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Multiples Myelom

Letzte Aktualisierung: 17.6.2023

Abstracttoggle arrow icon

Das multiple Myelom (MM; Synonym: Morbus Kahler) ist ein B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, das durch eine monoklonale Plasmazellvermehrung im Knochenmark charakterisiert ist. Der Begriff „multiples Myelom“ bezeichnet dabei eine diffuse Infiltration des Knochenmarks, während „Plasmozytom“ für eine solitäre Plasmazellvermehrung steht und streng genommen eine Sonderform des MM darstellt. Beide Begriffe werden aber häufig synonym verwendet.

Die entarteten Plasmazellen produzieren abnorme monoklonale Antikörper (IgG, IgA) bzw. deren Leichtketten (Bence-Jones-Protein). Klinisch sind eine B-Symptomatik und Osteolysen mit Knochenschmerzen typisch, wobei auch ein langer asymptomatischer Verlauf nicht selten ist. Ein MM kann auch als Zufallsbefund einer Serumeiweißelektrophorese auffällig werden. Kommt es durch die proliferierenden Plasmazellen zu einer Verdrängung des Knochenmarks, können Anämie, Infekt- und Blutungsneigung auftreten. Weitere Komplikationen betreffen insbesondere die Niere: Dazu gehören die Myelomniere (Cast-Nephropathie), eine Leichtkettenerkrankung der Niere, ein Nierenbefall im Rahmen einer konsekutiven AL-Amyloidose und eine Nephrokalzinose. Abhängig vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten stehen eine Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation und eine medikamentöse Therapie mit Immunmodulatoren (Bortezomib, Thalidomid, Lenalidomid) und klassischen Chemotherapeutika (Melphalan) zur Verfügung.

Definitiontoggle arrow icon

Vom Knochenmark ausgehender Plasmazelltumor, der monoklonale Immunglobuline bzw. Ig-Leichtketten produziert und zu den B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) gezählt wird.

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Geschlecht: >
  • Alter: Häufigkeitsgipfel zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Klassifikationtoggle arrow icon

Klassifikation nach Befallsmuster

Die Begriffe „multiples Myelom“ und „Plasmozytom“ werden klinisch häufig synonym verwendet, streng genommen stellt das Plasmozytom aber eine Sonderform des multiplen Myeloms dar.

  • Multiples Myelom: Diffuse Infiltration des Knochenmarks
  • Plasmozytom: Solitäre Plasmazellvermehrung an einer Lokalisation
  • Plasmazell-Leukämie: Leukämischer Verlauf

Klassifikation nach produzierten monoklonalen Immunglobulinen

  • Typ IgG: 50% aller multiplen Myelome
  • Typ IgA: 25% aller multiplen Myelome
  • Typ Bence-Jones-Myelom (Leichtketten): 20% aller multiplen Myelome
  • Selten: Typ IgD (asekretorisches Myelom): <1% aller multiplen Myelome, Typ IgE

Eine abnorme Produktion von monoklonalen IgM-Antikörpern spricht nicht für ein multiples Myelom, sondern für einen Morbus Waldenström!

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Allgemeine Symptome

Spezifische Symptome

Die spezifischen Symptome beim Plasmozytom leiten sich vom Befallsmuster des Myeloms ab.

Obwohl es sich beim multiplen Myelom um ein B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom handelt, ist eine Vergrößerung der Lymphknoten eher untypisch!

Stadientoggle arrow icon

Aktuell wird das multiple Myelom nach R-ISS (Revised International Staging System) eingeteilt. Die Stadieneinteilung nach ISS sowie die Einteilung nach Durie & Salmon sind veraltet. Die Stadien eignen sich auch zur Prognoseabschätzung.

Revised International Staging System (R-ISS) [1][2]

Revised International Staging System (R-ISS)
Parameter 5-Jahres-Überleben
Stadium I
  • Ca. 80%
Stadium II
  • Weder Stadium I noch III
  • Ca. 60%
Stadium III
  • Ca. 40%

Veraltete Stadieneinteilung

Stadieneinteilung nach Durie und Salmon

Stadium I Stadium II Stadium III
Blut: Hämoglobin >10 g/dL <8,5 g/dL
Blut: Serum Ca2+ normal (<2,65 mmol/L) >3,0 mmol/L
Urin: Monoklonale Ig geringe Konzentration hohe Konzentration
Röntgen: Skelett maximal 1 solitärer osteolytischer Herd zahlreiche fortgeschrittene Osteolysen

Prognostisch ist auch die Nierenfunktion relevant. Die Klassifikation wurde deswegen durch folgenden Zusatz vervollständigt:

Diagnostiktoggle arrow icon

Klinische Chemie

  • Blut
  • Urin
  • Immunfixationselektrophorese:
    • Diagnosestellung: Monoklonale Gammopathie mit M-Gradienten (Antikörper ohne Abwehrfunktion → Funktioneller AK-Mangel)
    • Verlaufsbeurteilung: Quantifizierung der Immunglobuline
  • Knochenmarkzytologie
    • Plasmazellnester: Lockerer Verband monoklonaler Tumorzellen
      • Radspeichenkerne: Einzelne Chromatinklumpen in der Zellkernperipherie
      • Perinukleäre Aufhellungen

Apparative Diagnostik

Diagnostische Kriterien

Die Diagnose erfolgt nach den Kriterien der International Myeloma Working Group.

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS)

Bei der monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) sind zwar laborchemisch komplette oder inkomplette, monoklonale Immunglobuline im Serum nachweisbar, jedoch liegen keine klinischen Symptome vor.

Morbus Waldenström (Immunozytom, lymphoplasmozytisches Lymphom, Makroglobulinämie) [4][5]

Der Morbus Waldenström ist ein B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, das mit einer Infiltration des Knochenmarks bzw. lymphatischer Gewebe und einer abnormen Produktion monoklonaler Antikörper vom IgM-Typ („Makroglobulinämie“) einhergeht.

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Allgemeine Therapieprinzipien beim multiplen Myelom

Patienten für Hochdosis-Chemotherapie geeignet

  1. Induktionstherapie (von klinischer Konstellation abhängig) z.B.: Dexamethason + Doxorubicin + Bortezomib
  2. Mobilisation
  3. Entnahme von eigenen Stammzellen
  4. Hochdosischemotherapie mit Melphalan
  5. Autologe Stammzelltherapie: Wiederherstellung der Hämatopoese
  6. Erhaltungstherapie: Bortezomib oder Lenalidomid

Patienten für Hochdosis-Chemotherapie ungeeignet

Thalidomid ist teratogen und führt zur Thalidomid-Embryopathie mit Phokomelie!

Supportive Therapie

Komplikationentoggle arrow icon

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Prognosetoggle arrow icon

  • Verlauf und Prognose sehr variabel
    • Therapieziel: Verlängerung der Lebenszeit bei möglichst hoher Lebensqualität
    • Heute bessere therapeutische Möglichkeiten , allerdings Heilung nur in wenigen Fällen möglich
    • Ungünstige Prognosefaktoren: Hohes Stadium nach International Staging System oder Durie und Salmon , hohes Alter, β2-Mikroglobulin↑, Serumalbumin↓, CRP↑, LDH↑ u.a.
    • Einige Patienten versterben bereits nach wenigen Monaten, andere haben eine Lebenserwartung >10 Jahre

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Multiples Myelom (Video frei verfügbar)

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

  • C90.-: Plasmozytom und bösartige Plasmazellen-Neubildungen
    • Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie C90 zu benutzen:
    • C90.0-: Multiples Myelom
      • Kahler-Krankheit
      • Medulläres Plasmozytom
      • Myelomatose
      • Plasmazellmyelom
      • Exklusive: Solitäres Plasmozytom (C90.3‑)
    • C90.1-: Plasmazellenleukämie
    • C90.2-: Extramedulläres Plasmozytom
    • C90.3-: Solitäres Plasmozytom
      • Lokalisiert-bösartiger Plasmazellentumor o.n.A.
      • Plasmozytom o.n.A.
      • Solitäres Myelom

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Palumbo et al.:Revised International Staging System for Multiple Myeloma: A Report From International Myeloma Working GroupIn: Journal of Clinical Oncology. Band: 33, Nummer: 26, 2015, doi: 10.1200/jco.2015.61.2267 . | Open in Read by QxMD p. 2863-2869.
  2. Onkopedia-Leitlinie: Multiples Myelom.Stand: 1. Mai 2018. Abgerufen am: 4. Mai 2022.
  3. Van de Donk et al.:The clinical relevance and management of monoclonal gammopathy of undetermined significance and related disorders: recommendations from the European Myeloma NetworkIn: Haematologica. Band: 99, Nummer: 6, 2014, doi: 10.3324/haematol.2013.100552 . | Open in Read by QxMD.
  4. Leitlinie Morbus Waldenström (Lymphoplasmozytisches Lymphom).Stand: 1. Mai 2017. Abgerufen am: 9. November 2017.
  5. Ansell et al.:Diagnosis and Management of Waldenström Macroglobulinemia: Mayo Stratification of Macroglobulinemia and Risk-Adapted Therapy (mSMART) GuidelinesIn: Mayo Clinic Proceedings. Band: 85, Nummer: 9, 2010, doi: 10.4065/mcp.2010.0304 . | Open in Read by QxMD p. 824-833.
  6. Anderson et al.:Role of Bone-Modifying Agents in Multiple Myeloma: American Society of Clinical Oncology Clinical Practice Guideline UpdateIn: Journal of Clinical Oncology. 2018, doi: 10.1200/jco.2017.76.6402 . | Open in Read by QxMD p. JCO.2017.76.640.
  7. Dietel et al.: Harrisons Innere Medizin (2 Bände). 16. Auflage ABW Wissenschaftsverlagsgesellschaft 2005, ISBN: 978-3-936-07229-7.
  8. Herold: Innere Medizin 2017. Herold 2016, ISBN: 3-981-46606-3.
  9. Gerok: Die Innere Medizin. 11. Auflage Schattauer 2007, ISBN: 978-3-794-52222-4.
  10. Freyschmidt et al.: Knochentumoren mit Kiefertumoren. 3. Auflage Springer 2010, ISBN: 978-3-540-75152-6.
  11. Leitlinie Multiples Myelom.Stand: 1. September 2013. Abgerufen am: 6. November 2017.