Zusammenfassung
Die Endometriose ist eine chronische, inflammatorische Erkrankung, bei der sich Endometrium-typische Zellverbände außerhalb der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) befinden und dem hormonellen Zyklus unterliegen. Die Erkrankung betrifft i.d.R. Frauen im reproduktionsfähigen Alter. Die Symptome können sehr umfangreich und unspezifisch sein. Zu den Leitsymptomen zählen Dysmenorrhö, Dysurie, Dyschezie, Dyspareunie und Sterilität. Zwischen dem ersten Auftreten der Symptome und der Diagnosestellung vergehen im Durchschnitt ca. 10 Jahre. Nach der Menopause kommt es meistens zu einer Besserung der Beschwerden. Die Behandlungsmöglichkeiten sind operativer oder medikamentöser Art und müssen individuell mit der Patientin abgestimmt werden.
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Definition
Die Endometriose ist eine multifaktorielle, komplexe, chronische, inflammatorische Erkrankung der Frau im i.d.R. reproduktionsfähigen Alter. Charakteristisch ist das Vorkommen von Endometrium-typischen Zellverbänden (endometrioide Drüsenzellen und/oder Stromazellen) außerhalb des Cavum uteri. Diese ektopen Schleimhautinseln unterliegen dem hormonellen Zyklus und können im gesamten Körper auftreten. [1][2]
Epidemiologie
Die Endometriose ist eine der häufigsten benignen gynäkologischen Erkrankungen. Genaue Daten zur Prävalenz und zur Inzidenz der Endometriose fehlen aufgrund einer hohen Dunkelziffer.
- Inzidenz [1]
- 3,5/1.000
- 32.000 Krankenhausaufenthalte (im Jahr 2022)
- Jahresprävalenz: 0,5–1,0% [1]
- Altersgipfel: 35–45 Jahre
- Familiäre Häufung
Aufgrund fehlender belastbarer Daten und der hohen Dunkelziffer liegt die Prävalenz höher als angegeben!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Die Ursache der Endometriose ist nicht bekannt.
Entstehungstheorien der Endometriose (ältere Modelle) [1][3][4][5]
Ältere Modelle
- Transplantationstheorie (Sampson-Hypothese)
- Retrograde Menstruation (natürliches Phänomen) → Verschleppung vitaler Endometriumzellen entlang der Tuben in die Bauchhöhle → Adhäsion und Invasion ins Peritoneum
- „Tissue-Injury-and-Repair-Theorie“ (TIAR-Konzept, weiterentwickeltes Archimetra-Konzept) [3]
- Mikrotraumen des basalen Endometriums (Gewebe zwischen Endo- und Myometrium) durch (verstärkte) Peristaltik → Zellen der Basalis des Endometriums lösen sich und werden an einen anderen Ort verschleppt
- Nachfolgende Reparationsmechanismen setzen lokale Östrogene frei → Östrogen verstärkt die Peristaltik und Dysperistaltik → Circulus vitiosus mit weiterer Verschleppung herausgelöster basaler Endometriumzellen
- Archimetrose: Sammelbegriff für Endometriose und Adenomyose, da es sich laut dieser Definition um eine Erkrankung der Archimetra handelt [6]
- Chronische Verletzung der Archimetra im Bereich der endometrial-myometrialen Junktion durch Hyperkontraktilität des Uterus
- Verstärkte Kontraktion des Archimyometriums → Eingeschränkter Spermientransport in die Tube
- Verstärkte Kontraktion des Stratum vasculare der Neometra → Kompression der Archimetra mit Ischämie des basalen und subbasalen Endometriums → Herauslösen basaler Endometriumzellen und verstärkte menstruelle Kontraktion, Dysmenorrhö (siehe: TIAR-Konzept)
- Begriffe
- Neometra : Stratum vasculare und Stratum supravasculare (Myometrium)
- Archimetra : Endometrium + Junktionalzone
- Junktionalzone: Archimyometrium (Stratum subvasculare) und subbasales Stroma
- Subbasales Stroma (endometrial-myometriale Junktion): Schicht zwischen Endometrium und Myometrium; gehört mit dem Archimyometrium zur Junktionalzone
- Chronische Verletzung der Archimetra im Bereich der endometrial-myometrialen Junktion durch Hyperkontraktilität des Uterus
- Metaplasietheorie (Zölommetaplasie)
- Lymphogene und hämatogene Streuung
- Mechanische Übertragung von Endometriumpartikeln durch bspw. Operationen
Multifaktorielle Entstehungstheorie der Endometriose (neueres Modell) [1]
- Zusammenführung der verschiedenen Entstehungstheorien der Endometriose
- Genetische Prädispositionen und epigenetische Phänomene
- Hyperperistaltik
- Hyperöstrogenisierung
- Inflammatorische und immunologische Prozesse
- Prostaglandin-Stoffwechsel
- Angiogenese
- Oxidativer Stress
Risikofaktoren für die Entstehung einer Endometriose [1]
- Genetische Disposition
- Kurze Menstruationszyklen ≤27 Tage
- Verlängerte Dauer der Periodenblutung
- Wenige Schwangerschaften
- Späte erste Schwangerschaft
- Wahrscheinlich
- Frühe Menarche
- Keine hormonelle Kontrazeption im Krankheitsverlauf
- Niedriges Geburtsgewicht und Frühgeburt
- Umwelteinflüsse wie bspw. die Exposition mit polychloriertem Biphenylen oder Bisphenol A
Klassifikation
Einteilung nach Lokalisation [1][2][5][7][8][9][10]
Häufigste Lokalisationen sind im Bereich des Beckenperitoneums, der Sakrouterinbänder des Septum rektovaginale und der Ovarien
- Endometriosis genitalis interna
- Endometriosezellen im Myometrium (Adenomyosis uteri ) mit einem Abstand zur endomyometralen Grenze von 2,5 mm
- Endometriosezellen innerhalb der Tuben
- Endometriosis genitalis externa: Endometriumzellen in den weiteren weiblichen Geschlechtsorganen und im Peritoneum (Tuben und Uterus [Peritoneum viscerale], Ovarien, Sakrouterinbänder [Lig. sacrouterinum], Douglas-Raum, Blasendach, Vagina, Vulva, Perineum, Beckenwand)
- Endometriosis extragenitalis: Endometriumzellen außerhalb des weiblichen Genitales (Harnblase, Ureteren, Darm mit Appendix vermiformis, Bauchnabel, Retroperitoneum, Lunge, Zwerchfell, Gehirn, Narben, etc.)
Klinische (intraoperative) Einteilung [1]
- Peritoneale Endometriose
- Ovarielle Endometriose
- Tief infiltrierende Endometriose: Einwachsen von Endometrioseherden in benachbartes Gewebe oder Organe mit einer Infiltrationstiefe von mind. 0,5 cm
- Adenomyosis uteri, siehe auch: Intraoperative Zeichen einer Adenomyosis uteri
#ENZIAN-Score [1][11]
Zusammenfassung des ENZIAN-Scores und des rASRM-Scores zur Erfassung aller Wachstumsformen und Lokalisationen der Endometriose in einem Score. Der ENZIAN-Score bleibt unverändert; hinzu kommt die Beschreibung des Peritoneums (P), der Ovarien (O) und der Tuben (T). Der Score kann sowohl intraoperativ als auch präoperativ mittels Sonografie oder MRT erfasst werden. Hierfür werden kleine, eingeklammerte Buchstaben angefügt: „u“ für „Ultraschall“, „s“ für „chirurgisch“ („surgical“) und „m“ für „MRT“. Bspw. „#ENZIAN (u)“ bei einer ultrasonografischen Klassifizierung. Da nicht jede diagnostische Methode eine vollständige Erfassung aller Befunde gewährleistet, können sie im Rahmen der Befunderhebung gut kombiniert werden. Der #ENZIAN-Score ist exakt und reproduzierbar und soll daher bei jeder Patientin bei V.a. Endometriose verwendet werden. Ein Beispiel für die Befunderhebung wäre: P3 O1(re) T1(re) A2 B2 C2 FB.
#ENZIAN–Score [11] | |||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Lokalisation | Ovar O (rechts und links) | Tube T (rechts und links) | Gradeinteilung | Kompartiment A (Septum rectovaginale, Vagina) | Kompartiment B (Lig. Sacrouterinum, Beckenwand) | Kompartiment C (Rektum) | |||||
Definition | Durchmesser eines Kreises, in den die Summe aller sichtbaren Herde passen | Durchmesser der Summe aller Endometriosezysten | Ausmaß der Adhäsionen | ||||||||
Ausprägung | P1: <3 cm | O1: <3 cm | T1: Adhäsionen Beckenseitenwand | Grad 1 <1 cm | A1 | B1 | C1 | ||||
P2: 3–7 cm | O2: 3–7 cm | T2: Adhäsionen Beckenseitenwand, Uterus | Grad 2 1–3 cm | A2 | B2 | C2 | |||||
P3: >7 cm | O3: >7 cm | T3: Adhäsionen Beckenseitenwand, Uterus, Lig. sacrouterinum, Darm | Grad 3 >3 cm | A3 | B3 | C3 | |||||
Weitere Lokalisationen Uterus: FA Harnblase: FB Ureter: FU Darm: FI Andere: FO |
rASRM–Score [1][12]
Für die intraoperativ makroskopischen Endometrioseherde und die Adhäsionen werden je nach Lokalisation Punkte vergeben. Anhand des Punktewertes wird die Endometriose dann als minimal, gering, mäßig oder schwer eingestuft. Die rASRM-Klassifikation sollte bei allen Endometrioseoperationen angewendet werden.
rASRM-Score [1] | ||||
---|---|---|---|---|
Endometriose | <1 cm | 1–3 cm | >3 cm | |
Peritoneum | Oberflächlich | 1 | 2 | 4 |
Tief | 2 | 4 | 6 | |
Ovar rechts und/oder links | Oberflächlich | Jeweils 1 | Jeweils 2 | Jeweils 4 |
Tief | Jeweils 4 | Jeweils 16 | Jeweils 20 | |
Douglas-Obliteration | Teilweise | Komplett | ||
4 | 40 | |||
Adhäsionen | < ⅓ | ⅓– ⅔ | > ⅔ | |
Ovar rechts/links | Zart | Jeweils 1 | Jeweils 2 | Jeweils 4 |
Dicht | Jeweils 4 | Jeweils 8 | Jeweils 16 | |
Tube rechts/links | Zart | Jeweils 1 | Jeweils 2 | Jeweils 4 |
Dicht | Jeweils 4 | Jeweils 8 | Jeweils 16 |
Auswertung rASRM-Klassifikation | |
---|---|
rASRM-Score | rASRM-Stadium |
1–5 Punkte | I (minimal) |
6–15 Punkte | II (gering) |
16–40 Punkte | III (mäßig) |
>40 Punkte | IV (schwer) |
- Nachteile des rASRM–Scores [1]
- Fehlende Aussage über
- Krankheitsverlauf
- Organbezug [1]
- Subjektive Einschätzung des Situs durch Operateur:in
- Fehlende Relation der Punktzahl mit
- Schwangerschaftsrate
- Schmerzintensität
- Vergleichbarkeit in Studien: Nicht gegeben
- Fehlende Aussage über
ENZIAN-Score [13]
Einteilung in 3 Kompartimente (je nach Lokalisation) und in 3 Stadien (je nach Größe der Knoten). Die ENZIAN-Klassifikation sollte bei Patientinnen mit tief infiltrierender Endometriose und bei Adenomyosis uteri angewendet werden.
ENZIAN-Score [13] | |||
---|---|---|---|
Gradeinteilung | Kompartiment A (Septum rectovaginale, Vagina) | Kompartiment B (Lig. Sacrouterinum, Beckenwand) | Kompartiment C (Rektum) |
Grad 1 <1 cm | A1 | B1 | C1 |
Grad 2 1–3 cm | A2 | B2 | C2 |
Grad 3 >3 cm | A3 | B3 | C3 |
Weitere Lokalisationen Uterus: FA Harnblase: FB Ureter: FU Darm: FI Andere: FO |
- Nachteile des ENZIAN-Scores
- Fehlende Aussage über
- Sterilität
- Rezidivrate
- Schmerzintensität
- Krankheitsverlauf
- Fehlende Aussage über
Endometriosis Fertility Index (EFI) [1]
Für bestimmte anamnestische und chirurgische Kriterien werden Punkte vergeben. Diese Punkte werden schlussendlich addiert und geben die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer Schwangerschaft innerhalb von 36 Monaten an.
- Anamnestische Kriterien
- Alter der Frau
- Dauer der Sterilität
- Schwangerschaftsanamnese
- Chirurgische Kriterien
- Makroskopische Adnexveränderungen und Dysfunktion
- rASRM-Score
- Endometrioseimplantat-Punkte aus rASRM-Score
Symptomatik
Endometriosezellen reagieren ebenso wie das physiologische Endometriumgewebe auf den hormonellen Zyklus und proliferieren unter Östrogeneinfluss. Zusätzlich verstärkt Östrogen die Angiogenese und die Expression von proinflammatorischen Mediatoren. Daher kommt es häufig zu zyklusabhängigen Beschwerden. Im Verlauf können die Beschwerden auch zyklusunabhängig auftreten und chronifizieren, die Erkrankung kann jedoch auch asymptomatisch verlaufen. Die Symptome können isoliert oder in Kombination auftreten und korrelieren nicht mit dem Ausmaß der Erkrankung.
Leitsymptome[1][2]
- Schmerzen
-
Sekundäre Dysmenorrhö
- Beginn meist ca. 2 Tage vor Blutungsbeginn, Schmerzintensität zunehmend (zyklussynchroner Crescendoschmerz) und mit Eintreten der Menstruation abnehmend [4][8][14][15]
- Dysurie
- Dyschezie
- Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr)
-
Sekundäre Dysmenorrhö
- Sterilität
Größe des Befundes und die Beschwerden korrelieren häufig nicht miteinander!
Unspezifische Symptome [1][2][3][14][16]
- Chronisch zyklische/azyklische Unterbauchschmerzen
- Menometrorrhagien
- Spotting
- Mikrohämaturie, Blasenfunktionsstörungen
- Darmbeschwerden, zyklische Diarrhö, Hämatochezie
- Übelkeit, Erbrechen, Magenbeschwerden
- Kopfschmerzen, Schwindel
- Zyklische Schulterschmerzen, ggf. mit Dyspnoe
- Zyklische neurogene Schmerzen der unteren Extremität
- Rückenschmerzen
- Magenschmerzen
- Schmerzausstrahlung in die Beine
- Fatigue
- Häufige Infekte
- Subfebrile Temperatur
Lokalitätsabhängige Symptome [1][17]
- Adenomyosis uteri
- Menstruationsabhängig
- Dyspareunie
- Sterilität
- Beschwerden im Rahmen einer Schwangerschaft: Frühgeburt, Präeklampsie, Small for Gestational Age, postpartale Blutungen
- Endometriosis extragenitalis, bspw.
- Bei Darmbefall: Dyschezie, Hämatochezie, Druckgefühl, Blähungen, Tenesmen, Diarrhö, Obstipation
- Bei Blasenbefall: Suprapubische Schmerzen, Pollakisurie, Harndrang, Dysurie, Hämaturie
- Bei Thoraxbefall : Hämoptysen, katamenialer Pneumothorax , Hämatothorax, Schmerzausstrahlung in die Schulter
Eine Endometriose kann auch vollkommen symptomfrei verlaufen: Bei vielen Frauen, die aus anderen Gründen operiert werden, zeigt sich eine Endometriose, ohne dass jemals diesbezügliche Beschwerden aufgetreten sind!
Bei unklaren Schmerzen an eine Endometriose denken!
Diagnostik
Bei V.a. Endometriose sollte die Patientin an ein Endometriosezentrum überwiesen werden. Zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und dem Erstellen der Diagnose vergehen im Durchschnitt 10 Jahre [1]
Anamneseerhebung [1][2][18][19]
- Allgemein
- Geburtshilfliche und gynäkologische Anamnese
- Vorerkrankungen und Voroperationen
- Verletzungen
- Angststörungen und Depressionen
- Symptomorientierte Anamnese bei Endometriose, insb. folgender Aspekte
- Dysmenorrhö
- Dysurie
- Dyschezie
- Dyspareunie
- Sterilität
- Zyklische/azyklische Unterbauchschmerzen
- Zyklische lokalitätsabhängige Schmerzen
- Fatigue
- Schmerztagebuch mit der Patientin sichten
Strukturierte Schmerzanamnese bei Endometriose [1]
- Strukturierte Schmerzanamnese
- Schmerzort, -variabilität, -charakter, -dauer
- Schmerzintensität (bspw. numerische Analogskala)
- Alle Schmerzlokalisationen
- Ursachenzuschreibung seitens der Patientin
- Jegliche Schmerzmedikation inkl. Wirksamkeit
- Alle nicht-medikamentösen Schmerztherapien
- Beurteilung des sozialen Umfeldes
- Berufliche Einbindung
- Sozialmedizinische Aspekte (bspw. wiederholte Arbeitsunfähigkeit)
- Schmerzbedingte Einschränkungen (bspw. Schlaf, Sexualität)
- Ressourcen, selbstachtsames Verhalten
- Hinweise auf Risikofaktoren für eine zentrale Sensitivierung/Chronifizierung
- Erwartungen und Therapieziel
- Risikofaktoren für eine zentrale Sensitivierung
- Permanenter Schmerz
- Mehrere Schmerzorte
- Andere funktionelle Störungen (bspw. Bruxismus, Reizdarm, Reizblase)
- Allgemeinsymptome: Fatigue, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörung
- Gesteigerte Sensitivität für andere Reize (bspw. Geräusche, Geruch)
- Risikofaktoren für eine Schmerzchronifizierung
- Psychische Störungen (bspw. Depressionen)
- Angst bzgl. körperlicher Prozesse
- Inadäquates Krankheitsverhalten (unangemessene Vermeidung/Schonung)
- Unangemessene kognitive Schmerzbewältigung (Katastrophisieren)
- Negative soziale Konsequenzen oder Konflikte in bspw. Familie oder Arbeitsplatz
- Fehlzeiten am Arbeitsplatz
- Verhalten des sozialen Umfeldes (bspw. Unverständnis oder sekundärer Krankheitsgewinn)
- Rentenbegehren
Körperliche Untersuchung [1]
- Gynäkologische Untersuchung inkl. Spekulumeinstellung mit geteilten Spekula und bimanueller Palpation
- Inspektion insb. des hinteren Vaginalgewölbes auf tief infiltrierende Endometrioseherde
- Rektale Tastuntersuchung (zur Detektion einer tief infiltrierenden Endometriose)
- Inspektion und Palpation etwaiger Narben
Transvaginale Sonografie [1][20][21][22]
- Adenomyosis uteri
- Direkte Zeichen
- Myometrane Zysten
- Hyperechogene Inseln innerhalb des Myometriums
- Echogene subendometriale Linien und Ausknospungen
- Indirekte Zeichen
- Vergrößerter und kugeliger Uterus
- Asymmetrisches Myometrium (zwischen Vorder- und Hinterwand)
- Fächerförmiger Schallschatten
- (Transläsionale) Vaskularisation
- Fragezeichenphänomen
- Irreguläre und/oder unterbrochene Junktionalzone
- Direkte Zeichen
- Endometriome (ovarielle Schokoladenzysten): Raumforderung mit homogen-echoarmer Binnenstruktur
- Tief-infiltrierende Endometriose des Rektums
- Kissing Ovaries: Hinweis auf eine mittelschwere bis schwere Endometriose und/oder Ureterendometriose
- Negatives Sliding Sign
Ggf. MRT [1]
- Bei Adenomyosis uteri
- Zystische Herde im Myometrium
- Asymmetrie von Uterusvorderwand zur Uterushinterwand (Zeichen einer Muskelhyperplasie)
- Irreguläre und verbreiterte Junktionalzone (>12 mm)
- Weitere Indikationen
- Keine ausreichende diagnostische Sicherung in der TVUS
- Als Zusatzuntersuchung und zur Therapieplanung bei V.a. tief infiltrierende Endometriose
- Zur Diagnostik kleiner Blasenendometrioseherde (<1 cm)
- Bei V.a. Darmwandbefall
- Bei Ureterummauerung
Weitere Untersuchungen
- Niere
- Sonografie bei
- Verdacht auf infiltrierende Endometriose
- Bei Befall des Septum rectovaginale und/oder der Ligg. sacrouterina
- Ovarielle Endometriose
- Endometriose des Ureters
- Kissing Ovaries
- Sonografie bei
- Harnblase
- Sonografie: Zur Detektion einer Blasenendometriose
- Zystoskopie: Bei V.a. Blasenendometriose
- Ureter
- Fachurologische Abklärung: Bei Endometrioseknoten im Septum rectovaginale und V.a. Ureterkompression oder Nierenkelchdilatation
Operativ [23]
- Zeitpunkt: Möglichst prämenstruell, bei Sterilitätspatientinnen in der ersten Zyklushälfte
Diagnostische Laparoskopie [1][2]
Aufgrund der guten bildgebenden diagnostischen Mittel ist eine histologische Diagnosesicherung per Laparoskopie immer seltener erforderlich.
- Ziel: Histologische Diagnosesicherung und therapeutische Interventionen
- Indikationen
- Sterilitätsabklärung
- Persistierende Schmerzen
- Organdestruktion
- Vorgehen
- Probeentnahme der Herde und vollständige Entfernung aller sichtbaren peritonealen Herde anstreben
- Bei Sterilität: Zusätzlich Chromopertubation
- Intraoperative Zeichen einer Adenomyosis uteri
- Vergrößerter Uterus mit kissenartiger Konsistenz
- Blue Sign
Diagnostische Hysteroskopie [1]
- Indikation: Insb. zur Sterilitätsabklärung
- Intraoperative Zeichen einer Adenomyosis uteri
- Hypervaskularisation des Endometriums
- Hyperämes Endometrium mit weißen Punkten (Strawberry Sign)
- Defekte im Endometrium
- Subendometriale hämorrhagische Zysten
Weitere diagnostische Interventionen [1][3]
- Kolorektoskopie
- Rektale Endosonografie
- Kolonkontrasteinlauf
- Zystoskopie
- I.v. Pyelogramm
Pathologie
- Allgemein [1]
- Makroskopisch: Stecknadelkopfartige Läsionen unterschiedlicher Farbe (weißlich, gelb-bräunlich, rötlich, bläulich-violett oder schwarz)
- Mikroskopisch: Endometriale Drüsen und/oder umliegende Stromazellen, CD10-positiv, periläsionale Histiozyten CD68-positiv, ggf. mit Siderophagen
- Ovar: Endometriome (Schokoladenzysten): Durch Einblutung mit brauner Flüssigkeit gefüllt [1]
- Tuba uterina: Salpingitis isthmica nodosa bei 4–6% der Patientinnen [23][24][25][26][27]
- Definition: Knotige Veränderung im Bereich der Tubenabgänge
- Ätiologie: Uneinheitlich
- Folgen: Verminderung der Durchgängigkeit mit Risikoerhöhung für Sterilität und Extrauteringravidität
Zum Vergleich: Normalbefunde
Differenzialdiagnosen
- Allgemein[1][2][28]
- Entzündlich-infektiöse Erkrankungen des Bauchraums
- Neoplasien , Metastasen
- Zystitis
- Colon irritable
- Verspannung der Beckenbodenmuskulatur
- Nephrogenes Adenom
- Mesotheliale Proliferationen
- Postoperativ: Verwachsungen im Bauchraum ohne das Vorliegen einer Endometriose
- Von weiblichen Geschlechtsorganen ausgehend
- Ovarialtumor oder Ovarialzyste
- Uterusmyome, insb. intramurale
- Zervixpolyp, Endometriumpolyp
- Weitere Müllerianosen [28]
- Psychisch
- Depressionen
- Somatisierungsstörungen
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Die Endometriose kann medikamentös oder operativ behandelt werden, eine Heilung ist jedoch nicht möglich. Die Behandlung von Endometriosepatientinnen sollte an einem Zentrum mit einem interdisziplinären Team erfolgen. Aufgrund der nicht ausreichend geklärten Ätiologie ist aktuell keine kausale Therapie möglich. [1]
Medikamentöse Therapie
Multimodale Therapie [1]
Aufgrund der Komplexität der Erkrankung soll das Verständnis des biopsychosozialen Modells in die Behandlung der Endometriose integriert werden (siehe auch: Chronischer nicht-tumorbedingter Schmerz).
- Gynäkologische Betreuung (Aufklärung, medikamentöse Therapie [hormonell und analgetisch], Sexualberatung, ggf. Operation)
- Frühzeitig, insb. bei chronischer Schmerzerkrankung
- Spezielle, multimodale Schmerztherapie
- Psychotherapie, psychosomatische Mitbehandlung
- Physiotherapie
- Osteopathie
- Ernährungstherapie
- Bei starken chronischen Schmerzen: (Teil‑)Stationäre Komplexbehandlung (Psychosomatik, multimodale, interdisziplinäre Schmerztherapie)
Symptomatische Therapie [1]
- Analgetika: NSAR, Novaminsulfon, ggf. Paracetamol
- Indikationen
- Therapierefraktäre Schmerzen unter/nach hormoneller/operativer Therapie
- Kontraindikationen für hormonelle Therapie oder Operation
- Unverträglichkeit einer hormonellen Therapie
- Indikationen
- Supportiv (individueller Therapieversuch)
- Antidepressiva
- Cannabisbasierte Medikamente
- Gabapentinoide (Gabapentin, Pregabalin)
- Paracetamol
- Opioidanalgetika (Abhängigkeit von Opioiden beachten!)
- Nahrungsergänzungsmittel: Pycnogenol (Seekiefer-Rindenextrakt) in Kombination mit Östrogen-Gestagen-Präparaten zur Reduzierung der Dysmenorrhö
- Komplementär: Wärmeanwendungen auf den Unterbauch, Ausdauersport, Krankengymnastik, Entspannungsübungen, TENS, Akupunktur
Hormonelle Therapie [1][2][29][30][31][32]
- Ziel: Amenorrhö und Entzug der ovariellen Östrogene durch
-
Gestagene, GnRH-Analoga, kombinierte orale Kontrazeptiva oder Aromatasehemmer
- Direkte Wirkung an ektopen endometrioiden Zellen
- Hemmung des östrogenabhängigen Wachstums
- Reduktion der Läsionsgröße und -aktivität und der Uterusgröße
-
Gestagene, GnRH-Analoga, kombinierte orale Kontrazeptiva oder Aromatasehemmer
Erstlinientherapie
- Kontinuierliche reine Gestagentherapie mit Dienogest 2 mg
- Wirkmechanismus
- Senkung der LH-/FSH-Freisetzung → Inhibition der ovariellen Steroidbiosynthese → Niedrigere Gestagen- und Östrogenproduktion → Atrophie und Dezidualisierung der Endometrioseherde und verminderte Proliferation des Endometriums
- Hemmung der Angiogenese
- Wirkmechanismus
Zweitlinientherapie
GnRH-Analoga bei Endometriose [1]
- GnRH-Antagonisten (nach frustraner hormoneller Therapie)
- Wirkstoffe, bspw. mit
- Relugolix-Kombinationstherapie (Ryeqo® 40 mg/1 mg/0.5 mg, zugelassen nach vorheriger medikamentöser oder chirurgischer Therapie)
- Linzagolix (Yselty®, zugelassen nach vorheriger medikamentöser oder chirurgischer Therapie) mit Add-back-Therapie
- Elagolix (Orilissa®, Zulassung nur in den USA)
- Wirkmechanismus: Sofortige Blockade der GnRH-Rezeptoren im Hypophysenvorderlappen
- Anwendungshinweise
- Dosisabhängige Wirkung
- Wirkstoffe, bspw. mit
- GnRH-Agonisten
- Anwendung: nasal, bspw. Buserelin
- Wirkmechanismus (bei längerfristiger Anwendung): Medikamentöse Kastration
- Applikationsdauer: 6 Monate
- Mit Add-back-Therapie: >6 Monate
- Nebenwirkungen der GnRH-Analoga: Kopfschmerzen, Obstipation
- ♀: Wechseljahresbeschwerden (z.B. Hitzewallungen, Trockenheit der Vagina, Abnahme der Libido, Verringerung der Knochendichte ) → Add-back-Therapie (zur Verminderung der Nebenwirkungen)
- ♂: Hitzewallungen, Flush, Gynäkomastie
Östrogen-Gestagen-Präparate [1]
- Vornehmlich Dienogest-Ethinylestradiol-Kombination
- Kontinuierliche Einnahme im Langzyklus ohne Menstruationsunterbrechung
- Off-Label Use
Gestagentherapie [1]
- Weitere kontinuierliche Gestagentherapien
- Lokale Gestagenanwendungen: Levonorgestrel-haltige Hormonspirale bei Adenomyosis uteri empfohlen
Bei Therapierefraktärität und sehr ausgeprägten Beschwerden [1]
- Aromatasehemmer, z.B. Anastrozol oder Letrozol
Operative Therapie
Indikationen [1]
- Symptomatische Patientinnen mit tief infiltrierender Endometriose
- Organdestruktion
- Suspektes Erscheinungsbild der ovariellen Endometriose
- Insuffizienz der Hormontherapie
- Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch und Endometriose
Operative Maßnahmen [1][2][3][24]
- Allgemein: Adhäsiolyse
- Peritoneale Endometriose: Möglichst komplette Exzision oder Ablation
- Endometriome: Ausschälung der Schokoladenzysten (vorherige Bestimmung von AMH empfohlen!)
- Adenomyosis uteri
- Exzision von zystischen oder fokalen Herden: Zur Reduktion der Schmerzen und Blutungen
- Hysterektomie (nach abgeschlossener Familienplanung)
- Interventionelle Verfahren : Nur im Rahmen von Studien
- Endometriose des Septum rectovaginale und der Vagina: Komplettresektion der Endometriose (nach frustraner medikamentöser Therapie)
- Ausgedehnter intraperitonealer Befall
- Ggf. Laparotomie bei Ummauerung von Organstrukturen
- Hysterektomie und bilaterale Adnexektomie je nach Alter und Situation
- Extragenitaler Befall: Ggf. operative Resektion nach interdisziplinärer Therapieplanung (nach frustraner medikamentöser Therapie)
Postoperativ [1][3]
- Rezidivprophylaxe nach Endometriose-Operation
- Gestagene, bspw. Dienogest (kontinuierliche Gabe)
- Östrogen-Gestagen-Präparate im Langzyklus
- GnRH-Analoga bei Endometriose [1]
- Anschlussheilbehandlung , insb. bei tief infiltrierender Endometriose bei
- Ausgedehnten Operationen
- Wiederholten Operationen
- Komplexen Verläufen
Komplikationen
- Sterilität
- Endometriome [1]
- Reduktion der ovariellen Reserven
- Mögliche Folgen bei operativer Entfernung
- Reduktion der ovariellen Reserve
- Einschränkung der ovariellen Funktion
- Tuben: Verklebungen, Verwachsungen, Tubenwinkelendometriose [1]
- Eizelle gelangt nicht in das Uteruskavum
- Gleichzeitig erhöhtes Risiko für Extrauteringraviditäten
- Peritoneale Endometriose: Niedrigere Fekundabilität im Vergleich zu Frauen ohne Endometriose [24]
- Mögliche Ursache: Chronische Entzündungsreaktion → Negativer Einfluss auf Eizellen und Implantation [1]
- Endometriome [1]
- Im Rahmen einer Schwangerschaft
- Extrauteringravidität
- Abort
- Frühgeburtlichkeit
- Plazenta praevia
- Vorzeitige Plazentalösung
- Vorzeitiger Blasensprung
- SGA
- IUFT
- Hypertonie
- Erhöhte Rate an Sectiones caesareae (bei Endometriose des Septum rectovaginale)
- Gestationsdiabetes
- Nachbarorgane
- Narbige Verwachsungen können zu Ummauerung und Strikturen von Organstrukturen führen
- Darm: Obstipation bis (Sub‑)lleus (sehr selten!)
- Ureter: Harnstau, Funktionsverlust der Niere
- Narbige Verwachsungen können zu Ummauerung und Strikturen von Organstrukturen führen
- Entartung: Äußerst selten
Durch Befall der Ovarien und Tuben kann es zur Sterilität der Frau kommen!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Rezidive [1][2][3][29]
- Hohe Rezidivrate (20–80%) nach operativer und hormoneller Behandlung
- In Rezidivsituation: Medikamentösen Therapieversuch vor erneuter OP anstreben
- Prognose: Besserung nach der Menopause [1][10][13]
- Veraltet: Besserung nach einer Schwangerschaft möglich [34]
AMBOSS-Podcast zum Thema
CME-Kurs: Endometriose (Juli 2022)
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Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Endometriose
Endometriose – Teil 1
Endometriose – Teil 2
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- N80.-: Endometriose
- N80.0: Endometriose des Uterus
- N80.1: Endometriose des Ovars
- N80.2: Endometriose der Tuba uterina
- N80.3: Endometriose des Beckenperitoneums
- N80.4: Endometriose des Septum rectovaginale und der Vagina
- N80.5: Endometriose des Darmes
- N80.6: Endometriose in Hautnarbe
- N80.8: Sonstige Endometriose
- Thorakale Endometriose
- N80.9: Endometriose, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.