Zusammenfassung
Mit der steigenden Lebenserwartung der Menschen in westlichen Ländern nimmt die Anzahl der Personen mit Arthrose im Hüftgelenk stetig zu. In der frühen Phase der Erkrankung spürt die Person Schmerzen bei Bewegungsbeginn sowie bei langanhaltender und starker Belastung, während es im späteren Verlauf der Erkrankung auch in Ruhe oder in der Nacht zu quälenden Schmerzen kommt. Falls die Anpassung des Lebensstils (dosierte Belastung, ggf. Gewichtsabnahme) sowie physikalische Maßnahmen keinen Erfolg bringen, wird eine Schmerztherapie nach WHO-Stufenschema begonnen. Der Leidensdruck der Betroffenen bestimmt, wann eine operative Therapie und ggf. ein Gelenkersatz zu erwägen ist.
Definition
- Arthrose: Chronisch-progrediente Destruktion des hyalinen Gelenkknorpels unter Mitbeteiligung der peri- und intraartikulären Bänder und Muskulatur sowie der synovialen und fibrösen Gelenkkapsel
- Coxarthrosis deformans: Arthrose des Hüftgelenks
Epidemiologie
- Häufige Erkrankung des Erwachsenen
- Prävalenz mit zunehmendem Alter steigend [1]
- Radiologische Zeichen einer Koxarthrose: 10–20% der europäischen Bevölkerung [2]
- Klinische und radiologische Zeichen einer Koxarthrose: 3–6% der europäischen Bevölkerung [3]
- Inzidenz: 240 Neuerkrankungen/100.000/Jahr [4]
- 1% aller über 70-Jährigen
- Implantation einer Totalendoprothese [5]
- Routineeingriff: Gehört zu den 20 häufigsten operativen Eingriffen in deutschen Krankenhäusern
- Ca. 150/100.000/Jahr
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Primärarthrose: Idiopathisch
- Idiopathische Genese
- Prädispositionsfaktoren
- Weibliches Geschlecht
- BMI >25
- Höheres Lebensalter
Sekundärarthrose
- Allgemein
- Posttraumatische oder anlagebedingte Form- und Funktionsstörungen
- Entzündliche Gelenkerkrankungen: Rheumatoide Arthritis
- Stoffwechsel- und metabolische Erkrankungen: Hypercholesterinämie, Hyperurikämie, Hämochromatose, Diabetes mellitus
- Spezifisch: Koxarthrose
Klassifikation
Allgemeine radiologische Klassifikation der Arthrose
- Siehe auch: Klassifikation nach Kellgren und Lawrence
Klassifikation der Osteoarthrose des American College of Rheumatology [6][7]
| Klassifikation der Koxarthrose des ACR | |
|---|---|
| Klinisch | Klinisch und radiologisch |
Oder
|
|
Symptomatik
- Allgemein: Siehe Arthrose - Symptome
- Zeitlicher Verlauf
- Primärarthrose: Langsame Progredienz der klinischen Symptomatik
- Sekundärarthrose: Abhängig von Ursache, bisweilen schnelle Ausbildung einer Symptomatik und Destruktion des Gelenks
- Koxarthrose
- Schmerz in der Leistenregion und über dem Trochanter major
- Initial eingeschränkte Innenrotation, später Innen- und Außenrotation schmerzhaft
- Progrediente Beugekontraktur mit resultierender Funktionsstörung
- Aktivierte Arthrose: Kardinalzeichen der Entzündung
Vorgehen in der Notaufnahme
- Anamnese und körperliche Untersuchung
- Venöser Zugang und Blutentnahme: Bei geplanter i.v. Analgesie oder stationärer Aufnahme
- Monitoring bei Opioidgabe: Pulsoxymetrie, Blutdruck
- Schmerzadaptierte Analgesie
- Bei leichten Schmerzen: Basismaßnahmen (Ruhigstellung und lokale Kühlung) und Nicht-Opioid-Analgetika
- Topische Applikation von NSAR: Bspw. Diclofenac-Salbenverband
- Kurzfristige i.v. Analgesie mit Metamizol , alternativ: Paracetamol
- Anschließend orale Gabe von NSAR: Ibuprofen oder Diclofenac retardiert
- Bei starken Schmerzen : Piritramid
- Bei leichten Schmerzen: Basismaßnahmen (Ruhigstellung und lokale Kühlung) und Nicht-Opioid-Analgetika
- Weitere medikamentöse Maßnahmen
- Bei Immobilisation: Medikamentöse Thromboseprophylaxe anordnen (Enoxaparin , alternativ Certoparin
- Bei Opioidgabe zur Prophylaxe und Behandlung einer opioidinduzierten Übelkeit: Dimenhydrinat
- Bildgebung
- Koxarthrose: Beckenübersicht a.p. und axiale/seitliche Aufnahme des Hüftgelenks
- Gonarthrose: Kniegelenk in 2 Ebenen und Patella tangential
Diagnostik
Anamnese
- Schmerz
- Akute Schmerzepisode vs. chronischer Schmerz
- Belastungs- und Bewegungsschmerz
- Morgensteifigkeit und Anlaufschmerz
- Ruhe- und Nachtschmerz
- Bewegungs- und Funktionseinschränkung: Schmerzfreie Gehstrecke/-dauer
- Sozialanamnese
- Freizeitverhalten und ausgeübte Sportarten: Fehlbelastungen im Alltag
- Berufliche Tätigkeit (sitzend, kniend)
- Medizinische Vorgeschichte
Körperliche Untersuchung
- Inspektion: Im Seitenvergleich
- Entzündungszeichen
- Achsenverhältnisse im Stehen in der Sagittal- und Frontalebene
- Beckenschiefstand: Beckenvorkippung bei Hüftbeugekontraktur
- Beinlängendifferenz
- Gangbild: Entlastungshinken, Trendelenburg-Hinken
- Muskelatrophien
- Palpation
- Druckschmerz: In der Leiste, über dem Trochanter major
- Überwärmung bei aktivierter Arthrose
- Periartikuläre Schwellungen
- Krepitationen
- Funktionsuntersuchung
- Neutral-0-Methode: Flexion mit Innenrotation schmerzhaft
- Orthopädische Untersuchung der Hüfte und des Iliosakralgelenks, insb.
- Stauchungsschmerz
- Thomas-Handgriff: Hinweis auf eine Hüftbeugekontraktur
- Vierer-Zeichen: Schmerzhafte Flexion, Außenrotation und Abduktion im Hüftgelenk
Röntgen
- Indikation: Akuter/chronischer/belastungsinduzierter Hüftschmerz ohne Trauma
- Durchführung: Beckenübersicht a.p. und axiale/seitliche Aufnahme des Hüftgelenks
- Befund und Interpretation
- Arthrosezeichen : Gelenkspaltverschmälerung , Osteophyten, subchondrale Sklerosierung und Geröllzysten
- Frühzeichen einer Koxarthrose: Sichelförmiges, lateral ansteigendes Pfannendach-Supercilium
- Verkalkung von Weichteilstrukturen
Fakultative Diagnostik
- Sonografie, ggf. Gelenkpunktion
- Bei Schwellung mit V.a. Bursitis, intraartikulärem Erguss
- Bei Diskrepanz zwischen bisheriger Bildgebung und Klinik oder unklarem Röntgenbefund
- Labordiagnostik (Serologie): Bei V.a. einen Infekt
- MRT
- Bei Diskrepanz zwischen bisheriger Bildgebung und Klinik
- Bei ausbleibender Beschwerdelinderung unter Standardtherapie
- Bei geplantem gelenkerhaltendem Therapieansatz empfohlen
- CT
- Zum Ausschluss posttraumatischer Knochendefekte
- Bei Diskrepanz zwischen bisheriger Bildgebung und Klinik
- Bei ausbleibender Beschwerdelinderung unter Standardtherapie
- Diagnostische Infiltration mit Lokalanästhesie: Zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnosen
- Morbus Perthes
- Coxa saltans
- Inkarzerierte Leistenhernie
- Femoroazetabuläres Impingement-Syndrom
- Osteochondrosis dissecans
- pAVK
- Bursitiden und Gelenkinfektionen
- Gicht und entzündlich-rheumatische Gelenkveränderungen
- Ossäre Metastasen
- Selten: Primäre Knochentumore
- Gelenknahe Frakturen
- Hüftkopfnekrose
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Die Therapie der Koxarthrose wird in einen konservativen und einen operativen Therapiezweig unterteilt. Generell versucht man alle konservativen Therapieoptionen auszuschöpfen, bevor eine operative Therapie eingeleitet wird. Im Folgenden findet sich eine Übersicht der einzelnen Therapiemöglichkeiten, welche später detailliert erklärt werden.
Konservative Therapie
- Nicht-medikamentöse Therapie
- Patientenaufklärung und -edukation: Bewegung im Rahmen gelenkschonender Sportarten (bspw. Schwimmen, Radfahren), Vermeidung von High-Impact-Sportarten
- Physiotherapie und physikalische Therapie
- Akupunktur
- Orthopädische Hilfsmittel: Einlagen, Pufferabsätze , Unterarmgehstützen („Gehstock“ auf der gesunden Seite zur Entlastung des betroffenen Beines)
- Medikamentöse Therapie nach WHO-Stufenschema
Operative Therapie
Gelenkerhalt
- Arthroskopien: Bspw. bei Impingement oder Entfernung freier Gelenkkörper
- Knorpelersatzverfahren: Insb. bei fokalen Defekten
- Umstellungsosteotomien: Bspw. Pfannendachosteotomie
Gelenkersatz
- Allgemeine Indikationen zum Gelenkersatz
- Schmerz für mind. 3–6 Monate und Nachweis eines Strukturschadens (Arthrose, Osteonekrose)
- Versagen konservativer Therapiemaßnahmen
- Subjektiver Leidensdruck und Einschränkung der Lebensqualität
- Starke traumatische Gelenkdestruktion und gelenknahe Fraktur
- Hemiprothesen: Duokopfprothese
- Indikation: Isolierte Schädigung des proximalen Femurs bei alten Patienten
- Beschreibung: Prothetischer Ersatz des Femurkopfes durch eine bipolare Schaftprothese mit kleinem Gelenkkopf, auf die ein größerer, beweglicher Prothesenkopf aufgesetzt wird
- Totalendoprothesen (TEP): Hüft-TEP
- Varianten: Zementiert, zementfrei und Hybrid-TEP
- Indikation: Koxarthrose in fortgeschrittenem Stadium, konservative Therapieresistenz, aseptische Hüftkopfnekrose im Erwachsenenalter, rheumatoide Arthritis [8]
- Beschreibung: Prothetischer Ersatz von Femurkopf und Hüftpfanne
- Arthrodese
- Indikation: Sehr weit fortgeschrittene Gelenkdestruktion, bei der ein prothetischer Ersatz nicht mehr möglich ist (Ultima Ratio)
- Beschreibung: Operative Gelenkversteifung
Konservative Therapie
Die konservative Therapie der Gon- und Koxarthrose ist eine rein symptomatische Therapie, d.h. die Beschwerden sollen gelindert werden. Im Rahmen begleitender sekundärprophylaktischer Maßnahmen kann eine Progression der Arthrose reduziert bzw. verlangsamt werden.
Nicht-medikamentös
- Patientenaufklärung und -edukation
- Bewegung bei gleichzeitiger Belastungsminderung: Keine High-Impact-Sportarten
- Physiotherapie
- Manuelle Therapie
- Krankengymnastik
- Muskelaufbau: Ausdauer und Kräftigung im Rahmen gelenkschonender Sportarten
- Propriozeptives Training
- Physikalische Therapie
- Anwendung von Wärme- und Kältepackungen (Fango)
- Balneo- und Hydrotherapie
- Elektrotherapie: TENS
- Pulsierende Magnetfeldtherapie [4]
- Orthopädische Hilfsmittel nach § 33 SGB V
- Einlagen/Schuhzurichtungen: Bspw. Pufferabsätze
- Unterarm-Gehstützen: „Gehstock“ auf der gesunden Seite zur Entlastung des betroffenen Beines
- Entlastungs-/Stabilisierungsorthesen (sog. Unloader braces)
- Kurzfristige Ruhigstellung bei akuter Schmerzexazerbation
Medikamentös
Die medikamentöse Therapie richtet sich nach dem WHO-Stufenschema. Unterschieden werden zusätzlich noch SYRADOA , also Medikamente wie NSAR und Opioide, die eine schnelle Schmerzlinderung bewirken, und SYSADOA , Medikamente, die nur langsam ihre Wirkung entfalten, dafür aber über mehrere Monate wirken.
SYRADOA: Symptomatic Rapid Acting Drugs for Osteoarthritis
- Topisch applizierte NSAR: Bspw. Diclofenac-Salbe (insb. bei Patienten ≥75 Jahren indiziert)
- Orale NSAR : Kurzzeitig in der niedrigsten wirksamen Dosierung
- Bei normalem GI-Risiko: Bspw. Ibuprofen , alternativ Coxibe wie Etoricoxib
- Bei erhöhtem GI-Risiko: Zusätzlich Protonenpumpen-Inhibitoren wie Pantoprazol oder Omeprazol
- Bei erhöhtem kardiovaskulären Risiko: Naproxen
- Ggf. Kombination mit adjuvanten oralen Medikamenten: Bspw. Nortriptylin, Amitriptylin, Gabapentin
- Bei Kontraindikation für NSAR oder unzureichender Linderung: Glucocorticoide intraartikulär
- Orale Opioide : Kurzzeitig in der niedrigsten wirksamen Dosis
SYSADOA: Symptomatic Slow Acting Drugs for Osteoarthritis
- Glukosamin oral: Regeneration der Knorpelstruktur und des Knorpelstoffwechsels [9]
- Hyaluronsäure intraartikulär: Einsatz zur Schmerzlinderung bei Kontraindikation oder unzureichendem Effekt von NSAR
Operative Therapie
Gelenkerhalt [10][11]
- Indikation: Frühstadien der Koxarthrose
- Verfahren
- Hüftarthroskopie: Entfernung freier Gelenkkörper
- Offene gelenkerhaltende Verfahren
- Minimalinvasive Arthrotomie, chirurgische Hüftluxation
- Umstellungsosteotomien : Verbesserung der Gelenkflächenkongruenz
Hüftarthroskopie [11]
- Indikation
- Femoroazetabuläres Impingement
- Hüftdysplasie
- Freie Gelenkkörper
- Fehlstellung: Posttraumatisch oder angeboren
- Therapieziel
- Schmerzreduktion
- Gelenkerhalt
- Verbesserung der Gelenkfunktion
- Vorbereitung
- Bildwandler und Arthroskopieturm
- Lagerung auf einem Extensionstisch in Seiten- oder Rückenlage
- Verfahren
- Dreidimensionale CAM-Osteotomie bei femoroacetabulärem Impingement
- Dreidimensionale Pincer-Osteotomie bei femoroacetabulärem Impingement
- Labrumnaht/ -refixation/ -resektion/ -rekonstruktion
- Synovektomie
- Entfernung freier Gelenkkörper
- (Osteo‑)chondrale Therapie: Bspw. Defektauffüllung, osteochondraler Transfer
- Kapselrelease/ -raffung/ -rekonstruktion
Gelenkersatz
Ziel
- Erhalt des natürlichen Drehzentrums
- Freie Beweglichkeit ohne Anschlag (Impingement)
- Keine Luxation im physiologischen Bewegungssektor
Indikation
- Koxarthrose in fortgeschrittenem Stadium bei konservativer Therapieresistenz und Beschwerdepersistenz
- Z.n. Hüftkopfnekrose
- Oberschenkelhalsfraktur mit hohem Kopfnekrose- oder Pseudarthrose-Risiko, Neoplasien
Kontraindikation
- Absolut
- Infektion im Hüftgelenk
- Generelle Kontraindikationen für einen elektiven Eingriff (ASA-Klassifikation 3/4)
- Relativ
- Sehr hoher BMI (>40)
- Deutlich verkürzte Lebenserwartung durch Komorbiditäten
- Suchtmittelabhängigkeit
- Psychiatrische Begleiterkrankungen
Vorbereitung
- Messung des Bewegungsumfangs und der Beinlängen
- Röntgen: Tief eingestellte Beckenübersichtsaufnahme (a.p.) und axiale Aufnahme der Hüfte
- Entnahme von Kreuzblut und Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten
- Ggf. Anlage eines Schmerzkatheters zur frühzeitigen postoperativen, schmerzfreien Mobilisierung
Verfahren: Hüftgelenkprothesen
- Hemiprothese: Prothetischer Ersatz des Femurkopfes unter Belassen der Hüftpfanne
- Bipolar (Duokopfprothese): Implantation eines Prothesendoppelkopfes
- Unipolar: Starrer Ersatz des Femurkopfes
- Totalendoprothese (Hüft-TEP): Prothetischer Ersatz von Femurkopf und Hüftpfanne
- Zementfreie TEP: Bei jüngeren Patienten, bei denen ein Prothesenwechsel wahrscheinlich ist
- Hybrid-TEP
- Zementierte TEP: Bei älteren Patienten zur schnellen Mobilisierung oder bei fortgeschrittener Osteoporose
Für detailliertere Informationen siehe auch: Endoprothetik des Hüftgelenks
Nachsorge
- Röntgenkontrolle des Prothesensitzes
- Ossifikationsprophylaxe: NSAR für 14 Tage
- Medikamentöse Thromboseprophylaxe für 28–35 Tage postoperativ (siehe auch: Thromboseprophylaxe - Operative Eingriffe)
AMBOSS-Pflegewissen: Hüft-TEP
Spezielle präoperative Pflege
Siehe AMBOSS-Pflegewissen: Präoperative Pflege
- Ggf. Abnahme von Kreuzblut nach ärztlicher Anordnung: Siehe Blutabnahme zur Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe
- Präoperative Hygienemaßnahmen im OP-Gebiet: Es gelten die hausinternen Standards!
- Lagerungsschiene mit in den OP geben
Spezielle postoperative Pflege
Für weitere Informationen siehe
Beobachten/Überwachen
- Regelmäßiges Basismonitoring: Größerer intra- und postoperativer Blutverlust möglich
- Drainagen: Auf Lage und ggf. Sog der Drainage sowie Menge, Farbe und Beimengungen des Sekrets achten
- Flüssigkeitsbilanzierung: Nach ärztlicher Anordnung
Mobilisation/Positionierung
Nach der OP besteht das Risiko einer (Sub‑)Luxation der Endoprothese, daher gilt es, bei der Lagerung und Mobilisierung der Betroffenen bestimmte Bewegungen und Positionen zu vermeiden.
- Erstmobilisation: Nach ärztlicher Anordnung
- Häufig bereits am OP-Tag
- Nach Röntgenkontrolle der Gelenkprothese
- Mit Begleitung
- Mit Unterstützung, bspw. Unterarmgehstützen, Gehbock oder Rollator
- Individuelle Belastung des operierten Beines
- Falls keine ärztlichen Angaben vorliegen: Mobilisierung ohne Belastung des operierten Beines!
- Ablauf der Mobilisation
- Aufstehen über die Bettseite des operierten Beines
- Hochstellen des Kopfteils des Bettes um bis zu 45°: Hüfte darf nicht um ≥90° gebeugt werden.
- Anstellen des nicht-operierten Beines
- Unterstützen des operierten Beines durch die Pflegekraft mit einer Hand am Sprunggelenk und einer Hand in der Kniekehle
- Patient:in mobilisiert sich mithilfe der Triangel am Bettaufrichter/-galgen und über Abdrücken mit dem gesunden Bein an die Bettkante der operierten Seite
- Mobilisierung des operierten Beines nur durch die Pflegekraft: Bein darf weder nach außen noch nach innen rotiert werden, eine leichte Abduktionsstellung ist vorteilhaft
- Pflegekraft führt das Bein bis über die Bettkante
- Auch im Sitzen an der Bettkante darf die Hüfte nicht um ≥90° gebeugt werden
- Hilfsmittel (Gehstützen, Gehbock) bereitstellen
- Aufstehen mit Hilfsmitteln durch Belastung des nicht-operierten Beines
- Bei Bedarf: Mobilisation mithilfe einer zweiten Pflegekraft, die von der anderen Seite den Oberkörper unterstützt
- Positionierung
- Das operierte Bein in den ersten postoperativen Tagen in einer Schiene lagern, insb. zum Schlafen
- CAVE: Kontrakturgefahr!
- Im weiteren Verlauf zum Schlafen ein großes Kissen zwischen die Beine legen
- Bei liegender Drainage keine Lagerung auf der operierten Seite
- Das operierte Bein in den ersten postoperativen Tagen in einer Schiene lagern, insb. zum Schlafen
- Zu vermeidende Bewegungen des operierten Beines
- Add- und Abduktion
- Innen- und Außenrotation
- Beugung der Hüfte ≥90°
- Hilfsmittel zur Vermeidung einer Hüftbeugung ≥90°
- Toilettensitzerhöhung
- Keilkissen
- Greifzange mit langem Griff
- Schuhanzieher mit langem Griff
- Hilfsmittel zur Vermeidung einer Hüftbeugung ≥90°
Körperpflege/Prophylaxen
- Körperpflege: Bedarfsgerecht, wenn möglich mit Mobilisation verbinden
- Prophylaxen: Bedarfsgerecht, insb
Nachsorge
Nachbehandlungsempfehlung bei Hüftendoprothese [12]
- Thromboseprophylaxe
- Basismaßnahmen
- Medikamentöse Thromboseprophylaxe für 28–35 Tage, siehe auch Thromboseprophylaxe - Operative Eingriffe
- Stabilität der Endoprothese
- Woche 1–2: Bewegungsstabilität
- Woche 3–12: Belastungsstabilität
- Ab Woche 13: Trainingsstabilität
| Zeit | Behandlungsziel | Maßnahmen |
|---|---|---|
| OP-Tag |
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| ≥1.Tag |
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| ≤2. Tag |
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| ≤3. Tag |
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| ≤2. Woche |
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| ≤6. Woche |
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| ≤12. Woche |
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| ≤16. Woche |
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| ≥4. Monat |
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| ≥7. Monat |
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Komplikationen
Akutkomplikationen bei operativer Therapie der Koxarthrose
- Tiefe Beinvenenthrombose
- Frühinfekt (innerhalb der ersten 6 postoperativen Wochen): Infizierte Osteosynthese und Endoprothese
-
Prothesenluxation
-
Risiko bei Hüftgelenksendoprothese abhängig vom operativen Zugangsweg
- Anterolateraler Zugang: Endgradige Adduktion und Außenrotation sollte vermieden werden
- Dorsolateraler Zugang: Hüftbeugung und Innenrotation sollten vermieden werden
-
Risiko bei Hüftgelenksendoprothese abhängig vom operativen Zugangsweg
- Inlayluxation bei mobilen Inlays
Spätkomplikationen bei operativer Therapie der Koxarthrose
- Aseptische Prothesenlockerung: Häufigste Spätkomplikation
- Fehlstellung und -funktion: Beinlängendifferenz
- Beschwerdepersistenz und -progression
-
Spätinfekt (nach der 6. postoperativen Woche): Infizierte Osteosynthese und Endoprothese
- Typischer Befund im Röntgen: Periprothetischer Lysesaum
- Prophylaxe: Frühzeitige Antibiotikatherapie bei Infektionen mit potenzieller Bakteriämie
- Protrusionskoxarthrose: Arthrose im Rahmen einer Vorwölbung des Acetabulums nach medial in Richtung des kleinen Beckens (Protrusio acetabuli)
- Periartikuläre Verknöcherungen (Ossifikationen): Siehe Myositis ossificans localisata
- Siehe auch: Operative Verfahren der Unfallchirurgie/Orthopädie: Komplikationen nach Osteosynthese/Endoprothese
Myositis ossificans
- Synonyme: Weichteilverknöcherung, heterotope Ossifikation
- Kurzbeschreibung: Weichteil- und Muskelverknöcherungen, die entweder angeboren sind (Myositis ossificans progressiva) oder nach Gewebs- oder Gelenkverletzungen bzw. -operationen (Myositis ossificans localisata/circumscripta) entstehen können
- Lokalisierter Verlauf (Myositis ossificans localisata)
- Ätiologie
- Posttraumatisch: Vor allem nach Implantation eines künstlichen Hüftgelenks und nach Polytraumata
- Neurogen: Nach Nervenverletzungen, Meningitiden und Rückenmarksverletzungen
- Chronisch-degenerative Erkrankungen (bspw. bei Morbus Bechterew)
- Muskuläre Überbeanspruchung (bspw. bei Leistungssportler:innen)
- Klinik: Unspezifisch → Bewegungseinschränkung, Muskelverhärtung
- Diagnostik
- Weichteilverknöcherungen sind im konventionellen Röntgen nachweisbar
- Radiologisch periartikulär schollige Weichteilverkalkungen
- Laborchemisch erhöhte alkalische Phosphatase
- Positive Szintigrafie
- Therapie: Strahlentherapie, evtl. operative Behandlung
- Rezidivprophylaxe: Einmalige Bestrahlung (7–8 Gy) empfohlen (post- oder präoperativ möglich)
- Alternativ: Postoperative Gabe von NSAR (Indometacin)
- Ätiologie
- Progressiv generalisierter Verlauf (Myositis ossificans progressiva / Fibrodysplasia ossificans progressiva)
- Ätiologie: Extrem seltene autosomal-dominante Erbkrankheit
- Pathophysiologie: Bei jeder Art von Trauma produzieren Fibrozyten bei der Wundheilung Knochengewebe statt Narbengewebe
- Klinik
- Generalisierte Verknöcherung meist von kranial nach kaudal (lebensbedrohlich bei Befall der Atemmuskulatur)
- Bei Geburt häufig bereits Malformation der großen Zehen
- Im Verlauf entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder große, schmerzhafte, stark durchblutete Schwellungen, die nach Abheilung Knochengewebe zurücklassen
- Therapie
- Keine Kausaltherapie
- Symptomatisch: Traumata vermeiden, NSAR, Bestrahlung, invasive Behandlungen wenn möglich vermeiden
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Generell: Chronisch-progrediente Erkrankung ohne Heilungschancen
- Umstellungsosteotomie: Bei ⅓ der Patienten nach 10 Jahren Revision notwendig
- Hüft-TEP-Standzeit: Ca. 15 Jahre
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- M16.-: Koxarthrose [Arthrose des Hüftgelenkes]
- M16.0: Primäre Koxarthrose, beidseitig
- M16.1: Sonstige primäre Koxarthrose
- Primäre Koxarthrose: einseitig, o.n.A.
- M16.2: Koxarthrose als Folge einer Dysplasie, beidseitig
- M16.3: Sonstige dysplastische Koxarthrose
- Dysplastische Koxarthrose: einseitig, o.n.A.
- M16.4: Posttraumatische Koxarthrose, beidseitig
- M16.5: Sonstige posttraumatische Koxarthrose
- Posttraumatische Koxarthrose: einseitig, o.n.A.
- M16.6: Sonstige sekundäre Koxarthrose, beidseitig
- M16.7: Sonstige sekundäre Koxarthrose
- Sekundäre Koxarthrose: einseitig, o.n.A.
- M16.9: Koxarthrose, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.