Abstract
Beim Diabetes insipidus ist die Fähigkeit der Nieren, Harn zu konzentrieren, verringert. Es wird zwischen einer zentralen und renalen Form des Diabetes insipidus unterschieden. Ursache der häufigsten, zentralen Form ist ein Mangel des antidiuretischen Hormons (ADH), während die seltene, renale Form auf ein fehlendes Ansprechen der Nieren auf ADH zurückzuführen ist. Es werden große Mengen unkonzentrierten Harns ausgeschieden, weshalb die Patienten einen zwanghaften Durst verspüren, um den Flüssigkeitsverlust wieder auszugleichen. Der ebenso nachts auftretende Harndrang (Nykturie) führt zu Schlafmangel und vermehrter Tagesmüdigkeit. Bei zentraler Ursache ist eine Behandlung mit dem ADH-Analogon Desmopressin möglich. Bei renaler Ursache kann neben einer kausalen Therapie der Versuch einer Behandlung mit Thiaziddiuretika oder Antiphlogistika erfolgen.
Ätiologie
- Diabetes insipidus centralis/neurohormonalis (häufigste Form): Verursacht durch ungenügende oder fehlende Synthese bzw. Sekretion von Antidiuretischem Hormon (ADH) im Hypothalamus (Ort der Synthese) bzw. Hypophysenhinterlappen (Speicherort)
- ⅓ Idiopathisch
- ⅔ Sekundär
- Hirntumoren (v.a. Kraniopharyngeom)
- Schädelhirntrauma
- Meningitis
- u.a.
- Diabetes insipidus renalis (seltene Erkrankung)
- Hereditär
- Erworben
- Hypokaliämie, Hyperkalzämie
- Medikamente (Cisplatin, Amphotericin B, Lithiumcarbonat)
Pathophysiologie
Durch den Mangel an ADH bzw. aufgrund des fehlenden Ansprechens an den entsprechenden Rezeptoren im distalen Tubulus und Sammelrohr ist die Fähigkeit der Niere zur Harnkonzentrierung vermindert (Asthenurie). ADH vermittelt den Einbau von Aquaporinen, wodurch freies Wasser rückresorbiert wird. Ist dieser Mechanismus gestört, wird vermehrt hypotoner Harn ausgeschieden (Polyurie) und es kommt zu einem zwanghaften Durst (Polydipsie).
Symptome/Klinik
- Klassische Symptomtrias
- Polyurie
- Zwanghafte Polydipsie
- Asthenurie
- Weitere Symptome
- Schlaflosigkeit
- Tagesmüdigkeit
Bei fehlender Nykturie ist ein Diabetes insipidus praktisch ausgeschlossen!
Diagnostik
- Labor: Meist hochnormales Serumnatrium durch unzureichende kompensatorische Wasseraufnahme
- Osmolalität Blut: ↑
- Osmolalität Urin: (↓)
- Durstversuch: Wichtigster diagnostischer Test, um einen Diabetes insipidus festzustellen. Bei einem Erkrankten kommt es dabei unter fehlender Hydratation ("Dursten") im Unterschied zum Gesunden nicht zu einer Harnkonzentrierung (kein Anstieg der Urinosmolarität >300 mOsmol/l). Folglich steigt die Plasmaosmolarität.
- ADH- Test (Desmopressin-Test)
- Kurzbeschreibung: Ist im Durstversuch eine Harnkonzentrierung ausgeblieben, kann mittels einer anschließenden Desmopressin-Gabe (ADH-Analogon) zwischen Diabetes insipidus centralis und Diabetes insipidus renalis differenziert werden
- Ergebnis: Im Falle eines zentralen Diabetes insipidus ist die Störung nach Desmopressin-Gabe reversibel (der Mangel an ADH ist behoben), beim renalen dagegen aufgrund der fehlenden Ansprechbarkeit der Rezeptoren nicht.
- ADH- Test (Desmopressin-Test)
- Kochsalzinfusionstest (nach Carter-Robbins): Falls Verdacht auf absichtliche Flüssigkeitsaufnahme bei psychogener Polydipsie besteht
- Apparative Diagnostik: Zum Ausschluss eines Hirntumors muss beim Diabetes insipidus centralis eine Bildgebung des Kopfes (cCT, cMRT) erfolgen.
Differentialdiagnosen
- Diabetes mellitus
- Psychogene Polydipsie: Die bei der neurotischen Polydipsie vorhandene Konzentrationsfähigkeit der Niere kann man mit Hilfe des Durstversuchs nachweisen. Bei der psychogenen Polydipsie steigt nach mehrstündigem Dursten die Urinosmolalität an, bei Vorliegen eines Diabetes insipidus nicht.
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differentialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Diabetes insipidus centralis/neurohormonalis
- Desmopressin: Vasopressin-Analogon ohne vasokonstriktorische Wirkung
- Applikation: Nasal, subkutan oder oral
- Wichtige Nebenwirkung: Hyponatriämie (siehe auch: Hyponatriämie - Therapie)
- Besserung nach Gabe hat auch diagnostischen Wert
- Behandlung der Grunderkrankung
- Desmopressin: Vasopressin-Analogon ohne vasokonstriktorische Wirkung
- Diabetes insipidus renalis
- Versuch mit Thiaziddiuretika und NSAR
- Behandlung der Grunderkrankung
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2021
- E23.-: Unterfunktion und andere Störungen der Hypophyse
- Inklusive: Aufgeführte Zustände, unabhängig davon, ob die Störung in der Hypophyse oder im Hypothalamus liegt.
- Exklusive: Hypopituitarismus nach medizinischen Maßnahmen (E89.3)
- E23.2: Diabetes insipidus
- N25.-: Krankheiten infolge Schädigung der tubulären Nierenfunktion
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2021, DIMDI.
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 90-2019-3/3: Argininstimulierte Copeptinmessung in der Diagnostik des Diabetes insipidus
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