Abstract
Von Sterilität spricht man, wenn eine Frau trotz regelmäßigen Geschlechtsverkehrs über mindestens ein Jahr nicht schwanger wird; eine primäre Sterilität liegt dabei vor, wenn die Frau noch nie in ihrem Leben schwanger war. Infertilität ist dagegen dadurch definiert, dass die Frau zwar schwanger werden kann, die Schwangerschaft jedoch nicht bis zur Lebensreife des Kindes austragen kann. Die Ursachen einer Sterilität sind vielfältig und sind jeweils zu etwa einem Drittel bei der Frau oder beim Mann zu finden, teilweise liegt die Ursache bei beiden Partnern gemeinsam oder bleibt unklar. Die häufigste bei der Frau liegende Ursache ist die tubare Sterilität nach einer Salpingitis, andere Ursachen sind die primäre und sekundäre Ovarialinsuffizienz oder anatomische Schwangerschaftshindernisse.
Männliche Sterilitätsursachen sind meist Störungen der Spermienproduktion, des Spermientransports und Funktionsstörungen der Spermien selbst. Eine erektile Dysfunktion (Impotentia coeundi) ist beim Mann eine weitere Ursache für einen unerfüllten Kinderwunsch.
Entsprechend den vielfältigen Ursachen ist das diagnostische Spektrum sehr breit: Bei beiden Geschlechtern sollten hormonelle, infektiöse und anatomische Ursachen ausgeschlossen werden. Zudem wird ein Spermiozytogramm durchgeführt, um die Spermienqualität zu beurteilen. Zur Diagnostik der weiblichen Sterilität können spezielle hormonelle Funktionstests und invasivere Maßnahmen wie die diagnostische Laparoskopie mit Chromopertubation indiziert sein. Die therapeutischen Maßnahmen richten sich nach der Sterilitätsursache: Hormonelle oder anatomische Sterilitätsursachen der Frau können mittels Hormontherapie bzw. chirurgisch behandelt werden, als Maßnahmen der künstlichen Befruchtung stehen die Insemination, IVF oder ICSI zur Verfügung. Eine gefürchtete Komplikation der dazu nötigen hormonellen Follikelstimulation ist dabei das ovarielle Überstimulationssyndrom. Die Erfolgsrate der IVF liegt bei etwa 20% („Baby-Take-Home-Rate").
Definition
- Sterilität (= Impotentia generandi ): Zeugungsunfähigkeit
- Tritt trotz regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs innerhalb eines Jahres keine Schwangerschaft ein, spricht man von einer Sterilität
- Primäre Sterilität: Sterilität bei einer Frau, die noch nie schwanger war bzw. einem Mann, der noch nie ein Kind gezeugt hat
- Sekundäre Sterilität: Sterilität nach mindestens einer vorausgegangenen erfolgreichen Schwangerschaft (♀) bzw. Zeugung (♂)
- Beim Mann werden die Begriffe Sterilität und Infertilität häufig synonym verwendet
- Bei der Frau wird zusätzlich die Infertilität (= Impotentia gestandi ) unterschieden: Unvermögen, eine Schwangerschaft bis zur Lebensreife des Kindes auszutragen, obwohl eine Konzeption prinzipiell möglich ist
- Erektile Dysfunktion (= Impotentia coeundi ; Impotentia erigendi): Unfähigkeit, eine penile Erektion zu erlangen oder aufrechtzuerhalten, die für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreicht
- Impotentia ejaculandi: Unfähigkeit der Ejakulation
- Kohabitationsunfähigkeit: Unfähigkeit zur Ausführung des Geschlechtsverkehrs
- Der Begriff "Impotenz" stellt im Prinzip einen Oberbegriff für alle Störungen des Geschlechtsverkehrs und der Fortpflanzung dar. Umgangssprachlich wird er meist gleichbedeutend mit Impotentia coeundi verwendet.
Epidemiologie
In Deutschland bleiben ca. 12–15% der Partnerschaften trotz eines Kinderwunsches kinderlos.
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Sterilität (= Unfruchtbarkeit) beruht grob zu je einem Drittel auf Ursachen beim Mann allein oder bei der Frau allein, teilweise auf kombinierten Ursachen bei beiden Partnern. In ca. 20% der Fälle bleibt die Ursache ungeklärt.
Weibliche Sterilitätsursachen
Gestörte Eizellreifung
- Primäre Ovarialinsuffizienz mit Störung der ovariellen Funktion
- Genetische Syndrome mit hypoplastischen Ovarien
- PCO-Syndrom
- Hyposensitive Ovarien
- Ovarial-Endometriose
- Ovarialtumoren
- Schädigung der Ovarien, z.B. durch Strahlen- oder Chemotherapie
- Sekundäre Ovarialinsuffizienz durch Mangel an hormoneller Stimulation
-
Hypothalamische Ursachen
- Hunger, Anorexia nervosa, Hochleistungssport, psychischer Stress
- Tumoren, Traumata, Infektionen
- Kallmann-Syndrom (siehe unten bei endokrine Sterilitätsursachen des Mannes)
- Hypophysäre Ursachen
- Corpus-luteum-Insuffizienz
-
Hypothalamische Ursachen
Gestörter Transport der Eizelle (Tubenfunktionsstörungen)
- Eingeschränkte Beweglichkeit der Tuben
- Tubenverschluss
- Nach einer Salpingitis (vor allem durch Chlamydien oder Gonokokken): Die akute Entzündung kann in eine chronische Hydrosalpinx übergehen, bei der es zu Eiter- und Flüssigkeitsansammlungen im Lumen kommt. Diese können sich septiert organisieren und die Tuben gänzlich verstopfen. Sonografisch zeigt sich dann ein septierter zystischer Tumor im Adnexbereich.
- Endometrioseherde in den Tuben
- Iatrogen durch Sterilisation der Frau
Veränderungen/Fehlbildungen des Uterus
- Uterusfehlbildung
- Uterusmyome
- Endometriumveränderungen
- Asherman-Syndrom: Narben, Synechien und Verwachsungen des Endometriums, die meist iatrogen durch eine Kürettage verursacht wurden
- Verminderte Sensitivität des Endometriums auf Gestagene
- Zervikale Störung
- Emmet-Riss
- Veränderte Zusammensetzung oder mangelhafte Bildung des Zervixschleims
Immunologische Ursachen
- Spermienantikörper im Zervixschleim (Zervixmukus)
Männliche Sterilitätsursachen
Erkrankungen des Hodens oder der Samenwege
- Hoden
- Kryptorchismus, Maldescensus testis
- Hodentrauma oder -infektion
- Varikozele, Hydrozele, Hodentumoren
- Schädigung des Hodengewebes durch Medikamente, Noxen
- Samenwege
- Entzündliche Stenosen
- Beidseitige Leistenhernie
-
Aplasie des Ductus deferens
- Isolierte kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens (CBAVD)
- Ursache: Mutation im CFTR-Gen
- Genetik: Autosomal-rezessiver Erbgang wie bei der Mukoviszidose
- Epidemiologie: Ca. 2% aller infertilen Männer
- Mukoviszidose
- Isolierte kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens (CBAVD)
- Iatrogen (z.B. durch Vasektomie )
Spermiendysfunktion
- Immobile Spermiengeißel
- Reifungsdefekt
Endokrine Ursachen
- Gestörte Testosteronproduktion in den Hoden (primärer Hypogonadismus)
- Störung der hypophysären Freisetzung von LH und FSH (sekundärer Hypogonadismus)
- Einblutung, Infarkt, Trauma, Infektion
- Hyperprolaktinämie
- Hypothyreose
- Hämochromatose
- Störung der hypothalamischen GnRH-Freisetzung (tertiärer Hypogonadismus)
- Kallmann-Syndrom (olfaktogenitales Syndrom): Anosmie und (häufig) hypogonadotroper Hypogonadismus
- Hyperöstrogenämie
Die Sterilität infolge eines sekundären und tertiären Hypogonadismus lässt sich i.d.R. mit der Gabe von Gonadotropinen (LH/FSH) behandeln!
Genetische Ursachen
Sexuelle Störungen
- Vorzeitige, retrograde oder ausbleibende Ejakulation
- Erektile Dysfunktion
Sterilitätsursachen beider Geschlechter
Allgemeinerkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie, Schilddrüsenerkrankungen, Adipositas, Cushing-Syndrom, Infektionskrankheiten, chronische Erkrankungen (z.B. von Leber oder Nieren), verschiedene Medikamente oder Alkohol-/Nikotin-/Drogenabusus können bei beiden Geschlechtern die Fertilität einschränken.
Diagnostik
Beim Mann ♂
- Ausführliche Anamnese!
- Hormonelle Diagnostik: Testosteron, LH, FSH, SHBG, Prolaktin, TSH, ggf. GnRH-Test
- Ultraschall: Hodenvolumen? Varikozele?
- Untersuchungen des Ejakulats
- Mikrobiologische Untersuchung
-
Spermiozytogramm
- Bestimmung von Volumen, Konsistenz, pH-Wert und Fructose-Gehalt des Ejakulates
- Zahl, Mobilität und Morphologie der Spermatozoen, Antikörper gegen Spermatozoen
- Hodenbiopsie
- Vasografie des Ductus deferens
- Chromosomenanalyse
Bei der Frau ♀
- Ausführliche Anamnese!
- Gynäkologische Untersuchung zum Ausschluss von Pathologien
- Transvaginale Sonografie
- Abstrich zum Ausschluss von Entzündungen
- Zyklusmonitoring
- Aufzeichnung der Basaltemperaturkurve
- Follikelstatus und Endometriumdicke
- Hormonelle Basisdiagnostik
-
3.–5. Zyklustag
- LH, FSH
- Östradiol, Testosteron, Androstendion, DHEA-S
- SHBG
- TSH basal
- 2. Zyklushälfte: Progesteron , Prolaktin
-
3.–5. Zyklustag
- Chromosomenanalyse
- Zervixindex nach Insler
- Untersuchung des Zervixschleims ungefähr zum Zeitpunkt der Ovulation
- Beurteilung von Menge und Spinnbarkeit des Zervikalsekrets, des Farnkrautphänomens und der Muttermundsweite
- Vergabe von jeweils 0–3 Punkten je Kriterium und schließlich Ermittlung des Insler-Scores (zwischen 0 und 12 Punkten; je höher die Punktzahl, desto besser die Qualität des Zervixschleims)
- Vor Maßnahmen der künstlichen Befruchtung
- HIV-Test, Hepatitis- und Röteln-Serologie
- Krebsvorsorge und Pap-Abstrich
- Überprüfung des Impfstatus nach RKI-Richtlinien und ggf. Vervollständigung
Hormonelle Funktionstests
Hormonelle Funktionstest werden zur genaueren Diagnostik der vorliegenden Störung eingesetzt. Mit ihnen können z.B. organische von hormonellen Amenorrhöen abgegrenzt werden oder auch die Funktionsfähigkeit der Hypothalamus-Hypophysen-Achse bestimmt werden. Vor hormonellen Funktionstests sollte unbedingt der Ausschluss einer Schwangerschaft erfolgen.
Gestagen-Test
- Indikation: Primäre/sekundäre Amenorrhö → Prüfung, ob die Ovarien ausreichend Östrogen produzieren
- Durchführung: Zehntägige Gabe eines Gestagenpräparats
- Beurteilung
- Test positiv: Ca. eine Woche nach Absetzen des Gestagens tritt eine Abbruchblutung auf → Östrogenmangel und anatomische Fehlanlage der Uterusschleimhaut unwahrscheinlich
- Weitere Sterilitätsdiagnostik: Clomifen-Test
- Test negativ: Es tritt keine Blutung auf → Östrogenmangel wahrscheinlich
- Weitere Sterilitätsdiagnostik: Östrogen-Gestagen-Test
- Test positiv: Ca. eine Woche nach Absetzen des Gestagens tritt eine Abbruchblutung auf → Östrogenmangel und anatomische Fehlanlage der Uterusschleimhaut unwahrscheinlich
Östrogen-Gestagen-Test
- Indikation: Weitere Diagnostik nach negativem Gestagen-Test
- Durchführung: 20-tägige Gabe eines Östrogenpräparats, vom 11. bis 20. Tag zusätzliche Gabe eines Gestagenpräparats
- Beurteilung
- Test positiv: Ca. eine Woche nach Absetzen der Medikamente tritt eine Abbruchblutung auf
- Test negativ: Es tritt keine Blutung auf → Uterine Ursachen
- Weitere Diagnostik: Testwiederholung mit doppelter Östrogendosis, gynäkologische Untersuchung inklusive transvaginalem Ultraschall, diagnostische Hysteroskopie
Clomifen-Test
- Indikation: Prüfung der Funktion der Hypothalamus-Hypophysen-Achse; nach positivem Gestagen-Test
- Durchführung: Fünftägige Gabe des Antiöstrogens Clomifen
- Beurteilung
- Test positiv: Anstieg von LH und Östradiol
- Weitere Sterilitätsdiagnostik: GnRH-Test
- Test negativ
- Reiner LH-Anstieg ohne Östradiol-Anstieg → Primäre Ovarialinsuffizienz
- Weder LH noch Östradiol steigen an → Sekundäre Ovarialinsuffizienz
- Test positiv: Anstieg von LH und Östradiol
GnRH-Test
- Indikation: Prüfung der Stimulierbarkeit der Hypophyse durch GnRH bei Verdacht auf Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Achse
- Durchführung: Messung der Serumkonzentrationen von LH und FSH basal und in bestimmten zeitlichen Abständen nach i.v.-Gabe von GnRH
- Beurteilung
- Test positiv: Anstieg von LH und FSH (LH steigt normalerweise stärker an als FSH) → Normalbefund oder Funktionsstörung des Hypothalamus
- Test negativ: Ausbleiben des LH- und FSH-Anstiegs → Wiederholung des Tests nach einwöchiger pulsatiler Gabe von GnRH
Weitere Hormontests
- Dexamethason-Hemmtest: Differenzierung zwischen adrenaler und ovarieller Androgensynthese zur Differenzialdiagnose zwischen Nebennierenrindenüberfunktion und PCO-Syndrom
- ACTH-Kurztest: Verdacht auf eine Nebennierenrindeninsuffizienz oder ein adrenogenitales Syndrom
Invasive Diagnostik
Hysteroskopie
I.d.R. in kurzer Allgemeinanästhesie durchgeführte endoskopische Untersuchung des Cavum uteri zur Diagnostik von z.B. Uterusmyomen, -septen oder -synechien.
Diagnostische Laparoskopie (Pelviskopie) mit Chromopertubation
Laparoskopische Beurteilung des inneren Genitales und der Tubendurchgängigkeit; meist in Kombination mit einer Hysteroskopie.
- Durchführung: Einbringen einer blauen Farbstofflösung (z.B. Methylenblau) in die Gebärmutterhöhle. Unter laparoskopischer Sicht wird die Verteilung des Farbstoffes beobachtet.
- Beurteilung
- Durchgängige Tuben: Farbstoff fließt durch die physiologische Öffnung des Fimbrientrichters in die Bauchhöhle
- Uterusferner Verschluss: Farbstoff tritt nicht in die Bauchhöhle aus, ist aber in den Tuben nachweisbar
- Uterusnaher Verschluss: Farbstoff tritt nicht in die Bauchhöhle aus und ist auch nicht in den Tuben nachweisbar
Veraltet: Hysterosalpingografie oder Hysterosalpingo-Kontrastsonografie
Heutzutage weitgehend verlassene radiologische Untersuchung zur Beurteilung des Uteruskavums und der Tubendurchgängigkeit. Dabei wird ein Kontrastmittel endozervikal eingebracht und anschließend werden mehrere Durchleuchtungsaufnahmen oder eine Sonografie durchgeführt.
Tests zur Beurteilung der Interaktion von Spermien und Zervixschleim
Postkoitaltest (Sims-Huhner-Test)
- Durchführung
- Zeitpunkt: Periovulatorisch, ca. 6–12 Stunden nach Geschlechtsverkehr im Anschluss an eine fünftägige sexuelle Karenz
- Entnahme von Zervikalsekret direkt aus dem Zervikalkanal
- Mikroskopische Beurteilung: Messung der Anzahl der beweglichen Spermien im Zervikalschleim
- Beurteilung
Kurzrok-Miller-Test (Penetrationstest)
- Durchführung
- Periovulatorische Entnahme von Zervikalsekret der Patientin und Gewinnung der Spermien des Partners
- Aufbringen des Zervikalsekrets und des Spermas direkt nebeneinander (in Berührung) auf einem Objektträger
- Mikroskopische Beurteilung: Messung der Anzahl der Spermien, die in den Zervikalschleim eindringen
- Beurteilung
- Test positiv: Gute Penetration (und Beweglichkeit) der Spermien in den Zervixschleim
- Gekreuzter Test: Zwei zusätzliche Objektträger mit
Therapie
Konservative Therapie
Bestimmung des Konzeptionsoptimums, das im Zeitraum von zwei Tagen vor bis einen Tag nach der Ovulation liegt, mittels Basaltemperaturkurve oder Menstruationskalender.
Hormonelle Therapie der Frau
Durch eine Hormontherapie kommt es in etwa 30% der Fälle zu einer Schwangerschaft.
Follikelstimulation
- Primäre Ovarialinsuffizienz: Imitation des weiblichen Zyklus durch Gabe von Östrogenen und Gestagenen
- Sekundäre Ovarialinsuffizienz
- Pulsatile GnRH-Gabe: Bei hypothalamischer Ursache [1]
- Gabe von FSH (und LH): Bei hypophysärer Ursache
- Gabe von Clomifen : Z.B. bei PCO-Syndrom, Corpus-luteum-Insuffizienz
- Bromocriptin-Gabe: Bei Hyperprolaktinämie
- Dexamethason-Gabe: Bei adrenal bedingter Hyperandrogenämie
Nach hormoneller Follikelstimulation tritt in 5–20% der Fälle ein ovarielles Überstimulationssyndrom auf!
Ovulationsinduktion
- Durch Gabe von HCG nach Follikelreifung kann der Eisprung ausgelöst werden
Operative Verfahren
- Mikrochirurgische Wiederherstellung der Tubendurchgängigkeit bei tubarer Sterilität nach Salpingitis oder Sterilisation
- Hysteroskopische Entfernung von Uterussynechien, -septen oder -myomen
- Nach Vasektomie des Mannes: Operative Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Samenleiter (i.d.R. durch Vasovasostomie )
Künstliche Befruchtung
Rechtliche Grundlagen (Fertilisationsrecht)
Embryonenschutzgesetz (ESchG) [2]
- Bei missbräuchlicher Anwendung von Fortpflanzungstechniken drohen Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren
- Der intrauterine Transfer von bis zu drei Embryonen innerhalb eines Zyklus ist erlaubt
Verfahren
Intrauterine Insemination
- Transvaginales Einbringen von aufbereitetem Spermatozoenkonzentrat des Partners (homologe Insemination) oder eines Samenspenders (heterologe Insemination) in das Cavum uteri
- Indikation (u.a.)
- Zervikale Sterilitätsursachen
- Schlechte Durchdringbarkeit des Zervikalsekrets durch die Spermien
- Vorhandensein von Spermien-Antikörpern im Zervikalsekret
- Mangelhafte Spermienqualität des Partners
- Zervikale Sterilitätsursachen
In-vitro-Fertilisation (IVF)
- Indikationen (u.a.)
- Tubare Sterilität
- Mangelhafte Spermienqualität
- Durchführung: Hormonelle Follikelstimulation → Gewinnung der Oozyten mittels transvaginaler Follikelpunktion unter sonografischer Kontrolle → Zugabe aufbereiteter Spermien zu den gewonnenen Eizellen, Inkubation → Intrauteriner Transfer von maximal drei Embryonen im Achtzellstadium
- Erfolgsrate
- In etwa 30% der Fälle tritt eine Schwangerschaft ein, die tatsächliche Geburtenrate liegt bei etwa 20% („Baby-Take-Home-Rate")
- Die Rate an Mehrlingsschwangerschaften beträgt hierbei etwa 20–30% , i.d.R. dichorial-diamniot
Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)
- Indikation (u.a.)
- Oligoasthenozoospermie III. Grades
- Unbewegliche Spermien
- Durchführung: Analog zur IVF, jedoch werden die Spermien zu den gewonnenen Eizellen nicht nur hinzugegeben, sondern ein Spermium wird mittels einer speziellen Punktionskanüle unter mikroskopischer Sicht direkt in eine Eizelle eingebracht.
Komplikationen
Ovarielles Überstimulationssyndrom (ovarielles Hyperstimulationssyndrom, OHSS)
Das ovarielle Überstimulationssyndrom ist ein iatrogener, potenziell lebensbedrohlicher Zustand als Folge einer hormonellen Follikelstimulation.
- Ätiologie/Pathophysiologie: Aus weitestgehend ungeklärter Ursache kommt es zu einer systemisch erhöhten Gefäßpermeabilität mit massiver Verschiebung der intravaskulären Flüssigkeit in den extravasalen Raum.
- Risikofaktor: Polyzystisches Ovarialsyndrom
- Klinik
- Massive Follikelluteinisierung und zystisch veränderte und vergrößerte Follikel, die zu abdominellen Beschwerden führen
- In schweren Fällen bewirkt die Flüssigkeitsverlagerung eine Hämokonzentration sowie Aszites, Pleuraergüsse, Hypovolämie, akute Nierenschädigung und thromboembolische Komplikationen
- Weiterhin kann es zu einer Ruptur oder Torsion des Ovars kommen
- Klassifikation nach WHO in 3 Schweregrade (1973) :
WHO | Klinik/Befunde |
---|---|
I (leicht) |
|
II (moderat) |
|
III (schwer) |
|
- Therapie: Die massive Flüssigkeitsverlagerung von intra- nach extravasal führt zu den meisten Symptomen und sollte vordringlich behandelt werden
- Leichte Formen: Engmaschige ambulante Kontrollen, Schonung, Bettruhe, viel trinken, proteinreiche Kost
- Schwere Formen
- Stationäre Aufnahme mit täglichen Kontrollen von Blutbild, Hämatokrit, Gerinnung, Elektrolyten und Gewicht
- Heparinisierung, z.B. mit niedermolekularen Heparinen
- Evtl. intravenöse Flüssigkeitstherapie
- Ggf. Aszites- oder Pleuraentlastungspunktionen
- Ggf. Albuminsubstitution
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Patienteninformationen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
Organisch bedingte Infertilität, Sterilität und Impotenz
- N96: Neigung zu habituellem Abort
- Inklusive: Infertilität, Untersuchung oder Betreuung einer Frau mit Neigung zu habituellem Abort ohne bestehende Schwangerschaft
- Exklusive: Bei ablaufendem Abort (O03-O06), Bei gegenwärtiger Schwangerschaft (O26.2)
- N97.-: Sterilität der Frau
- Inklusive: Nichteintreten einer Schwangerschaft, Sterilität o.n.A. bei der Frau
- Exklusivität: Infertilität (N96)
- N97.0: Sterilität der Frau in Verbindung mit fehlender Ovulation
- N97.1: Sterilität tubaren Ursprungs bei der Frau
- Im Zusammenhang mit angeborener Anomalie der Tuba uterina, Tubenspasmus, Tubenstenose, Tubenverschluss
- N97.2: Sterilität uterinen Ursprungs bei der Frau
- N97.3: Sterilität zervikalen Ursprungs bei der Frau
- N97.4: Sterilität der Frau im Zusammenhang mit Faktoren des Partners
- N97.8: Sterilität sonstigen Ursprungs bei der Frau
- N97.9: Sterilität der Frau, nicht näher bezeichnet
- N48.-: Sonstige Krankheiten des Penis
- N94.-: Schmerz und andere Zustände im Zusammenhang mit den weiblichen Genitalorganen und dem Menstruationszyklus
- N94.2: Vaginismus
- Exklusive: Psychogener Vaginismus (F52.5)
- N94.2: Vaginismus
- E28.-: Ovarielle Dysfunktion
- Exklusive: Isolierter Gonadotropinmangel (E23.0), Ovarialinsuffizienz nach medizinischen Maßnahmen (E89.4)
- E28.0: Östrogenüberschuss
- E28.1: Androgenüberschuss
- Hypersekretion ovarieller Androgene
- E28.2: Syndrom polyzystischer Ovarien
- Stein-Leventhal-Syndrom, Syndrom sklerozystischer Ovarien
- E28.3: Primäre Ovarialinsuffizienz
- Östrogenverminderung, Syndrom resistenter Ovarien, Vorzeitige Menopause o.n.A.
- Exklusive: Menopause und Klimakterium bei der Frau (N95.1), Reine Gonadendysgenesie (Q99.1), Turner-Syndrom (Q96.‑)
- E28.8: Sonstige ovarielle Dysfunktion
- Ovarielle Überfunktion o.n.A.
- Insuffizienz des Corpus luteum
- E28.9: Ovarielle Dysfunktion, nicht näher bezeichnet
Fertilisationsfördernde Maßnahmen bzw. deren Komplikationen
- Z31.-: Fertilisationsfördernde Maßnahmen
- Exklusive: Komplikationen im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung (N98.‑)
- Z31.0: Tuben- oder Vasoplastik nach früherer Sterilisierung
- Z31.1: Künstliche Insemination
- Z31.2: In-vitro-Fertilisation
- Stationäre Aufnahme zur Eizell-Entnahme oder -Implantation
- Z31.3: Andere Methoden, die die Fertilisation unterstützen
- Z31.4: Untersuchung und Test im Zusammenhang mit Fertilisation
- Pertubation, Spermatogramm
- Exklusive: Spermienzählung nach Vasektomie (Z30.8)
- Z31.5: Genetische Beratung
- Z31.6: Allgemeine Beratung im Zusammenhang mit Fertilisation
- Z31.8: Sonstige fertilisationsfördernde Maßnahmen
- Z31.9: Fertilisationsfördernde Maßnahme, nicht näher bezeichnet
- N98.-: Komplikationen im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung
- N98.0: Infektion im Zusammenhang mit artifizieller Insemination
- N98.1: Hyperstimulation der Ovarien
- N98.2: Komplikationen bei versuchter Einführung eines befruchteten Eies nach In-vitro-Fertilisation
- N98.3: Komplikationen bei versuchter Implantation eines Embryos bei Embryotransfer
- N98.8: Sonstige Komplikationen im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung
- Komplikationen bei artifizieller Insemination: Fremdsamen, Samen des Ehemannes oder Partners
- N98.9: Komplikation im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung, nicht näher bezeichnet
F52.-: Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit
- Sexuelle Funktionsstörungen verhindern die von der betroffenen Person gewünschte sexuelle Beziehung. Die sexuellen Reaktionen sind psychosomatische Prozesse, d.h. bei der Entstehung von sexuellen Funktionsstörungen sind gewöhnlich sowohl psychologische als auch somatische Prozesse beteiligt.
- Exklusive: Dhat-Syndrom (F48.8)
- F52.0: Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen
- Der Verlust des sexuellen Verlangens ist das Grundproblem und beruht nicht auf anderen sexuellen Störungen wie Erektionsstörungen oder Dyspareunie.
- Frigidität, Sexuelle Hypoaktivität
- F52.1: Sexuelle Aversion und mangelnde sexuelle Befriedigung
- Entweder ist der Bereich sexueller Partnerbeziehungen mit so großer Furcht oder Angst verbunden, dass sexuelle Aktivitäten vermieden werden (sexuelle Aversion) oder sexuelle Reaktionen verlaufen normal und ein Orgasmus wird erlebt, aber ohne die entsprechende Lust daran (Mangel an sexueller Befriedigung).
- Sexuelle Anhedonie
- F52.2: Versagen genitaler Reaktionen
- Das Hauptproblem ist bei Männern die Erektionsstörung (Schwierigkeit, eine für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr notwendige Erektion zu erlangen oder aufrecht zu erhalten). Bei Frauen ist das Hauptproblem mangelnde oder fehlende vaginale Lubrikation.
- Erektionsstörung (beim Mann)
- Psychogene Impotenz
- Störung der sexuellen Erregung bei der Frau
- Exklusive: Impotenz organischen Ursprungs (N48.4)
- F52.3: Orgasmusstörung
- Der Orgasmus tritt nicht oder nur stark verzögert ein.
- Gehemmter Orgasmus (weiblich) (männlich), Psychogene Anorgasmie
- F52.4: Ejaculatio praecox
- Unfähigkeit, die Ejakulation ausreichend zu kontrollieren, damit der Geschlechtsverkehr für beide Partner befriedigend ist.
- F52.5: Nichtorganischer Vaginismus
- Spasmus der die Vagina umgebenden Beckenbodenmuskulatur, wodurch der Introitus vaginae verschlossen wird. Die Immission des Penis ist unmöglich oder schmerzhaft.
- Psychogener Vaginismus
- Exklusive: Vaginismus (organisch) (N94.2)
- F52.6: Nichtorganische Dyspareunie
- Eine Dyspareunie (Schmerzen während des Sexualverkehrs) tritt sowohl bei Frauen als auch bei Männern auf. Sie kann häufig einem lokalen krankhaften Geschehen zugeordnet werden und sollte dann unter der entsprechenden Störung klassifiziert werden. Diese Kategorie sollte nur dann verwendet werden, wenn keine andere primäre nichtorganische Sexualstörung vorliegt (z.B. Vaginismus oder mangelnde/fehlende vaginale Lubrikation).
- Psychogene Dyspareunie
- Exklusive: Dyspareunie (organisch) (N94.1)
- F52.7: Gesteigertes sexuelles Verlangen
- Nymphomanie, Satyriasis
- F52.8: Sonstige sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit
- F52.9: Nicht näher bezeichnete sexuelle Funktionsstörung, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.