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Nephrotisches Syndrom

Letzte Aktualisierung: 7.11.2023

Abstracttoggle arrow icon

Als nephrotisches Syndrom wird die Kombination aus einer schweren Proteinurie, einer Hypalbuminämie und Ödemen bezeichnet. Das nephrotische Syndrom weist immer auf eine glomeruläre Erkrankung hin, bei der infolge einer Podozytenschädigung die Durchlässigkeit des glomerulären Filters für Proteine erhöht ist. Durch den massiven renalen Proteinverlust werden im Verlauf die Nephrone geschädigt und vermehrt Natrium und Flüssigkeit retiniert, wodurch die Ödeme entstehen. Der Proteinverlust kann zunächst durch eine gesteigerte Synthese in der Leber kompensiert werden, bei der jedoch gleichzeitig vermehrt Lipoproteine gebildet werden und somit eine Hyperlipidämie resultiert. Übersteigt der Verlust die Synthese, kommt es zu einer Hypalbuminämie, was die Ödembildung verstärkt und zusätzlich zu Thromboembolieneigung und Infektanfälligkeit führt.

Die häufigsten Ursachen für ein nephrotisches Syndrom sind die Minimal-Change-Glomerulopathie (bei Kindern), die membranöse Glomerulopathie (bei Erwachsenen) sowie die fokal-segmentale Glomerulosklerose. Aber auch systemische Erkrankungen mit glomerulärer Beteiligung wie bspw. der SLE können ein nephrotisches Syndrom auslösen.

Diagnostisch ist neben klinischen Befunden und laborchemischen Untersuchungen von Blut und Urin v.a. die Nierenbiopsie entscheidend (Goldstandard). Therapeutisch steht die Verringerung der Proteinurie im Vordergrund, insb. da sich dies prognostisch günstig auswirkt. Daneben müssen natürlich auch die Begleiterscheinungen (bspw. Hyperlipidämie, arterielle Hypertonie) sowie die zugrunde liegenden Erkrankungen behandelt werden.

Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion “Tipps & Links".

Definitiontoggle arrow icon

Eine isolierte schwere Proteinurie wird als nephrotische Proteinurie bezeichnet. Von einem nephrotischen Syndrom spricht man jedoch nur, wenn zusätzlich Ödeme und eine Hypalbuminämie vorliegen! [4]

Ätiologietoggle arrow icon

Primär glomeruläre Erkrankungen

Systemische Erkrankungen mit glomerulärer Schädigung

Pathophysiologietoggle arrow icon

Einem nephrotischen Syndrom liegt immer eine Schädigung des glomerulären Filters zugrunde. In der Folge werden Proteine während der glomerulären Filtration nicht mehr ausreichend zurückgehalten und es kommt zu einem ausgeprägten Proteinverlust. Dieser verursacht die für das nephrotische Syndrom typischen Symptome wie bspw. Ödeme.

Schädigung des glomerulären Filters [4]

Folgen des Proteinverlusts

Minimal-Change-Glomerulopathie (MCD)toggle arrow icon

Definition: Glomerulopathie mit Schädigung der Podozyten ohne Nachweis von Pathologien in der Lichtmikroskopie

Epidemiologie und Ätiopathogenese

  • Häufige Ursache des nephrotischen Syndroms
    • In 70–90% ursächlich im Kindesalter (insb. vor dem 10. Lebensjahr)
    • In 15–25% ursächlich im Erwachsenenalter
  • Ätiologie
  • Pathogenese: Weitgehend unbekannt

Klinisches Bild

  • Abrupter Beginn mit ausgeprägten Ödemen, ggf. schäumendem Urin
  • Weitere mögliche Symptome
    • Hypertonie (30–50% der Patient:innen)
    • Atopische oder allergische Symptome (30–40% der Patient:innen)

Diagnostik

Zum allgemeinen diagnostischen Vorgehen siehe: Diagnostik bei nephrotischem Syndrom

Therapie

Die MCD ist die einzige glomeruläre Erkrankung, die unter adäquater Therapie eine sehr gute Prognose hat!

Prognose

  • Bei Kindern in 30% Spontanremission
  • Unter Steroidtherapie
    • Kinder: In >90% Remission nach 8 Wochen
    • Erwachsene: Remission bei ca. 80% und teils erst nach >16 Wochen
  • Rezidive
    • Kinder: Hohe Rezidivrate (70–75%)
    • Erwachsene: Seltener, aber therapieresistenter

Fokal-segmentale Glomerulosklerose (FSGS)toggle arrow icon

Definition: Glomeruläre Erkrankung mit typischem histopathologischen Schädigungsmuster, dem verschiedene Pathomechanismen zugrunde liegen können

Epidemiologie

  • Ursache von bis zu ⅓ der nephrotischen Syndrome im Erwachsenenalter
  • Zunehmende Inzidenz der primären FSGS (Ursache unklar)
  • Höhere Inzidenz bei Personen mit Vorfahren aus Subsahara-Afrika [5][6]

Ätiologie und Pathogenese

Klinisches Bild

Diagnostik

Zum allgemeinen diagnostischen Vorgehen siehe: Diagnostik bei nephrotischem Syndrom

  • Labordiagnostik: Kreatininerhöhung bei ¼ der Patient:innen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung
  • Nierenbiopsie: Immer erforderlich
    • Durchführung: Biopsie aus tieferen Gewebeschichten [1]
    • Befund: Fokal und segmental sklerosierende Veränderungen der Glomeruli

Therapie

Prognose der primären FSGS

Membranöse Glomerulopathie (MG)toggle arrow icon

Definition: Glomerulopathie mit Podozytenschädigung durch Autoantikörper und Entstehung von Immunkomplexen, die mit einer lichtmikroskopisch sichtbaren Verdickung der glomerulären Basalmembran einhergeht

Epidemiologie

  • Häufigste Ursache des nephrotischen Syndroms im Erwachsenenalter (ca. 30%), bei Kindern sehr selten
  • Vorwiegend Männer zwischen 30 und 50 Jahren betroffen

Pathogenese und Ätiologie

Klinisches Bild

  • Manifestation meist als nephrotisches Syndrom
  • Nephrotisches Syndrom bei MG mit besonders hohem thromboembolischen Risiko verbunden

Diagnostik

Zum allgemeinen diagnostischen Vorgehen siehe: Diagnostik bei nephrotischem Syndrom

Therapie

Prognose der idiopathischen MG

  • In 30 % Spontanremission (jedoch häufig erst nach Jahren), in 30% persistierende Proteinurie mit stabiler Nierenfunktion, in 30% fortschreitender Nierenfunktionsverlust
  • Bei Spontanremission sehr gute Prognose

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Diagnostiktoggle arrow icon

Erforderlich zur Diagnosestellung eines nephrotischen Syndroms sind eine körperliche Untersuchung (Nachweis von Ödemen), eine Urinuntersuchung (Nachweis, Quantifizierung und Differenzierung von Protein im Urin) sowie eine Blutuntersuchung (Hypalbuminämie). Gleichzeitig sollte immer eine ätiologische Abklärung erfolgen, die insb. weitere Blutuntersuchungen (Serologien, HbA1c etc.) sowie eine Nierenbiopsie umfasst.

Anamnese und körperliche Untersuchung

  • Vorerkrankungen (insb. Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen, Infektionen)
  • Beginn der Symptomatik
  • Trink- und Urinmenge
  • Kontrolle von Gewicht und Blutdruck
  • Ödeme (häufig zunächst periorbital, im Verlauf generalisiert)

Urinuntersuchung

Blutuntersuchung

Sonografie

Nierenbiopsie [7]

  • Indikation: Goldstandard, zur Diagnosesicherung und Entscheidung für die weitere Therapie i.d.R. erforderlich
    • Ausnahmen
      • Kinder <10 Jahren mit nephrotischem Syndrom, die gut auf Steroide ansprechen
      • Nephrotisches Syndrom bei Erwachsenen, bei dem aufgrund der klinischen Gesamtkonstellation eine bestimmte Diagnose sehr wahrscheinlich ist (z.B. Nierenbeteiligung bei SLE, bekannte genetische Veränderungen)
  • Beurteilung: I.d.R. mittels Lichtmikroskopie (ggf. nach immunhistochemischer Färbung) und Elektronenmikroskopie

Therapietoggle arrow icon

Allgemeine Prinzipien [4][7]

Verringerung der Proteinurie

Therapie der Ödeme [7]

Blutdruckeinstellung [7]

  • Hintergrund: Zur Senkung des allgemeinen kardiovaskulären Risikos und zur Verlangsamung der Progression der Nierenerkrankung
  • Zielwerte: Systolisch <120–130 mmHg, diastolisch <80–85 mmHg [1][4][7]
  • Durchführung

Reduktion des Thromboserisikos [7]

  • Indikation
    • Generell: Individuelle Abwägung unter Berücksichtigung des Blutungsrisikos
    • Empfohlen bei Serumalbumin <2 g/dL (bzw. bei MG bei <2,5 g/dL) und weiteren Risikofaktoren für Thromboembolien [7]
    • Insb. empfohlen, wenn Proteinurie über 3–6 Monate persistiert
  • Durchführung
  • Dauer: Fortsetzen bis zum Abklingen des nephrotischen Syndroms

Bzgl. des Wirkstoffs und der Dosierung zur medikamentösen Prophylaxe von Thrombosen bei nephrotischem Syndrom gibt es keine klare Evidenz! In der klinischen Praxis erhalten jedoch meist alle Personen mit dem Vollbild eines nephrotischen Syndroms eine Vollantikoagulation!

Lipidsenkung

Infektionsprophylaxe [7][9]

Spezifische Therapie

Komplikationentoggle arrow icon

Nierenvenenthrombose

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Nephrotisches Syndrom im Kindesaltertoggle arrow icon

Definition

Im Kindesalter ist ein nephrotisches Syndrom definiert durch:

Ätiologie und Epidemiologie

Dem nephrotischen Syndrom im Kindesalter liegt in den meisten Fällen eine Minimal-Change-Glomerulopathie zugrunde! Andere wichtige Ursachen eines sekundären nephrotischen Syndroms sind jedoch auszuschließen!

Symptome und Klinik

  • Ödeme
    • Häufig initial Lidödeme (beidseitig!) , seltener im Genitalbereich ()
    • Im Verlauf Ödeme von Hand- und Fußrücken bzw. generalisiert
  • Gewichtszunahme
  • Ggf. schaumiger Urin
  • Ggf. Symptome einer zugrunde liegenden Erkrankung

Bei Kindern mit beidseitiger Lidschwellung ohne Konjunktivitis sollte zur diagnostischen Abklärung immer auch ein U-Stix gemacht werden!

Diagnostik

Anamnese und klinische Untersuchung

  • Anamnese, insb. bzgl. möglicher System- oder syndromaler Erkrankungen

Labordiagnostik

Urindiagnostik

Blutuntersuchung

Apparative Diagnostik

Bei nephrotischem Syndrom bei Kindern <10 Jahren erfolgt i.d.R. eine probatorische Prednison-Therapie ohne vorherige Nierenbiopsie!

Therapie des idiopathischen nephrotischen Syndroms

Therapie bei Erstmanifestation

Grundpfeiler der Therapie ist die gewichtsadaptierte Steroidgabe. Weitere Maßnahmen wie die Gabe von Diuretika, ACE-Hemmern/AT1-Rezeptor-Blockern oder Albumininfusionen sollten nur sehr zurückhaltend erfolgen!

Beurteilung des Therapieerfolgs

Vorgehen bei Steroidresistenz

Therapie bei Rezidiven

Komplikationen

Prognose

  • Rezidive häufig (in 80–90%)
  • Wichtigster prognostischer Faktor: Ansprechen auf Glucocorticoide (in >90% der Fälle)
  • Bei Steroidresistenz oder häufigen Rezidiven schlechtere Prognose

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Rituximab bei membranöser Glomerulonephritis (Februar 2020)

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Nephrotisches Syndrom

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

  • N04.-: Nephrotisches Syndrom
    • Inklusive:
      • Angeborenes nephrotisches Syndrom
      • Lipoidnephrose

Morphologische Veränderungen bei glomerulären Krankheiten

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Suttorp et al.: Harrisons Innere Medizin. 20. Auflage Thieme 2020, ISBN: 978-3-132-43524-7.
  2. Herold et al.: Innere Medizin 2021. Herold 2021, ISBN: 978-3-982-11660-0.
  3. Interdisziplinäre S2k-Leitlinie - Rationelle Labordiagnostik zur Abklärung Akuter Nierenschädigungen und Progredienter Nierenerkrankungen.Stand: 1. Januar 2021. Abgerufen am: 21. Februar 2022.
  4. Alscher (Hrsg.): Referenz Nephrologie. Georg Thieme Verlag 2019, ISBN: 978-3-132-40001-6.
  5. Rovin et al.:KDIGO 2021 Clinical Practice Guideline for the Management of Glomerular DiseasesIn: Kidney International. Band: 100, Nummer: 4S, 2021, doi: 10.1016/j.kint.2021.05.021 . | Open in Read by QxMD p. S1-S276.
  6. Hemmerling, Donati:Neuromuscular blockade at the larynx, the diaphragm and the corrugator supercilii muscle: a reviewIn: Canadian Journal of Anesthesia/Journal canadien d'anesthésie. Band: 50, Nummer: 8, 2003, doi: 10.1007/bf03019373 . | Open in Read by QxMD p. 779-794.
  7. Epidemiologisches Bulletin 04/2022.Stand: 27. Januar 2022. Abgerufen am: 21. Februar 2022.
  8. Klinische Angiologie: Nierenvenenthrombosen.. Abgerufen am: 12. April 2022.
  9. Pschyrembel online - Nierenvenenthrombose.Stand: 1. April 2020. Abgerufen am: 12. April 2022.
  10. Coker et al.:Genetic Epidemiology and Associated Diseases of APOL1: A Narrative Review.In: West African journal of medicine. Band: 38, Nummer: 6, 2021, p. 511-519.
  11. Genovese et al.:Association of Trypanolytic ApoL1 Variants with Kidney Disease in African AmericansIn: Science. Band: 329, Nummer: 5993, 2010, doi: 10.1126/science.1193032 . | Open in Read by QxMD p. 841-845.
  12. AWMF Leitlinie (S2e): Idiopathisches Nephrotisches Syndrom im Kindesalter: Diagnostik und Therapie.Stand: 1. Juni 2020. Abgerufen am: 11. April 2022.
  13. Ehren et al.:Nephrotisches Syndrom des Kindes- und JugendaltersIn: Der Nephrologe. Band: 14, Nummer: 3, 2019, doi: 10.1007/s11560-019-0313-3 . | Open in Read by QxMD p. 184-191.
  14. Dietel et al.: Harrisons Innere Medizin (2 Bände). 16. Auflage ABW Wissenschaftsverlagsgesellschaft 2005, ISBN: 978-3-936-07229-7.
  15. Piper: Innere Medizin. 2. Auflage Springer 2012, ISBN: 978-3-642-33107-7.

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