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Drohende Frühgeburt

Letzte Aktualisierung: 20.4.2023

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Eine Frühgeburt bezeichnet ein Neugeborenes vor der abgeschlossenen 37. SSW (bis 36+6 SSW). Eine drohende Frühgeburt kann sich durch einen frühen vorzeitigen Blasensprung, eine vorzeitige Wehentätigkeit oder auch symptomlos durch eine Zervixinsuffizienz ankündigen. Die Diagnostik erfolgt mittels CTG, Sonografie sowie ggf. biochemischer Tests. Aufgrund erhöhter peripartaler Morbidität und Mortalität Frühgeborener werden daher abhängig vom Gestationsalter verschiedene Maßnahmen ergriffen (Tokolyse, Lungenreifeinduktion, peripartale antibiotische Therapie), um eine drohende Frühgeburt abzuwenden bzw. das Komplikationsrisiko zu minimieren.

Perinatale Mortalität in Deutschland [1]
SSW Mortalitätsrate
<28. SSW Ca. 33%

28.–31. SSW

Ca. 8%
32.–36. SSW 1–2%
Am Termin 0,1%

Die Ätiologie der Frühgeburt beruht meist auf mehreren Faktoren, die klinisch in ein oder mehrere Leitsymptome (früher vorzeitiger Blasensprung, vorzeitige Wehentätigkeit, Zervixinsuffizienz) münden. Dabei sind etwa ⅔ aller Frühgeburten die Folge von vorzeitigen Wehentätigkeiten .

Maternale Risikofaktoren [2][3]

Fetale Risikofaktoren [2][3]

Iatrogene Risikofaktoren

Die Begriffe Amnioninfektionssyndrom und Chorioamnionitis wurden durch den Begriff „Triple I“ abgelöst, um maternales Fieber von einer intrauterinen Infektion und/oder Inflammation zu unterscheiden.

Definition

Ätiologie

Klinik

Diagnostik

Eine Amniozentese ist nur in Ausnahmefällen (bspw. bei unklarem maternalem Infektionsherd) indiziert!

Komplikationen

Therapie

[6]

Früher vorzeitiger Blasensprung (P-PROM)

Vorzeitige Wehentätigkeit

Etwa ⅔ aller Frühgeburten sind Folge vorzeitiger Wehentätigkeiten! [1]

Zervixinsuffizienz

Die Diagnose „drohende Frühgeburt“ ist komplex, da viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Die unterschiedlichen Ursachen der Frühgeburtlichkeit müssen untersucht werden. Des Weiteren gibt es spezifische Tests, anhand derer Aussagen über die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt getroffen werden können.

(Kardio‑)Tokogramm [3]

Vaginale Untersuchung

  • Ziel: Palpatorische Beurteilung von Zervix und Muttermund
  • Beurteilung: Mögliche Anzeichen einer drohenden Geburt
    • Verkürzung der Zervix
    • Beginnende Öffnung des Muttermundes
  • Besonderheiten bei P-PROM: Untersuchung nur mit sterilem Spekulum

Patientinnen mit P-PROM dürfen wegen der Gefahr einer aufsteigenden Infektion nicht digital untersucht werden!

Sonografie

Transabdominale Sonografie

Transvaginale Sonografie [1][8]

  • Indikation
    • Kontraktionen und palpatorisch beginnende Verkürzung/Eröffnung des Muttermundes
    • Bei V.a. Zervixinsuffizienz
    • Z.n. Frühgeburt in der Anamnese: Messung ab der 16. SSW
    • Geminigravidität: Messung ab der 16. SSW erwägen
  • Durchführung : Sonografische Darstellung von
    • Zervixlänge (Messung vom inneren zum äußeren Muttermund)
    • Möglicher Trichterbildung am inneren Muttermund
Grenzwerte der Zervixlänge in der Schwangerschaft
Schwangerschaftswoche Zervixlänge
Normwerte <22. SSW >40 mm
22–32. SSW 40 mm
>32. SSW 35 mm
Verkürzung <34+0 SSW ≤25 mm

Labor- und Infektionsdiagnostik

Tests auf Frühgeburtlichkeit

  • Fibronektin-Test
    • Indikation: Nur sinnvoll bei symptomatischen Patientinnen mit verkürzter Zervix
    • Zeitpunkt: 22+0–34+0 SSW
    • Durchführung
      • 24 h vor Probenentnahme vaginale Manipulation vermeiden
      • Schnelltest mittels eines Teststreifens: Abstrich aus dem hinteren Vaginalgewölbe
    • Aussagekraft für das Frühgeburtsrisiko innerhalb von 7 Tagen
      • Hoher negativer prädiktiver Wert bei Zervixlänge zwischen 15–30 mm
      • Zusatzkriterium bei Entscheidung für oder gegen therapeutische Maßnahmen
  • Nachweis von plazentarem α-Mikroglobulin (PAMG-1): Partosure®
    • Zeitpunkt: 19+0–36+0 SSW
    • Durchführung
      • 6 h vor Probenentnahme vaginale Manipulation vermeiden
      • Schnelltest mittels eines Teststreifens: Abstrich aus dem hinteren Vaginalgewölbe
    • Aussagekraft
      • Hohe Spezifität und Sensitivität bei einer Zervixlänge zwischen 15–30 mm
      • Gutes Zusatzkriterium bei einer Zervixlänge <25 mm
  • Weiterführende Diagnostik siehe auch: Diagnostik des Blasensprungs

Die Bestimmung von Biomarkern sollte auch bei Risikopatientinnen nur dann erfolgen, wenn Symptome vorliegen!

Behandlungsoptionen bei drohender Frühgeburt

Ziel der Therapie ist die Verbesserung des fetalen Outcomes. Diese kann je nach Situation durch Verlängerung oder Beendigung der Schwangerschaft erzielt werden. Grundsätzlich sollte vor der abgeschlossenen 34. SSW eine Schwangerschaftsverlängerung von mind. 48 Stunden zugunsten einer Lungenreifeinduktion erfolgen, sofern keine akut vitale Gefährdung für Mutter oder Kind vorliegt.

Lungenreifeinduktion

Tokolyse [3][9]

Die medikamentöse Wehenhemmung (Tokolyse) soll das Risiko einer Frühgeburt und damit verbundene (Langzeit‑)Schäden für das Kind reduzieren, indem die Schwangerschaft um einige Tage verlängert wird. Die gewonnene Zeit kann genutzt werden, um eine Lungenreifeinduktion und/oder eine Verlegung in ein Perinatalzentrum durchzuführen. Eine Fortführung der Tokolyse über den Abschluss der Lungenreife hinaus (>48 Stunden) führt nicht zur Senkung der Frühgeburtlichkeitsrate.

Indikationen

Kontraindikationen

Tokolytika

Es gibt eine Vielzahl von Tokolytika mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen in der Anwendung. Im klinischen Alltag erfolgt die Auswahl des passenden Tokolytikums individuell und unterscheidet sich von Klinik zu Klinik. Aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils wird der Einsatz von Betamimetika international nicht mehr empfohlen, dennoch ist Fenoterol weiter zur Tokolyse zugelassen. Andererseits wird trotz Off-Label Use Nifedipin zur Tokolyse empfohlen.

Durchführung

Die Kombination von Tokolytika sollte vermieden werden!

Eine Dauertokolyse über mehr als 48 Stunden ist nicht indiziert!

Kindliche Neuroprotektion [1]

Die folgenden Maßnahmen sollen mögliche Hirnschäden beim unreifen Neugeborenen vermeiden oder abmildern.

Psychosomatische Begleitung [1]

Spezifisches situatives Vorgehen

Prozedere bei frühem vorzeitigen Blasensprung [10]

In der Literatur wird ein an der SSW orientiertes Prozedere sehr unterschiedlich dargestellt, zumal jedes Krankenhaus diesbezüglich eigene Vorgaben hat. Die hier dargestellte Vorgehensweise ist demnach beispielhaft und kann eine konkrete Einzelfallentscheidung nicht ersetzen.

Allgemeine Maßnahmen

Blasensprung <22. SSW

Blasensprung zwischen 22+0 und 23+6 SSW

Blasensprung zwischen 24+0 und 33+6 SSW

Blasensprung >34. SSW

Prozedere bei vorzeitiger Wehentätigkeit

Tokolyse

Lungenreifeinduktion

Körperliche Schonung [9]

  • Häufig empfohlen aufgrund klinischer Erfahrungswerte, jedoch keine Evidenz zur Vermeidung der Frühgeburtlichkeit
  • I.d.R. keine strenge Immobilisation wegen des steigenden Thromboserisikos!

Prozedere bei Zervixinsuffizienz [3][11]

Progesteron [1]

  • Indikation: Zervixlänge ≤25 mm vor der 24+0 SSW
  • Durchführung: Progesteron

Pessartherapie

Cerclage der Zervix [13]

Totaler Muttermundverschluss [3]

Allgemeine Besonderheiten

Sectio caesarea bei Frühgeborenen

Nach einem uterinen Längsschnitt besteht in einer Folgeschwangerschaft erhöhte Rupturgefahr und die Indikation zu einer primären Re-Sectio!

Vaginal operative Entbindung bei Frühgeborenen

Febriler Abort [15][16][17]

Dead-Fetus-Syndrom [7][19][20]

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

O34.-: Betreuung der Mutter bei festgestellter oder vermuteter Anomalie der Beckenorgane

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

  1. Römer et al.: Pschyrembel Gynäkologie und Geburtshilfe. 3. Auflage. Auflage de Gruyter 2012, ISBN: 978-3-119-15915-9 .
  2. Goerke et al.: Klinikleitfaden Gynäkologie Geburtshilfe. Elsevier Health Sciences 2018, ISBN: 978-3-437-22205-4 .
  3. Dulay et al.: Septischer Abort In: MSD Manual. 2019, .
  4. Kirschbaum et al.: Checkliste Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme 2005, ISBN: 978-3-131-26292-9 .
  5. Schneider et al.: Die Geburtshilfe. Springer 2016, ISBN: 978-3-662-45063-5 .
  6. Bick et al.: Hematological Complications in Obstetrics, Pregnancy, and Gynecology. Cambridge University Press 2006, ISBN: 978-0-511-52697-8 .
  7. Kühnert: Notfallsituationen in der Geburtshilfe. de Gruyter 2009, ISBN: 978-3-110-21379-9 .
  8. Slattery et al.: Preterm delivery In: THE LANCET. Band: 360, 2002, .
  9. Uhl: Gynäkologie und Geburtshilfe compact. Georg Thieme Verlag 2018, ISBN: 978-3-131-07346-4 .
  10. Adam, Oduncu: Hämatologische Erkrankungen in der Schwangerschaft In: Der Gynäkologe. Band: 45, Nummer: 2, 2012, doi: 10.1007/s00129-011-2877-5 . | Open in Read by QxMD p. 95-102.
  11. Moutquin: Socio-economic and psychosocial factors in the management and prevention of preterm labour. In: BJOG : an international journal of obstetrics and gynaecology. Band: 110 Suppl 20, 2003, p. 56-60.
  12. S2k-Leitlinie Prävention und Therapie der Frühgeburt. Stand: 1. Februar 2019. Abgerufen am: 15. Januar 2020.
  13. Gründler et al.: Zervixlänge und zervikouteriner Winkel in der Prädiktion einer Frühgeburt – eine prospektive Kohortenanalyse In: 29. Deutscher Kongress für Perinatale Medizin. Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) – „Hinterm Horizont geht's weiter, zusammen sind wir stark“. 2019, doi: 10.1055/s-0039-3401213 . | Open in Read by QxMD .
  14. Schleußner: The Prevention, Diagnosis and Treatment of Premature Labor In: Deutsches Aerzteblatt Online. 2013, doi: 10.3238/arztebl.2013.0227 . | Open in Read by QxMD .
  15. Leitlinie zur Prophylaxe der Neugeborensepsis – frühe Form – durch Streptokokken der Gruppe B 2016. Stand: 1. März 2016. Abgerufen am: 18. Dezember 2018.
  16. Kyvernitakis et al.: Drohende Frühgeburt: wann Cerclage – wann Pessar – wann Progesteron? In: gynäkologische praxis. Band: 41, 2017, .
  17. Goya et al.: Cervical pessary in pregnant women with a short cervix (PECEP): an open-label randomised controlled trial In: The Lancet. Band: 379, Nummer: 9828, 2012, doi: 10.1016/s0140-6736(12)60030-0 . | Open in Read by QxMD p. 1800-1806.
  18. Spätling et al.: Cerclage und totaler Muttermundverschluss – wann ist was indiziert? Technik und retrospektive Studie In: gynäkologische praxis. 2015, .
  19. Moore et al.: Relationship of trimester-specific smoking patterns and risk of preterm birth In: American Journal of Obstetrics and Gynecology. Band: 215, Nummer: 1, 2016, doi: 10.1016/j.ajog.2016.01.167 . | Open in Read by QxMD p. 109.e1-109.e6.
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  21. Goerke et al.: Klinikleitfaden Gynäkologie, Geburtshilfe. 7. Auflage Urban & Fischer 2010, ISBN: 3-437-22213-9 .
  22. Haag et al.: Gynäkologie und Urologie (2012/13). 6. Auflage Medizinische Verlags- und Informationsdienste 2012, ISBN: 3-929-85175-x .
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  24. Kainer et al.: Facharztwissen Geburtsmedizin. Urban & Fischer 2016, ISBN: 978-3-437-23752-2 .
  25. Wallwiener et al.: Atlas der gynäkologischen Operationen. 7. Auflage Thieme 2008, ISBN: 978-3-133-57007-7 .
  26. Schmoll et al.: Capecitabine Plus Oxaliplatin Compared With Fluorouracil/Folinic Acid As Adjuvant Therapy for Stage III Colon Cancer: Final Results of the NO16968 Randomized Controlled Phase III Trial In: Journal of Clinical Oncology. Band: 33, Nummer: 32, 2015, doi: 10.1200/jco.2015.60.9107 . | Open in Read by QxMD p. 3733-3740.
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  28. Schneider et al.: Die Geburtshilfe. Springer 2007, ISBN: 978-3-540-33897-0 .