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Pneumonie im Kindes- und Jugendalter

Letzte Aktualisierung: 26.9.2023

Abstracttoggle arrow icon

Eine Pneumonie ist eine infektionsbedingte Entzündung des Alveolarraums und/oder des interstitiellen Lungenparenchyms. Im Kindes- und Jugendalter sind insb. Säuglinge und Kleinkinder <5 Jahren betroffen. Das Erregerspektrum hängt neben dem Alter auch von der Infektionsquelle ab, daher werden die ambulant erworbene Pneumonie (Pediatric Community-acquired Pneumonia, pCAP) und die nosokomiale Pneumonie unterschieden. Insb. bei Säuglingen und Kleinkindern liegen am häufigsten virale Infektionen vor.

Die Diagnosestellung erfolgt i.d.R. klinisch, wobei die Kombination aus Fieber und Tachypnoe die sensitivste Befundkonstellation darstellt. Im Allgemeinen kann die Symptomatik einer Pneumonie im Kindes- und Jugendalter sehr unspezifisch bzw. nur diskret ausgeprägt sein (insb. bei atypischen Pneumonien oder im Säuglingsalter). Weitere Diagnostik (bspw. Bildgebung) ist nur bei schweren und/oder komplizierten Verläufen sowie bei rezidivierenden Pneumonien (zum Ausschluss einer zugrunde liegenden Erkrankung) erforderlich. Da Pneumonien häufig durch Viren verursacht werden, sollte nur bei klinischem V.a. eine bakterielle Infektion eine (i.d.R orale) antibiotische Therapie erfolgen, Mittel der Wahl ist hierfür Amoxicillin. Unterstützend muss auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und körperliche Schonung geachtet werden. Die Prognose bei einer Pneumonie im Kindes- und Jugendalter ist auch bei schweren Verläufen sehr gut. Wirksame präventive Maßnahmen stehen mit den – teils von der STIKO empfohlenen – Impfungen gegen mehrere Pneumonieerreger zur Verfügung.

Dieses Kapitel widmet sich den besonderen Aspekten einer Pneumonie im Kindes- und Jugendalter, für allgemeine Informationen siehe: Pneumonie.

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Inzidenz: Ca. 300/100.000 ≤16-Jährige pro Jahr (in Mittel-/Nordeuropa) [1][2][3][4]
    • Altersgipfel: 0–5 Jahre [5]
    • Saisonalität: Häufung in den Wintermonaten
    • Geschlecht: > in allen Altersgruppen [6]
  • Hospitalisierungsrate: Ca. 160/100.000 <18-Jährige pro Jahr [7]
  • Mortalität
    • Weltweit: Häufigste Todesursache bei <5-Jährigen [8]
    • Deutschland: <100 Todesfälle/Jahr [7]

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Ätiologietoggle arrow icon

Infektionsweg [1]

Erreger

  • Viren (ca. 70%) [5][6]
  • Bakterien (ca. 10–15%) [5][6]
  • Mischinfektionen (ca. 20–30%) [1]
  • Pilze (selten) [5][8]

Die häufigsten bakteriellen Erreger der pCAP sind Pneumokokken (≤5-Jährige) und Mycoplasma pneumoniae (≥6-Jährige)!

Die meisten pCAP sind jedoch viral bedingt, wobei auch viral-bakterielle Mischinfektionen oder virale Koinfektionen auftreten!

Häufigste Erreger spezieller pädiatrischer Pneumonieformen [5][8]
Pneumonieform Bakterien Viren Pilze
Neugeborenenpneumonie (1.–28. Lebenstag)
Nosokomiale Pneumonie
Aspirationspneumonie
Pneumonie bei Immundefekt

Risikofaktoren für eine Pneumonie im Kindes- und Jugendalter [5][6]

Klassifikationtoggle arrow icon

Einteilung nach Entstehungsort [1]

  • Ambulant erworbene Pneumonie (pCAP, Pediatric Community-acquired Pneumonia): Symptombeginn
    • Außerhalb des Krankenhauses oder
    • ≤48 Stunden nach stationärer Aufnahme
  • Nosokomiale Pneumonie: Symptombeginn
    • >48 Stunden nach stationärer Aufnahme oder
    • ≤1 Woche nach stationärer Entlassung

Einteilung nach Symptomatik

Einteilung der pCAP nach klinischem Schweregrad [1]

Bei der nicht-schweren pCAP ist eine ambulante Versorgung möglich, wenn die Eltern über Warnzeichen aufgeklärt werden. Bei einer schweren Pneumonie und/oder einer drohenden respiratorischen Erschöpfung sollte dagegen stationär behandelt werden!

Bei einer altersbezogen normalen Atemfrequenz ohne Fieber ist eine Pneumonie zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen!

Pathophysiologietoggle arrow icon

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Die Symptome einer Pneumonie im Kindesalter sind häufig sehr unspezifisch! Die höchste Sensitivität und Spezifität für das Vorliegen einer Pneumonie hat die Kombination aus Fieber und Tachypnoe! [1]

Fieber kann das einzige Symptom einer Pneumonie sein, aber auch gänzlich fehlen! [1]

Klinische Hinweise auf die Genese der pCAP [1][5]
Merkmale Virale Genese oder atypische Erreger Bakterielle Genese
Verlauf
  • Schleichender Beginn
  • Plötzlicher Beginn
Allgemeinzustand
  • Leicht oder mäßig reduziert
  • Stark reduziert
Fieber
  • Gering (≤39 °C)
  • Hoch (>39 °C)
Husten
  • Trocken
  • Initial fehlend
Begleitsymptome
  • Kopf- und Gliederschmerzen
  • Rhinitis, Pharyngitis
  • Viruspneumonie: Zusätzlich ggf. bronchiale Obstruktion
  • Mykoplasmenpneumonie: Zusätzlich

Ein rascher Beginn mit hohem Fieber und stark reduziertem Allgemeinzustand sprechen eher für eine bakterielle Genese!

Diagnostiktoggle arrow icon

Klinische Diagnosestellung [1]

Die Diagnosestellung einer Pneumonie im Kindesalter erfolgt primär klinisch!

Klinische Zeichen einer Pneumonie, Bronchiolitis und/oder Bronchitis können parallel vorliegen, da die Übergänge teils fließend sind!

Labordiagnostik [1]

Weiterführende Diagnostik ist bei stationärer Aufnahme, schwerer pCAP und/oder bei Therapieresistenz indiziert!

Bildgebung [1][9]

Bei ausbleibender klinischer Besserung nach 48–72 h sind eine weiterführende laborchemische Diagnostik und ggf. eine Bildgebung indiziert!

Eine sichere Differenzierung zwischen viraler und bakterieller Genese ist anhand von Anamnese und Diagnostik häufig nicht möglich!

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Hospitalisierungskriterien [1]

Die Indikation zur stationären Aufnahme sollte bei schlechtem Allgemeinzustand sowie im 1. Lebenshalbjahr großzügig gestellt werden!

Bei ambulantem Verbleib sollten die Eltern über Warnsymptome wie anhaltendes Fieber >48 h, Nahrungsverweigerung, Dehydratation oder eine Zustandsverschlechterung aufgeklärt werden!

Ambulant sollte nach 48–72 h und im stationären Setting mind. 1× täglich eine klinische Verlaufskontrolle erfolgen!

Kriterien für eine intensivmedizinische Betreuung [1]

Entlasskriterien [1]

Allgemeine Maßnahmen [1]

Eine der wichtigsten supportiven Maßnahmen bei einer pCAP ist eine ausreichende Hydratation!

Antibiotische Therapie [1][7]

Nicht jede Pneumonie muss antibiotisch behandelt werden! Bei Säuglingen und Kleinkindern liegt häufig eine virale Infektion vor, daher sollte die Indikationsstellung besonders restriktiv erfolgen!

Eine orale antibiotische Therapie ist auch bei Patient:innen mit schwerer pCAP möglich!

Empirische antibiotische Therapie bei pCAP [1][7]
Auswahlkriterium Therapieempfehlung
Mittel der 1. Wahl
Parenterale Alternative
Penicillin-Unverträglichkeit
Versagen der primären Therapie oder komplizierter Verlauf
Hinweise auf Beteiligung von Anaerobiern
Verdacht auf atypische Pneumonie
  • Therapiedauer
    • Nicht-schwere pCAP: 5 Tage [1][15]
    • Schwere pCAP: Mind. 7 Tage [1]
    • Schwere pCAP durch atypische Erreger: Mind. 10 Tage (Ausnahme: Azithromycin nur 5 Tage) [1]
    • Komplizierter Verlauf: Individuelle Therapiedauer (≤4 Wochen) [7]
  • Absetzen des Antibiotikums: Bei überzeugenden Hinweisen auf eine virale Ätiologie
    • (Wiederholt) niedriger oder unauffälliger CRP-Wert
    • Obstruktiver Auskultationsbefund
    • Fehlendes Fieber bei nicht-schwerer pCAP
    • Plausibler viraler Erregernachweis

Das Mittel der 1. Wahl bei einer nicht-schweren pCAP ist Amoxicillin p.o.!

Bei plausiblem Erregernachweis sollte die Therapie gemäß der Resistenztestung umgestellt werden!

Bei V.a. eine virale Genese sollte kein Antibiotikum gegeben bzw. eine begonnene antibiotische Therapie beendet werden!

Antibiotische Therapie spezieller Pneumonieformentoggle arrow icon

Antibiotische Therapie spezieller Pneumonieformen im Kindes- und Jugendalter [5]
Pneumonieform Mittel der 1. Wahl Alternativen
Neugeborenenpneumonie
Nosokomiale Pneumonie inkl. beatmungsassoziierter Pneumonie
Aspirationspneumonie
Pneumonie bei Immundefekt
Pneumonie bei MRSA-Verdacht/-Nachweis
Pleuraempyem bzw. abszedierende Pneumonie

Komplikationentoggle arrow icon

Pulmonale Komplikationen

Das höchste Risiko für lokale Komplikationen (Pleuraerguss/-empyem) besteht im 1. Lebensjahr!

Systemische Komplikationen

Rezidivierende oder therapierefraktäre Pneumonien [1]

Bei rezidivierenden und/oder therapierefraktären Pneumonien sollte eine Grunderkrankung ausgeschlossen werden!

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Prognosetoggle arrow icon

  • pCAP: Gute Prognose auch bei schweren Verläufen [1]
    • Meist rasche Besserung
    • I.d.R. vollständige Genesung

Sonderform: Neugeborenenpneumonietoggle arrow icon

Sonderformen der Neugeborenenpneumonie

Chlamydia-trachomatis-Pneumonie [16]

Candida-Pneumonie [16]

Beatmungsbedingte Neugeborenenpneumonie [16]

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Kliegmann et al.: Nelson Textbook of Pediatrics. 21. Auflage Kliegmann und Geme 2019, ISBN: 978-0-323-56890-6.
  2. Berner et al.: DGPI-Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. 7. Auflage Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) 2018, ISBN: 978-3-132-40790-9.
  3. Management der ambulant erworbenen Pneumonie bei Kindern und Jugendlichen (pädiatrische ambulant erworbene Pneumonie, pCAP.Stand: 1. März 2017. Abgerufen am: 11. November 2020.
  4. Clark et al.:Epidemiology of community-acquired pneumonia in children seen in hospitalIn: Epidemiology and Infection. Band: 135, Nummer: 2, 2006, doi: 10.1017/s0950268806006741 . | Open in Read by QxMD p. 262-269.
  5. Senstad et al.:Community-acquired pneumonia (CAP) in children in Oslo, NorwayIn: Acta Paediatrica. Band: 98, Nummer: 2, 2008, doi: 10.1111/j.1651-2227.2008.01088.x . | Open in Read by QxMD p. 332-336.
  6. Weigl et al.:Population-Based Incidence of Severe Pneumonia in Children in Kiel, GermanyIn: Klinische Pädiatrie. Band: 217, Nummer: 4, 2005, doi: 10.1055/s-2004-822699 . | Open in Read by QxMD p. 211-219.
  7. Hansen et al.:Ambulant erworbene Pneumonie im KindesalterIn: Monatsschrift Kinderheilkunde. Band: 166, Nummer: 1, 2018, doi: 10.1007/s00112-017-0418-6 . | Open in Read by QxMD p. 16-23.
  8. Wetzke:Schwere ambulant erworbene Pneumonie im Kindes- und JugendalterIn: Monatsschrift Kinderheilkunde. Band: 170, Nummer: 11, 2022, doi: 10.1007/s00112-022-01622-5 . | Open in Read by QxMD p. 975-985.
  9. Atemwegserkrankung bei Kindern - Bildgebende Diagnostik.Stand: 1. März 2023. Abgerufen am: 18. Juli 2023.
  10. Bhalla et al.:Pediatric lung ultrasonography: current perspectivesIn: Pediatric Radiology. Band: 52, Nummer: 10, 2022, doi: 10.1007/s00247-022-05412-9 . | Open in Read by QxMD p. 2038-2050.
  11. Deeg et al.: Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie. 4. Auflage Thieme 2014, ISBN: 978-3-131-00954-8.
  12. Nasseri, Eftekhari:Clinical and Radiologic Review of the Normal and Abnormal Thymus: Pearls and PitfallsIn: RadioGraphics. Band: 30, Nummer: 2, 2010, doi: 10.1148/rg.302095131 . | Open in Read by QxMD p. 413-428.
  13. Staatz: Referenz Radiologie - Kinderradiologie. Thieme 2021, ISBN: 978-3-132-41866-0.
  14. Alves, Sousa:Images in pediatrics: The thymic sail sign and thymic wave signIn: European Journal of Pediatrics. Band: 172, Nummer: 1, 2012, doi: 10.1007/s00431-012-1870-x . | Open in Read by QxMD p. 133-133.
  15. Li et al.:Short-Course vs Long-Course Antibiotic Therapy for Children With Nonsevere Community-Acquired PneumoniaIn: JAMA Pediatrics. 2022, doi: 10.1001/jamapediatrics.2022.4123 . | Open in Read by QxMD.
  16. Hübler, Jorch: Neonatologie. 2. Auflage Georg Thieme Verlag 2019, ISBN: 978-3-131-46072-1.
  17. Hentschel, Jorch: Fetoneonatale Lunge. Thieme 2017, ISBN: 978-3-131-74871-3.

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