. 2–6%
- Klinik: Klinik des prämenstruellen Syndroms, mit besonderer Ausprägung psychischer Hauptsymptome
- Affektlabilität
- Depressive Verstimmung
- Dysphorie
- Ängste
- Therapie
- Hormonelle Kontrazeption
- SSRI
- Intermittierende Gabe möglich
- Wirksamkeit tritt schnell und schon bei geringer Dosierung ein
Diagnostik
Zyklusanomalien sind sehr häufig und nicht zwangsläufig pathologisch. Um Pathologien auszuschließen, sollte aber bei anhaltender Symptomatik bzw. auf Wunsch der Patientin eine Diagnostik erfolgen. Folgende Punkte sollten dabei auf jeden Fall beachtet werden:
- Anamnese: Genetische Störungen?, Essstörungen?, Stress?
- Körperliche Untersuchung: Hirsutismus?, Beurteilung äußerer und innerer Genitalien, Mammae
- Vaginalsonografie: Schwangerschaft?, Beurteilung des Uterus, Ovarien
- Entscheidende Parameter in der endokrinologischen Diagnostik
- HCG → Schwangerschaft
- Östradiol, Progesteron → Hypogonadismus
- LH, FSH → Hypergonadotroper oder hypogonadotroper Hypogonadismus
- Prolaktin → Hyperprolaktinämie
- Androgene → AGS, PCOS, testikuläre Feminisierung
- fT3, fT4, TSH → Hyper-/Hypothyreose
Studientelegramme zum Thema
One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 64-2022-3/3: COVID-19-related stress may cause menstrual irregularity
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Patienteninformationen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
N91.-: Ausgebliebene, zu schwache oder zu seltene Menstruation
- Exklusive: Ovarielle Dysfunktion (E28.‑)
- N91.0: Primäre Amenorrhoe
- Nichteintreten der Menarche im Pubertätsalter.
- N91.1: Sekundäre Amenorrhoe
- Ausbleiben der Menstruation nach bereits erfolgter Menarche
- N91.2: Amenorrhoe, nicht näher bezeichnet
- Ausbleiben der Menstruation o.n.A.
- N91.3: Primäre Oligomenorrhoe
- Zu schwache oder zu seltene Menstruation seit der Menarche.
- N91.4: Sekundäre Oligomenorrhoe
- Zu schwache oder zu seltene Menstruation nach vorangegangenen normalen Menstruationen.
- N91.5: Oligomenorrhoe, nicht näher bezeichnet
- Hypomenorrhoe o.n.A.
N92.-: Zu starke, zu häufige oder unregelmäßige Menstruation
- Exklusive: Postmenopausenblutung (N95.0)
- N92.0: Zu starke oder zu häufige Menstruation bei regelmäßigem Menstruationszyklus
- Hypermenorrhoe o.n.A.
- Menorrhagie o.n.A.
- Polymenorrhoe
- N92.1: Zu starke oder zu häufige Menstruation bei unregelmäßigem Menstruationszyklus
- Menometrorrhagie
- Metrorrhagie
- Unregelmäßige intermenstruelle Blutung
- Unregelmäßige, verkürzte Intervalle zwischen den Menstruationsblutungen
- N92.2: Zu starke Menstruation im Pubertätsalter
- Pubertätsblutung
- Pubertätsmenorrhagie
- Zu starke Blutung bei Auftreten der Menstruationsblutungen
- N92.3: Ovulationsblutung
- Regelmäßige intermenstruelle Blutung
- N92.4: Zu starke Blutung in der Prämenopause
-
Menorrhagie oder Metrorrhagie:
- klimakterisch
- menopausal
- präklimakterisch
- prämenopausal
-
Menorrhagie oder Metrorrhagie:
- N92.5: Sonstige näher bezeichnete unregelmäßige Menstruation
- N92.6: Unregelmäßige Menstruation, nicht näher bezeichnet
- Unregelmäßige:
- Blutung o.n.A.
- Menstruationszyklen o.n.A.
- Exklusive: Unregelmäßige Menstruation mit:
- Unregelmäßige:
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.