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Pharmakologische Grundlagen

Letzte Aktualisierung: 21.11.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die Wirkung eines Pharmakons ist von multiplen Faktoren abhängig. Die Pharmakokinetik beschäftigt sich dabei mit den Zusammenhängen, wie ein Pharmakon an seinen gewünschten Zielort gelangt, während die Pharmakodynamik die Wirkung am Zielort beschreibt. Medikamente beeinflussen im Rahmen ihrer Metabolisierung die Aktivität von Enzymen (Cytochrom-P450-System) und weisen unterschiedliche Formen von Interaktionen auf. Klinisch bedeutsam ist dies insb. für die Applikation eines Medikaments (topisch, oral, intravenös) sowie für potenzielle Wirkverstärkungen oder -abschwächungen bei gleichzeitiger Einnahme mehrerer Pharmaka. Weiterhin muss bei hepatischer oder renaler Elimination eines Medikaments die Gefahr einer Akkumulation bedacht werden, wenn ein Patient an einer Leber- oder Niereninsuffizienz erkrankt ist.

Übersichttoggle arrow icon

  • Pharmakokinetik: „LADME ist ein Akronym, das die Phasen der Pharmakokinetik umfasst. Es kann weiter in Invasion und Elimination unterteilt werden und steht für:
    • Invasion (Anfluten)
      • Liberation (Freisetzung)
      • Absorption (Resorption)
      • Distribution (Verteilung)
    • Elimination (Abfluten)
      • Metabolisierung
      • Exkretion
  • Pharmakodynamik: Wichtig in diesem Zusammenhang sind:
  • Pharmakogenetik: Befasst sich mit den genetisch bedingten Unterschieden in Arzneimittelmetabolismus und -wirkung

Pharmakokinetiktoggle arrow icon

Die Pharmakokinetik beschreibt, wie ein Pharmakon vom Körper aufgenommen, verteilt, metabolisiert und ausgeschieden wird!

Liberation (Freisetzung)

  • Beschreibt die Freisetzung des Wirkstoffs aus der Darreichungsform, was v.a. für feste Formen (Kapsel, Tablette oder Zäpfchen) relevant ist
  • Generell kommen viele Applikationswege zur Anwendung
    • Intravenös (i.v.)
    • Intramuskulär (i.m.)
    • Subkutan (s.c.)
    • Inhalativ
    • Oral (p.o.)
    • Dermal
    • Rektal
    • Seltenere Formen sind z.B. buccal (auf Wangenschleimhaut), sublingual (unter die Zunge), intraartikulär (in ein Gelenk)

Absorption (Resorption)

Zur Beschreibung der Resorption sind unterschiedliche Größen relevant:

  • Bioverfügbarkeit: Beschreibt, in welcher Geschwindigkeit und Konzentration ein Pharmakon im systemischen Kreislauf erscheint. Die Angabe erfolgt in Prozent der Ausgangskonzentration
    • Die Bioverfügbarkeit ist zum großen Teil von zwei Mechanismen abhängig
      • First-Pass-Effekt: Oral verabreichte Pharmaka sind beim Durchtritt der Leber einer ersten Verstoffwechselung unterworfen, die zu einer geringeren Bioverfügbarkeit führen kann
      • Fähigkeit zur Passage von Membranen: Abhängig vom Substanzcharakter (siehe Tabelle)
  • Bioäquivalenz: Zwei Pharmaka, die sich in ihrer Bioverfügbarkeit bei Anwendung gleicher Dosis nicht unterscheiden
Substanzcharakter Bedeutung Beispiele
Lipophilie
  • Vorwiegend unpolare Substanzen
Hydrophilie
  • Vorwiegend polare Substanzen
  • Passage der Lipiddoppelschicht von Membranen erfordert spezielle Durchtrittsmöglichkeiten
  • Kleinere hydrophile Stoffe können entlang eines Gradienten durch Membranporen diffundieren
  • Ausscheidung v.a. über die Niere
Amphiphilie

Lokalanästhetika, z.B. Lidocain

Distribution (Verteilung)

Nachdem das Pharmakon in die Blutbahn gelangt ist, erfolgt die initiale Verteilung zuerst in die am stärksten durchbluteten(!) Organe!

Wichtig zur Einschätzung der Verteilung in den Geweben sind:

  • Verteilungskoeffizient K = c (Pharmakon in organischem Lösungsmittel) / c (Pharmakon in Wasser)
  • Verteilungsvolumen (V in L/kg) = M (Menge des Pharmakons) / c (Plasmakonzentration des Pharmakons)
  • Plasmaproteinbindung: Pharmaka binden mit unterschiedlicher Affinität an Plasmaproteine (z.B. Albumin)
    • Wirksam ist nur der freie, ungebundene Anteil eines Pharmakons
    • Pharmaka können um die Plasmaproteinbindung konkurrieren

Metabolisierung (Biotransformation)

Die Biotransformation ist eine Reaktion, der sowohl körpereigene als auch körperfremde Stoffe unterworfen sind und die vorwiegend in der Leber abläuft. Die hauptsächliche Aufgabe der Biotransformation ist es, Stoffe zu entgiften und durch chemischen Umbau die nachfolgende Exkretion zu ermöglichen.

  • Kinetik: Im Rahmen der Metabolisierung und Exkretion können bestimmte zeitliche Abläufe (Kinetiken) beobachtet werden
    • Kinetik nullter Ordnung: Die Reaktion läuft mit konstanter Geschwindigkeit und ist unabhängig von der Substratkonzentration (z.B. Abbau von Alkohol)
    • Kinetik erster Ordnung: Die Reaktion verläuft proportional zur Substratkonzentration (gilt für die meisten Pharmaka)
  • Ablauf: Die Biotransformation kann in zwei Phasen unterteilt werden
  • Bedeutung: Die Metabolisierung kann zu folgenden Effekten am Metabolit führen
    • Entgiftung: In den meisten Fällen führen die Reaktionen zu einer Deaktivierung des Pharmakons mit Steigerung der Hydrophilie → Ermöglicht Ausscheidung über Niere oder Galle
    • Aktivierung: Überführung von Prodrugs in ihre aktive Wirkform
    • Giftung: Entstehung von toxischen Metaboliten

Die Biotransformation ist nicht grundsätzlich eine nützliche Reaktion für den Organismus!

Exkretion

  • Clearance: Maß für Eliminationsleistung = fiktives Plasmavolumen, das innerhalb eines bestimmten Zeitraums vollständig von einer gegebenen Substanz befreit wird (→ z.B. Kreatinin-Clearance)
  • Halbwertszeit (HWZ): Zeitraum, in dem die Plasmakonzentration eines Pharmakons die Hälfte der Ursprungskonzentration erreicht hat
    • Kontextsensitive Halbwertszeit: Von der Applikationsdauer abhängige Halbwertszeit eines Pharmakons [1] [2]

Nach 4 Halbwertszeiten sind mehr als 90% der Substanz eliminiert!

Je nach Stoffeigenschaft stehen unterschiedliche Formen der Exkretion zur Verfügung:

Pharmakodynamiktoggle arrow icon

Die Pharmakodynamik beschreibt, wie das Medikament an seinem Zielort in Abhängigkeit von der Dosis und anderen Faktoren wirkt!

Rezeptortypen

Jedes Molekül mit Funktion im Organismus kann ein Angriffspunkt für Pharmaka sein:

Interaktion zwischen Rezeptor und Pharmakon

  • Affinität: Bezeichnet die Stärke der Bindung eines Pharmakons an den Rezeptor
  • Agonist: Das gebundene Pharmakon hat einen ähnlichen Effekt wie der natürliche Transmitter (z.B. β2-Agonisten)
  • Antagonist : Das Pharmakon reduziert oder hemmt die Wirkung eines Agonisten
    • Kompetitiv: Agonist und Antagonist konkurrieren um den gleichen Rezeptor (bspw. Acetylcholin und nicht-depolarisierende Muskelrelaxantien)
    • Nicht-kompetitiv: Bindung außerhalb des Rezeptorareals führt zu einer Änderung der räumlichen Struktur des Rezeptors
    • Funktionell: Unterschiedliche Wirkorte zweier Transmitter, die in ihrer Funktion gegensätzlich sind
  • Partialagonist: Entfaltet eine agonistische Wirkung am Rezeptor, die aber geringer als die Wirkung eines reinen Agonisten ist

Dosis-Wirkungs-Beziehung

Die Zusammenhänge zwischen Wirkstoffkonzentration und Wirkung eines Pharmakons werden mit den folgenden Begriffen beschrieben:

  • Effektivdosis (ED): Menge an verabreichtem Wirkstoff, bei dem ein bestimmtes Wirkungsausmaß (Effektivität in %) erreicht wird
    • Schreibweise: Bspw. ED50 = 50% der maximalen Wirkstärke
  • Effektivität (Maximalwirkung): Maximales Wirkungsausmaß (Wirksamkeit) eines Wirkstoffes
  • Ceiling-Effekt (Sättigungseffekt): Nach Erreichen des max. Wirkungsausmaßes kann trotz Dosiserhöhung keine stärkere Wirkung erzielt werden
  • Letale Dosis (LD): Gibt die im Tierversuch ermittelte letale Dosis eines Wirkstoffs an
  • Therapeutische Breite (Quotient LD50/ED50): Dosisspanne zwischen therapeutischer und tödlicher Wirkung; je größer die therapeutische Breite, desto sicherer ist ein Medikament
  • Potenz (Potency): Maß für die Wirkstärke eines Pharmakons bezogen auf die Dosis
    • Gemessen wird, welche Menge eines Pharmakons benötigt wird, um die ED50 zu erreichen
  • Non-Response: Nicht-Ansprechen eines Patienten auf eine medikamentöse Therapie trotz adäquater Dosierung und Dauer

Bei wiederholter Gabe kann sich die Wirkung eines Pharmakons verringern:

  • Toleranz
    • Mechanismen der Toleranzentwicklung umfassen z.B. die Down-Regulation von Rezeptoren oder die Induktion von metabolisierenden Enzymen
    • Durch Dosissteigerung meist zu durchbrechen
  • Tachyphylaxie
    • Der zugrundeliegende Mechanismus ist die Leerung von körpereigenen Speichern
    • Keine Durchbrechung durch Dosissteigerung möglich

Pharmakogenetiktoggle arrow icon

Die Pharmakogenetik befasst sich mit den genetisch bedingten Unterschieden in Enzymen, die zu Veränderungen von Arzneimittelmetabolismus und -wirkung führen.

Ist das betroffene Enzym am Abbau des Pharmakons beteiligt, kommt es bei:

  • Hyperaktiven Varianten des Enzyms zu einer verringerten Wirkung
  • Hypoaktiven Varianten des Enzyms zu einer Kumulationsneigung mit verstärkten Nebenwirkungen

Ist das betroffene Enzym an der Aktivierung des Medikaments beteiligt, sind die Auswirkungen entsprechend umgekehrt.

Medikamenteninteraktionen und Cytochrom-P450-Systemtoggle arrow icon

Interaktionen

  • Interaktionen manifestieren sich durch Wirkungsverstärkungen bzw. -abschwächungen sowie Nebenwirkungen
  • Pharmaka↑ ≈ Interaktionen↑
  • Größtes Interaktionspotenzial bei Enzyminduktoren des Cytochrom-P450-Systems

Bei Arzneimittelinteraktionen mit Wirkungsverstärkung bzw. -abschwächung sollte eine Dosisanpassung oder ein Substanzwechsel in Betracht gezogen werden!

Cytochrom-P450-System

  • Grundlagen
    • Eine CYP-Induktion führt zu einer beschleunigten Umsetzung der Substrate, eine CYP-Inhibition zu einer verlangsamten
      • Wird ein Substrat über CYP abgebaut, kommt es durch eine Induktion zu einer Wirkungsabschwächung und durch eine Inhibition zu einer Wirkungsverstärkung
      • Wird ein Substrat über CYP aktiviert , kommt es durch eine Induktion zu einer Wirkungsverstärkung und durch eine Inhibition zu einer Wirkungsabschwächung
  • Pharmakogenetik: CYP2D6
    • Ultrarapid Metabolizer: Bei CYP2D6 kann es aufgrund einer Genduplikation auf Chromosom 22 zu einer Überaktivität des Enzyms kommen. Bei diesen Patienten müssen deutlich höhere Dosen für die gleiche Wirkung eingesetzt werden!

Carbamazepin bewirkt eine Autoinduktion des CYP3A4-Metabolismus! Daher muss bei langfristiger Gabe eine Dosiserhöhung erfolgen!

Rifampicin und Carbamazepin gehören zu den stärksten Induktoren, sodass mit zahlreichen Interaktionen zu rechnen ist!

CYP Substrate (Auswahl)
Inhibitoren (Auswahl) Induktoren (Auswahl)
CYP1A2
CYP2C CYP2C19
CYP2C9
CYP2D6

CYP3A

CYP3A4

CYP3A5

CYP3A7

CYP2B6

P-Glykoprotein (P-gp)

Patienteninformationentoggle arrow icon

Quellentoggle arrow icon

  1. Ippolito et al.:Opioide in der AnästhesieIn: Arzneimitteltherapie. Band: 34, Nummer: 7/8, 2016, p. 235-242.
  2. Striebel: Anästhesie - Intensivmedizin - Notfallmedizin. 9. Auflage Schattauer 2016, ISBN: 978-3-794-52995-7.
  3. Lüllmann et al.: Pharmakologie und Toxikologie. 15. Auflage Thieme 2002, ISBN: 3-133-68515-5.
  4. Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2012.
  5. Wehling: Klinische Pharmakologie. 2. Auflage Thieme 2011, ISBN: 978-3-131-60282-4.
  6. Freissmuth et al.: Pharmakologie und Toxikologie. Springer 2012, ISBN: 978-3-642-12353-5.
  7. Hukkanen et al.:Effect of nicotine on cytochrome P450 1A2 activityIn: British Journal of Clinical Pharmacology. Band: 72, Nummer: 5, 2011, doi: 10.1111/j.1365-2125.2011.04023.x . | Open in Read by QxMD p. 836-838.

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