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Chronische Nierenerkrankung

Letzte Aktualisierung: 2.3.2023

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Als chronische Nierenerkrankung (veraltet: chronische Niereninsuffizienz) wird eine dauerhaft verringerte Nierenfunktion bezeichnet. Durch die spezielle Doppelfunktion der Niere als ausscheidendes und endokrin wirksames Organ sind dabei verschiedene Folgeerscheinungen zu beobachten: Einerseits kommt es durch Einschränkung der komplexen Filtrations- und Ausscheidungsfunktionen zur Störung des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes. Andererseits führt die unzureichende Hormonproduktion der kranken Niere unter anderem zu Anämie (EPO-Mangel) oder Osteopathie (Calcitriolmangel u.a.).

Häufigste Ursache im Globalen Norden ist eine diabetische Nephropathie. Therapeutisch stehen neben der Behandlung zugrunde liegender Erkrankungen (z.B. Diabeteseinstellung) die Entlastung der Niere (Flüssigkeitszufuhr, Vermeidung von Noxen) und eine optimale Blutdruckeinstellung im Vordergrund. Zudem müssen Folgeerscheinungen der endo- und exokrinen Funktionsstörungen behandelt werden – z.B. durch medikamentöse Einflussnahme auf den pathologisch gestörten Calciumhaushalt oder eine Korrektur des Wasser- und Elektrolythaushaltes. Langfristig gelingt dies bei höhergradiger chronischer Nierenerkrankung nur durch ein Nierenersatzverfahren (Dialyse) oder eine Organtransplantation.

  • Irreversible Abnahme der exkretorischen (glomerulären, tubulären ) und inkretorischen (endokrinen ) Nierenfunktion
  • Definiert als strukturelle oder funktionelle Auffälligkeit der Niere über mehr als 3 Monate mit Auswirkungen auf die Gesundheit
    • Auffälligkeiten und somit Kriterien zur Diagnosestellung können dabei bspw. pathologische Befunde im Urinsediment, in der Bildgebung oder Histologie oder eine GFR <60 mL/min/1,73m2 sein
  • In Deutschland gibt es >60.000 Dialysepatienten

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Häufigste Ursachen
Diabetische Nephropathie (= Glomerulosklerose Kimmelstiel-Wilson) mit ca. 30–40% häufigster Grund in Deutschland
Hypertensive Nephropathie ca. 20%
Glomerulonephritiden ca. 10–15% (häufigster Grund bei jungen Erwachsenen)
Polyzystische Nierenerkrankungen ca. 10%
Tubulo-interstitielle Nierenerkrankungen (rezidivierende Pyelonephritis, Analgetikanephropathie) ca. 10%

Weitere Ursachen: Vesikoureteraler Reflux, Nephrolithiasis, Amyloidose u.a.

Exkretorisch

Überwässerung

Urämie

Elektrolyte und pH

Inkretorisch (endokrin)

  • Renale Anämie
    • Hauptursache: Erythropoetin-Mangel → Geringere Stimulation der Erythrozytensynthese bei „vorhandenen Substraten“ Normochrome, normozytäre Anämie
    • Weitere Ursachen: Verkürzte Überlebenszeit der Erythrozyten durch urämische Hämolyse; Blutverluste aufgrund urämischer Blutungsneigung; Hemmung der Erythropoese durch Urämietoxine u.a.
  • Renale Osteopathie
    • Definition: Sammelbegriff für Veränderungen des Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung
    • Bedeutsam ist v.a. die Genese über einen sekundären Hyperparathyreoidismus („high-turnover-Osteopathie“)
    • Weitere Formen u.a. Osteomalazie und adynamische Osteopathie

Durch die Hyperphosphat- und Hypokalzämie bei Mangel an Calcitriol kommt es zum sekundären Hyperparathyreoidismus und zur renalen Osteopathie!

Normalwerte der glomerulären Filtrationsrate (GFR)

Es gibt keine allgemein gültigen Normwerte für die GFR – sie ist abhängig von Alter, Geschlecht und Muskelmasse!

  • Methoden: Abschätzung der GFR mittels verschiedener Formeln
  • Normwerte nach Geschlecht (Erwachsene bis ca. 30 Jahre) [1]
    • Männer: Ca. 110 mL/min/1,73 m2
    • Frauen: Ca. 95 mL/min/1,73 m2
  • Abnahme mit steigendem Lebensalter
    • Nach dem 30. Lebensjahr durchschnittlicher Abfall von ca. 10 mL/min pro 10 Jahre

Stadieneinteilung nach KDIGO [2]

Die Stadieneinteilung der chronischen Nierenerkrankung erfolgt anhand der errechneten GFR und des Ausmaßes einer bestehenden Albuminurie.

Stadieneinteilung nach GFR

Stadien der GFR-Reduktion
Stadium Bezeichnung GFR (in mL/min/1,73 m2)
G1 GFR normal oder erhöht ≥90
G2 GFR leichtgradig reduziert 60–89
G3 GFR mittelgradig reduziert G3a: 45–59
G3b: 30–44
G4 GFR hochgradig reduziert 15–29
G5 Nierenversagen [3] <15

Stadieneinteilung nach Albuminurie

Stadien der Albuminurie (siehe auch: Proteinurie - Klassifikation)
Stadium Albuminurie (in mg/24 h)
A1 <30
A2 30–300
A3 >300

Zur Stadieneinteilung der chronischen Nierenerkrankung werden die Buchstaben- und Ziffernkombinationen von GFR-Reduktion und Albuminurie zusammengesetzt! Beispiel: Eine GFR von 50 mL/min/1,73 m2 und ein Albumin-Kreatinin-Quotient von 50 mg/g entsprechen dem Stadium G3aA2.

Bei chronischer Nierenerkrankung ist neben der Überwachung der Kaliumwerte insb. auch die der Calcium- und Phosphatwerte wichtig!

Verlaufsuntersuchungen bei Risikopatienten sollen Kreatinin-Bestimmungen und Urinstatus beinhalten. (DGIM - Klug entscheiden in der Nephrologie)

Zur renalen und kardiovaskulären Risikoabschätzung soll bei Patienten mit chronischer Nierenkrankheit (CKD, GFR <60 mL/min) neben einer eGFR-Abschätzung eine quantitative Bestimmung der Proteinurie (zum Beispiel als Albumin-Kreatinin-Ratio im Spontan- oder Sammelurin) erfolgen. (DGIM - Klug entscheiden in der Nephrologie)

Bei Patienten mit chronischer Nierenkrankheit und einer GFR <45 mL/min (CKD-Stadium 3b oder höher) soll eine Bestimmung von Serum-Phosphat, iPTH und 25-OH-Vitamin D3 erfolgen. (DGIM - Klug entscheiden in der Nephrologie)

Allgemein

Der unbedachte Einsatz von NSAR bei Schmerzen kann eine bestehende chronische Nierenerkrankung verschlechtern!

Hohe orale Flüssigkeitsmengen sollen nicht eingesetzt werden, um die Nierenfunktion zu bessern oder „Nieren zu spülen“. (DGIM - Klug entscheiden in der Nephrologie)

Bei allen Patienten mit CKD und/oder unter immunsuppressiver Therapie soll regelmäßig der Impfstatus geprüft und Impfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) aufgefrischt werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Nephrologie)

Speziell

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Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

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  2. Duggal et al.: National Estimates of CKD Prevalence and Potential Impact of Estimating Glomerular Filtration Rate Without Race In: Journal of the American Society of Nephrology. Band: 32, Nummer: 6, 2021, doi: 10.1681/asn.2020121780 . | Open in Read by QxMD p. 1454-1463.
  3. Ahmed et al.: Examining the Potential Impact of Race Multiplier Utilization in Estimated Glomerular Filtration Rate Calculation on African-American Care Outcomes In: Journal of General Internal Medicine. Band: 36, Nummer: 2, 2020, doi: 10.1007/s11606-020-06280-5 . | Open in Read by QxMD p. 464-471.
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  6. KDIGO 2012 Clinical Practice Guideline for the Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease. Stand: 1. Januar 2013. Abgerufen am: 7. November 2017.
  7. Levey et al.: Nomenclature for kidney function and disease: report of a Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Consensus Conference In: Kidney International. Band: 97, Nummer: 6, 2020, doi: 10.1016/j.kint.2020.02.010 . | Open in Read by QxMD p. 1117-1129.
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