Zusammenfassung
Die Orthopädie und Unfallchirurgie bietet ein breites Eingriffsspektrum und behandelt Personen aller Altersklassen. Während orthopädische Eingriffe wie Hüft- und Knie-TEP häufig Ältere betreffen, werden unfallchirurgische Eingriffe wie Radiusfraktur oder Sprunggelenksfraktur gleichermaßen bei Kindern, Personen mittleren Alters und Älteren durchgeführt, wobei die Verletzungsmuster altersabhängig variieren. Viele Eingriffe können ausschließlich oder in Kombination mit Regionalanästhesieverfahren durchgeführt werden, die auch für die postoperative Schmerztherapie genutzt werden können. Die Auswahl des geeigneten Anästhesieverfahrens in Absprache mit der operierenden Fachabteilung ist hierbei entscheidend für einen komplikationsarmen Verlauf.
Die Vorbereitung und Lagerung ist häufig spezifisch für den jeweiligen Eingriff und muss für die Planung der Anästhesie ebenso berücksichtigt werden wie die voraussichtliche OP-Dauer und der erwartbare Blutverlust. Insb. bei größeren Eingriffen wie dem TEP-Wechsel oder einer Spondylodese über mehrere Etagen ist zudem das Patient Blood Management für die perioperative Reduktion von Blutverlusten essenziell. Eine spezielle Komplikation, insb. bei Hüft- und Knie-TEP, ist die Knochenzementreaktion, bei der es durch Einbringen von Knochenzement zu einer (meist vorübergehenden) Hypoxämie, Hypotonie und Tachykardie kommt.
Dieses Kapitel behandelt elektive und dringliche Eingriffe der Orthopädie und Unfallchirurgie, für das Vorgehen bei traumatologischen Notfällen oder Polytrauma siehe: Schockraumversorgung.
Anatomische und physiologische Grundlagen
Anatomische Grundlagen
Obere Extremität
Schulter und Schultergürtel
Untere Extremität
Wirbelsäule
Physiologische Grundlagen
Frakturlehre
- Einteilung nach Ätiologie
- Traumatische Fraktur: Durch direktes oder indirektes Trauma
- Atraumatische Fraktur: Bei physiologischer Belastung
- Pathologische Fraktur (bspw. durch Metastasen)
- Stressfraktur (bspw. durch permanente Belastung oder Osteoporose)
- Einteilung nach Bruchmechanik: Bspw. Biegungsfraktur, Abrissfraktur
- Einteilung nach AO-Klassifikation
- Weitere Unterscheidungskriterien: Morphologie , Dislokation , Weichteilverletzung
Knochenheilung
- Primäre Frakturheilung mit Bildung von Lamellenknochen
- Keine Kallusbildung
- Nur bei anatomischer Stellung und absoluter Stabilität
- Sekundäre Frakturheilung mit Bildung von Geflechtknochen
- Mit Kallusbildung
- Bei Bewegung zwischen Fragmenten bzw. relativer Stabilität
Typische Eingriffe
Häufige Frakturen im Erwachsenenalter [1]
- Oberschenkelhalsfraktur
- Pertrochantäre Femurfraktur
- Distale Radiusfraktur
- Proximale Humerusfraktur
- Wirbelkörperfraktur der Lendenwirbel
- Beckenringfraktur
- Sprunggelenksfraktur
- Rippenserienfraktur
- Wirbelkörperfraktur der Brustwirbel
- Claviculafraktur
Operative Verfahren der Unfallchirurgie/Orthopädie
- Osteosynthese: Wiederherstellung der Kontinuität eines Knochens
- Endoprothetik: Gelenkersatz bei degenerativer oder traumatischer Gelenkveränderung
- Hemi-Endoprothese (HEP)
- Total-Endoprothese (TEP)
- Chirurgische Amputation: Ultima Ration bzw. bei vitaler Bedrohung
Eingriffe an der oberen Extremität
Eingriffe an Hand und Unterarm [2]
- OPs häufig in Blutleere
- Alleinige Regionalanästhesie typischerweise gut möglich , bspw.
- Je nach Komplexität der Verletzung auch lange OP-Dauer möglich
- Lagerung meist Rückenlage und Auslagerung des betroffenen Arms auf Armtisch
Distale Radiusfraktur
- Variable OP-Dauer je nach Komplexität und gewähltem Osteosyntheseverfahren
- Blutverlust typischerweise gering (insb. bei OP in Blutleere)
- I.d.R. Anlage eines Gipsverbandes am OP-Ende
Karpaltunnelsyndrom
- Endoskopische oder offene Karpaldachspaltung
- Typischerweise (sehr) kurze OP-Dauer
- Durchführung häufig als ambulanter Eingriff
- Siehe auch: Ambulante Anästhesie
Dupuytren-Kontraktur
- Chirurgische Therapieoptionen
- Perkutane Nadelfasziotomie
- Fasziektomie
- Dermatofasziotomie
- Siehe auch: Morbus Dupuytren - Therapie
- OP-Dauer sehr variabel je nach Ausprägung der Kontraktur
Eingriffe am Ellenbogen
- OPs häufig in Blutleere
- Alleinige Regionalanästhesie grundsätzlich möglich, bspw. supraklavikuläre Plexusblockade
- Lagerung je nach Verletzungsmuster und OP-Verfahren in Rücken-, Seiten- oder Bauchlagerung
Eingriffe an Oberarm und Schulter
- Durchführung meist in Allgemeinanästhesie
- Zusätzliche Regionalanästhesie zur intra- und postoperativen Schmerztherapie sinnvoll, bspw. interskalenäre Plexusblockade
- Lagerung je nach Verletzungsmuster und OP-Verfahren in Beach-Chair-Lagerung, Rücken- oder Seitenlagerung
Proximale Humerusfraktur
- Chirurgische Therapieoptionen
- Gelenkerhaltende Osteosynthese
- Gelenkersetzende Endoprothetik (Schultergelenkprothese)
- Siehe auch: Therapie der proximalen Humerusfraktur
- OP-Dauer variabel je nach Komplexität der Fraktur und Osteosyntheseverfahren
- Größere Blutverluste insb. bei gelenkersetzenden Verfahren möglich
Schulterarthroskopie
- OP-Dauer variabel je nach Indikation (diagnostisch, therapeutisch)
- Mögliche Komplikationen durch Einsatz von Spülflüssigkeit beachten [4][5]
Eingriffe an der unteren Extremität
Eingriffe an Fuß und Unterschenkel [2]
- OPs häufig in Blutleere
- Alleinige Regionalanästhesie typischerweise gut möglich, bspw.
- Lagerung meist in Rückenlage
Sprunggelenksfraktur
- Chirurgische Therapieoptionen
- Offene Reposition und innere Stabilisierung der Fraktur (ORIF)
- Direkte Bandnaht
- Anlage eines Fixateur externe
- Siehe auch: Primär operative Therapie bei Sprunggelenksfrakturen
- Lagerung variabel je nach Zugangsweg
Eingriffe am Kniegelenk [2]
- OPs häufig in Blutleere
- Alleinige Regionalanästhesie grundsätzlich möglich, bspw.
- Komplexere Eingriffe meist in Allgemeinanästhesie oder Kombinationsanästhesie
- Lagerung meist Rückenlage
Endoprothetik des Kniegelenks [2]
- Chirurgische Therapieoptionen
- Blutverlust bei Blutsperre i.d.R. minimal, ohne Blutsperre ca. 250–500 mL
- Risikofaktoren für eine Knochenzementreaktion beachten
- Postoperativ starke Schmerzen zu erwarten
Kniearthroskopie
- OP-Dauer variabel je nach Indikation (diagnostisch, therapeutisch)
- Mögliche Komplikationen durch Einsatz von Spülflüssigkeit beachten [6]
Eingriffe an Oberschenkel und Hüfte [2]
- Alleinige Regionalanästhesie grundsätzlich möglich, bspw.
- Komplexere Eingriffe meist in Allgemeinanästhesie
- Lagerung meist Rückenlage bzw. auf Extensionstisch
Proximale Femurfraktur
- Einteilung nach Lokalisation
- Chirurgische Therapieoptionen
- Osteosynthese, meist intramedulläre Fixierung (Schraubenosteosynthese, Gammnagel, proximaler Femurnagel)
- Endoprothetischer Gelenkersatz
- Siehe auch: Hüftkopferhaltende Verfahren bei proximaler Femurfraktur
Endoprothetik des Hüftgelenks [2]
- Chirurgische Therapieoptionen
- Blutverlust ca. 500 mL (teilweise auch deutlich mehr, insb. bei TEP-Wechsel)
- Insb. bei komplexen Eingriffen und älteren bzw. vorerkrankten Personen großzügig erweitertes hämodynamisches Monitoring, Bereitstellung von EKs und Anlage eines Harnblasenkatheters
- Risikofaktoren für eine Knochenzementreaktion beachten
- Postoperative Aufnahme auf eine Intensiv- oder Intermediate-Care-Station erwägen
Eingriffe an der Wirbelsäule
Kyphoplastie [7]
- Durchführung in Bauchlagerung und Allgemeinanästhesie
- Schlechte Erreichbarkeit von Tubus und Infusionsleitungen durch Lagerung und Bildwandler beachten
- Minimalinvasiver Eingriff (Blutverlust typischerweise gering)
- Beim Füllen des Hohlraums Knochenzementreaktion möglich
Spondylodese [7]
- Durchführung in Allgemeinanästhesie
- Lagerung abhängig von der OP-Technik [8], bspw.
- PLIF, TLIF: Bauchlagerung
- ALIF: Rückenlagerung
- OLIF: Rechts-Seitenlagerung
- OP-Dauer sehr variabel je nach Zahl der betroffenen Etagen
- Insb. bei Mehretagen- und Revisionseingriffen hoher Blutverlust möglich
- Bei ventraler Spondylodese im BWS-Bereich ggf. Einlungenventilation erforderlich [9]
- Bei Eingriffen an der HWS besonders sorgfältige Planung des Atemwegsmanagements erforderlich
- Bei eingeschränkter Reklination als Prädiktor einer schwierigen direkten Laryngoskopie Videolaryngoskopie bevorzugen [10]
- Bei instabiler Verletzung der HWS Atemwegssicherung unter Erhalt der Spontanatmung (fiberoptische Wachintubation) [10]
- Postoperative Aufnahme auf eine Intensiv- oder Intermediate-Care-Station erwägen
Präoperative Anamnese und Diagnostik
Allgemeine präoperative Einschätzung
- Für allgemeine Grundlagen der präoperativen anästhesiologischen Einschätzung siehe: Präoperative Evaluation und Aufklärung in der Anästhesiologie
- Für allgemeine Empfehlungen zur (erweiterten) präoperativen Diagnostik sowie zum Umgang mit einer vorbestehenden Dauermedikation siehe:
- Für die klinische Funktionsprüfung des Nervensystems siehe: Neurologische Untersuchung [2]
Zur späteren Abgrenzung von Lagerungsschäden, operativem Trauma und Nervenläsion durch Anlage einer Regionalanästhesie ist die Dokumentation des neurologischen Status vor und nach der OP essenziell! [2]
Spezielle präoperative Einschätzung [2]
- Eingriffe in Regionalanästhesie
- Berücksichtigung von geplanter Lagerung, OP-Dauer und Eignung der operierten Person
- Sicherstellen der empfohlenen Sicherheitsabstände bei rückenmarksnaher Regionalanästhesie unter Antikoagulation
- Rheumatische oder deformierende Grunderkrankung
- Abklärung einer möglichen schwierigen Intubation (insb. Beweglichkeit der HWS)
- Ggf. Einnahme von Glucocorticoiden oberhalb der Cushingschwelle
- Endoprothetik: Identifikation von Risikofaktoren für eine Knochenzementreaktion
- Größere Eingriffe: Besonders sorgfältige perioperative Planung unter Berücksichtigung von OP-Dauer, Vorerkrankungsprofil und Blutungsrisiko
- Bereitstellung von Blutprodukten
- Planung und Aufklärung für erweitertes hämodynamisches Monitoring
- Planung postoperativer Überwachung, siehe auch: Aufnahmekriterien für die Intensiv- und Intermediate-Care-Station
Anästhesiologische Besonderheiten
Allgemeine Hinweise [2]
- Sehr breites Altersspektrum, siehe auch:
- Häufiger Einsatz intraoperativer radiologischer Diagnostik
- Insb. bei Osteosynthesen bzw. Kyphoplastie
- Eingeschränkter Zugang zu Patient:in durch Bildwandler/C-Bogen
- Auf adäquaten Strahlenschutz für Patient:in und Personal achten
- Teilweise spezielle Lagerung
- Abhängig von Eingriff und Operateur:in
- Ggf. bereits Schmerztherapie zur Umlagerung nötig
- Berücksichtigung bei Anlage des Monitorings und Wahl der Atemwegssicherung
- Beeinträchtigung von Hämodynamik und maschineller Beatmung möglich
- Siehe auch: Patientenlagerung im OP - Komplikationen
- Hoher Blutverlust möglich, insb. bei größeren Eingriffen
- Ausreichende Bereitstellung von Blutprodukten erforderlich
- Adäquate Gefäßzugänge für Volumentherapie essenziell
- Gabe von Tranexamsäure bei endoprothetischen OPs an Hüft- und Kniegelenk [11]
- Durchführung: Intravenöse Gabe in Absprache mit operierender Person und nach Ausschluss von Kontraindikationen
- Indikation je nach thromboembolischem Risiko
- Für fremdblutsparende Maßnahmen siehe: Patient Blood Management
- Für das Vorgehen bei massiver Blutung siehe: Massivtransfusion - AMBOSS-SOP
- Muskelrelaxierung zur Optimierung der OP-Bedingungen
- Interdisziplinäre Absprache über Notwendigkeit einer Muskelrelaxierung , insb. bei
- Intraoperativer Luxation bzw. Reposition großer Gelenke (bspw. Hüft-TEP, Knie-TEP)
- Reposition von Frakturen großer Röhrenknochen (bspw. Femurfraktur)
- Fixierung dislozierter Knochenfragmente oder Sehnen (bspw. Olecranonfraktur oder Bizepssehnenruptur)
- Interdisziplinäre Absprache über Notwendigkeit einer Muskelrelaxierung , insb. bei
Auswahl des Anästhesieverfahrens
- Allgemeinanästhesie
- Insb. geeignet für Eingriffe an der Wirbelsäule, bei erforderlicher Muskelrelaxierung, langer OP-Dauer oder unbequemer Patientenlagerung
- Durchführung i.d.R. als Intubationsnarkose mit Muskelrelaxierung und maschineller Beatmung
- Balancierte Anästhesie oder TIVA möglich
- Regionalanästhesie
-
Periphere Regionalanästhesieverfahren
- Als alleinige Verfahren entsprechend ihrem Ausbreitungsgebiet
- Als Kombinationsanästhesie mit Anlage eines Schmerzkatheters zur postoperativen Schmerztherapie
- Periduralanästhesie: Insb. geeignet für Kombinationsanästhesie bei größeren Eingriffen oder zur postoperativen Schmerztherapie
- Spinalanästhesie: Als Alternative zur Allgemeinanästhesie bei Eingriffen an Knie, Unterschenkel und Fuß
-
Periphere Regionalanästhesieverfahren
OPs in Blutleere [2]
- Indikation: Eingriffe an der oberen oder unteren Extremität zur Reduktion der intraoperativen Blutung
- Durchführung nach Einleitung der Anästhesie
- Anlage einer Manschette am Oberarm bzw. Oberschenkel (seltener am Unterarm bzw. Unterschenkel)
- „Auswickeln“ der Extremität
- Blutsperre: Aufpumpen der Manschette ca. 50–100 mmHg über systolischem Blutdruck
- Dokumentation der Uhrzeit
- Dauer: Möglichst <2 h
- Aufhebung der Blutleere nach Anweisung der operierenden Person
- Entblocken der Manschette
- Dokumentation der Uhrzeit
- Typische Veränderungen antizipieren
- Arterieller Blutdruck↓, Herzfrequenz↑
- Exspiratorisches CO2↑
- Serumkalium↑
- Komplikation: Tourniquetschmerz ca. 60 min nach Anlage
- Unter Regionalanästhesie: Dumpfer, im Verlauf zunehmender Schmerz trotz (scheinbar) ausreichender Ausbreitung der Regionalanästhesie
- Unter Allgemeinanästhesie: Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz trotz gleichbleibender Narkosetiefe
Spezielle Risiken und Komplikationen
- Knochenzementreaktion bei endoprothetischen Eingriffen mit Zementierung
- Fettembolie bei Eingriffen mit Knochenmarkbeteiligung
- Lagerungsschäden bei spezieller Lagerung und langer OP-Dauer
- Massivblutung insb. bei großen orthopädischen Eingriffen oder vorbestehenden Blutgerinnungsstörungen
Knochenzementreaktion
Definition
- Systemische Reaktion auf das Einbringen von Knochenzement (bspw. Palacos®) in den Markraum eines Knochens
- Auftreten nach Implantation zementierter Gelenkprothesen
- Höchste Inzidenz bei Hüft-TEP
- Ebenso beschrieben bei Zementierung an Knie oder Schulter sowie bei Kyphoplastie
- Erhöhtes Risiko bei Vorliegen von Risikofaktoren für eine Knochenzementreaktion
Pathophysiologie
- Genauer Mechanismus noch ungeklärt
- Am ehesten Kombination verschiedener Faktoren
- Hauptauslöser: Verschleppung von Knochenmark- oder Fettemboli in die Lungenstrombahn
- Gemeinsame Endstrecke: Rechtskardiale Beeinträchtigung bis hin zum Rechtsherzversagen
- Weitere Hypothesen
- Histaminfreisetzung
- Komplementaktivierung
- Vasodilatation durch Methylmethacrylat-Monomere
Als Hauptauslöser für eine Knochenzementreaktion gilt die Verschleppung von Knochenmark- oder Fettemboli in die Lungenstrombahn!
Das Ausmaß der Embolisation korreliert nicht zwangsläufig mit der Ausprägung der klinischen Symptomatik – schwere Kreislaufreaktionen sind insb. bei kardialer Vorschädigung zu erwarten!
Risikofaktoren für eine Knochenzementreaktion
- Hohes Alter
- Männliches Geschlecht
- ASA ≥III
- Schlechter Allgemeinzustand
- Kardiopulmonale Vorerkrankungen, insb. pulmonaler Hypertonus, COPD
- Osteoporose
- Knochenmetastasen
- Vormedikation mit Diuretika oder Warfarin
- Pathologische Fraktur oder intertrochantäre Femurfraktur
- Erstmalige Anwendung von Knochenzement
Klassifikation
Klassifikation der Knochenzementreaktion nach Donaldson | |
---|---|
Ausprägung | Klinische Symptomatik |
Grad 1 |
|
Grad 2 |
|
Grad 3 |
|
Diagnostik
- Basismonitoring
- EKG: Sinustachykardie, ggf. Arrhythmien oder ST-Streckenveränderungen oder RSB
- Pulsoxymetrie: Sättigungsabfall
- Blutdruckmessung: Abfall des systolischen Blutdrucks
- Kapnometrie: Plötzlicher Abfall des etCO2 als Indikator für schwere Lungenembolie
- Klinische Anzeichen (bei wachen Personen)
- Akute Vigilanzminderung
- Unruhe, Agitiertheit
- Dyspnoe, Zyanose
- Angina pectoris
- Kaltschweißigkeit
- Erweiterte Diagnostik (auch zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen )
- BGA: Hypoxie (paO2↓), Hyperkapnie (paCO2↑),
- Pulskonturanalyse: Einschränkung von Schlagvolumen und HZV
- Echokardiografie: Ggf. Darstellung rechtskardialer Einschwemmphänomene (sog. „Bubbles“) während der Zementierung
Die Symptome einer Knochenzementreaktion treten typischerweise im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Zementierung, dem Einbringen der Prothese oder dem Wiedereröffnen der Blutsperre auf!
Eine relevante Kreislaufreaktion nach der Zementierung sollte im Zweifel an die operierende Person sowie die oberärztliche Person der Anästhesie kommuniziert werden!
Therapie
- Keine kausale Therapie möglich
- Symptomatische Therapie: Vergleichbar mit supportiven Therapieoptionen bei schwerer Lungenembolie
- FiO2 auf 1,0 erhöhen
- Hämodynamische Stabilisierung, siehe auch: Medikamentöse Kreislaufunterstützung
- Optimierung von Elektrolyten, Volumenstatus und Säure-Basen-Haushalt
- Bei schwerer Knochenzementreaktion intensivierte Überwachung und supportive Therapie postoperativ fortsetzen
Da keine kausale Therapie möglich ist, sollten perioperativ alle Maßnahmen zur Prävention einer Knochenzementreaktion ergriffen werden!
Prävention einer Knochenzementreaktion
- Chirurgische Maßnahmen
- Strenge Indikationsstellung für Verwendung von Knochenzement
- Ankündigung der bevorstehenden Präparation des Markraums an das gesamte OP-Team
- Vorsichtige Präparation bzw. Reinigung des Markraums
- Entfernung von Knochenmark und Fettgewebe mittels Jet-Lavage
- Verwendung eines Markraumsperrers sowie einer distalen Absaugvorrichtung
- Anmischen des Zements unter Vakuumbedingungen
- Einbringen des Zements bis zum Markraumsperrer, Entfernung der Absaugvorrichtung bei Zementkontakt
- Vermeiden von übermäßigem Druck beim Einbringen der Prothese (insb. bei Risikopatient:innen)
- Abwarten der Auskühlung bzw. Aushärtung des Zements vor weiteren chirurgischen Maßnahmen
- Anästhesiologische Maßnahmen
- Präoperativ
- Erhebung von Risikofaktoren für eine Knochenzementreaktion
- Optimierung kardiovaskulärer und pulmonaler Vorerkrankungen
- Erweitertes hämodynamisches Monitoring bei Risikopersonen
- Kommunikation einer Risikokonstellation an operierende Personen
- Intraoperativ
- Intubationsbereitschaft bei Eingriffen in Regionalanästhesie
- Ausgleich eines ggf. vorbestehenden Volumendefizits
- Frühzeitige Therapie einer Bradykardie
- Bereithaltung von Wirkstoffen zur medikamentösen Kreislaufunterstützung
- Besondere Aufmerksamkeit ab der Präparation bzw. Reinigung des Markraums
- Kurzzeitige Erhöhung der FiO2 auf 1,0 und hochnormaler Blutdruck (MAP >70 mmHg) vor der Zementierung
- Bei vermuteter Knochenzementreaktion: Unmittelbare Kommunikation an das gesamte OP-Team
- Präoperativ