Abstract
Die akute Pankreatitis als primär sterile Entzündung der Bauchspeicheldrüse wird in den meisten Fällen durch Erkrankungen der Gallenwege oder Alkoholabusus ausgelöst. Durch Schädigung des Organs kommt es zur lokalen Freisetzung von (unter anderem) proteolytischen Verdauungsenzymen, was zu einer Autodigestion des Organs führt. Zusätzliche Entzündungsreaktionen bewirken dabei ödematöse Verquellung, Blutungen und Vasodilatation. Das Leitsymptom der Erkrankung ist ein meist gürtelförmiger, in den Rücken ausstrahlender Oberbauchschmerz mit „gummiartiger“ Konsistenz des Abdomens. Weitere typische Beschwerden sind Übelkeit und Erbrechen. Diagnostisch führend ist die Bestimmung der Pankreasenzyme im Serum (Lipase, Amylase), wobei auch Entzündungsparameter und LDH erhöht sein können. Ein ungünstiges Zeichen für die Prognose ist ein erniedrigter Serumcalciumwert, da dieses Elektrolyt bei Nekrosen durch Bildung von Kalkseifen ausfällt.
Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist eine ausgiebige Flüssigkeitssubstitution. Zudem ist eine analgetische Therapie sowie eine engmaschige (bei schwerem Verlauf intensivmedizinische) Überwachung indiziert. Wenn die Patienten Appetit verspüren, wird die langjährig als Therapiekonzept durchgeführte Nahrungskarenz nicht mehr empfohlen, sondern eine frühzeitige enterale Ernährung mit schonender Kost angestrebt. Beim Auftreten von Komplikationen (bspw. Pankreaspseudozysten, Nekrosen, Abszesse) kann zusätzlich eine interventionelle oder operative Therapie erfolgen.
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Ätiologie
- Häufigste Ursachen
- Gallenwegserkrankungen = „Biliäre Pankreatitis“ (bspw. Choledocholithiasis, Gallensteinabgang, Stenose der Papilla duodeni major): Ca. 45%
- Alkoholinduziert: Ca. 35%
- Idiopathisch: Ca. 15%
Rauchen ist mit einem erhöhten Risiko für eine nicht-biliäre Pankreatitis vergesellschaftet!
- Weitere Ursachen
- Hypertriglyzeridämie
- Hyperkalzämie bspw. primärer Hyperparathyreoidismus)
- Iatrogen (bspw. bei ERCP)
- Medikamentös-toxisch (bspw. Azathioprin, Statine, weitere medikamentöse Auslöser einer akuten Pankreatitis)
- Virusinfektionen (bspw. Mumps, Herpesviren)
- Bakterielle Infektionen (bspw. Mycoplasma pneumoniae, Mycobacterium tuberculosis)
- Parasitosen (bspw. Ascaris lumbricoides)
- Posttraumatisch (bspw. nach stumpfem Bauchtrauma)
- Pancreas divisum
- Autoimmunerkrankungen und rheumatologische Grunderkrankungen (bspw. Sjögren-Syndrom)
- Hereditär (bspw. Mutation des Trypsinogen-Gens, in diesem Rahmen auch Überschneidungen zur chronischen Pankreatitis und hereditären Pankreatitis)
„I GET SMASHED“: I = Idiopathisch, G = Gallensteine, E = Ethanol, T = Trauma, S = Steroide, M = Mumps, A = Autoimmun, S = Skorpiongift, H = Hyperkalzämie, Hypertriglyzeridämie, E = ERCP, D = Drugs!
Klassifikation
- Atlanta-Klassifikation [2]
- Leichte akute Pankreatitis : Ohne lokale (Nekrosen) und systemische Komplikationen (Organversagen)
- Mittelschwere akute Pankreatitis: Mit lokalen oder systemischen Komplikationen oder passagerem Organversagen (bspw. Nierenversagen), welches sich binnen 48 h bessert
- Schwere Pankreatitis: Mit anhaltendem (länger als 48 h) Organversagen oder Multiorganversagen
Pathophysiologie
- Pankreatitis
- Intrapankreatische Aktivierung von Verdauungsenzymen → Autodigestion des Organs durch proteolytische Enzyme → Schädigung der Acinuszellen → Inflammatorische Reaktion → Proteolyse, Blutungen, Ödeme, Vasodilatation
- Bei schwerem Verlauf Nekrotisierung → Evtl. Infektion der Nekrosen, Abszess, Sepsis
- Fettgewebsnekrose
- Enzymatische Selbstverdauung durch freigesetzte Lipasen, Proteasen und Elastasen → Nekrose des Parenchyms → Akute hämorrhagische Pankreatitis → Freiwerdende Fettsäuren binden Ca2+-Ionen → Verseifung zu Kalkseifen (Saponifikation)
- Intravasale Volumendepletion
- Durch Vasodilatation und Kapillarleckage kommt es zu einem Entzug von Flüssigkeit aus dem Kreislauf → Flüssigkeit sammelt sich in Pankreas, peripankreatischem Gewebe, retroperitoneal und intraperitoneal (Aszites) → Hypotonie → Reduzierte Organperfusion (v.a. Niere)
Das Serum-Ca2+ ist ein quantitativer Marker für den Gewebsschaden und damit ein Prognoseparameter!
Symptome/Klinik
- Leitsymptome
-
Plötzlich einsetzender Oberbauchschmerz
- Evtl. gürtelförmig mit Ausstrahlung in den Rücken
- Bei Gallensteinen kolikartig
- Übelkeit, Erbrechen
-
Plötzlich einsetzender Oberbauchschmerz
- Weitere Symptome
- Häufig: Meteorismus, paralytischer (Sub‑)Ileus mit spärlichen Darmgeräuschen
- Prall-elastisches Abdomen („Gummibauch“)
- Evtl. Fieber, Tachykardie, Hypotonie, Hypoxie, Oligurie/Anurie
- Aszites, Pleuraerguss
- Evtl. Ikterus
- Evtl. EKG-Veränderungen
-
Evtl. Hautzeichen : Bläulich-livide oder grün-braune Ekchymosen jeweils in charakteristischer Lokalisation
- Cullen-Zeichen: Periumbilikal
- Grey-Turner-Zeichen: Flankenregion
- Fox-Zeichen: Leistenregion
Diagnostik
Diagnosekriterien [1]
Die Diagnose einer akuten Pankreatitis kann gestellt werden, wenn mind. 2 der folgenden 3 Kriterien vorliegen:
- Typische abdominelle Schmerzen: Akut beginnende, anhaltende Oberbauchschmerzen, oft mit gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken
- Serum-Lipase↑: Mind. das 3-fache der oberen Norm
- Charakteristische bildmorphologische Befunde: Primär transabdominelle Sonografie, im Verlauf ggf. Endosonografie, CT oder MRT
Laboruntersuchung
- Pankreasenzyme im Serum↑
- Lipase: Sensitivster und spezifischster Parameter
- Bei >180 U/L bzw. >3-facher Erhöhung besteht der Verdacht auf eine Pankreatitis
- Die Höhe der Werte erlaubt keinen Rückschluss auf den Schweregrad bzw. die Prognose einer Pankreatitis
- Amylase (unspezifisch)
- Lipase: Sensitivster und spezifischster Parameter
- Weitere wichtige Laborparameter
- ALT↑ spricht für eine Pankreatitis biliären Ursprungs
- γGT↑ und MCV↑ spricht für eine äthyltoxische Genese
- Prognostisch ungünstige Zeichen (siehe auch: Ranson-Score)
-
Hämatokrit
- Bei Diagnosestellung: Hämatokrit-Erhöhung (♂ >43 %; ♀ ≥40 %) gilt als prognostisch ungünstig
- Im Verlauf nach 48 h: Hämatokrit-Abfall über 10% gilt als Indikator für die Entwicklung einer schweren Pankreatitis, siehe auch Ranson-Score
- Erheblicher LDH-Anstieg
- CRP↑ , Leukozytose, ggf. Procalcitonin-Bestimmungen
- Calcium↓
- Kreatinin↑
- Harnstoff↑
- Hyperglykämie >125 mg/dL bei Diagnosestellung
-
Hämatokrit
Die Bestimmung von Calcium hat einen bedeutsamen Wert → Hyperkalzämie kann Ursache, Hypokalzämie Folge einer Pankreatitis sein!
Apparative Diagnostik
- Sonografie: Primärdiagnostik bei jeder Pankreatitis
- Häufige Befunde bei leichter Pankreatitis
- Unscharfe Begrenzung der Pankreasloge (ödematöse Aufquellung)
- Verminderte Echogenität innerhalb der Pankreasloge
- Ggf. Nachweis von Komplikationen
- Nekrosen, Abszesse, Pankreaspseudozysten
- Peripankreatische Flüssigkeitsansammlung, evtl. Aszitesnachweis
- Ätiologische Abklärung
- Nachweis einer Choledocholithiasis bzw. von erweiterten Gallenwegen (biliäre Pankreatitis)
- Nachweis eines raumfordernden Prozesses, ggf. mit Dilatation des Ductus pancreaticus
- Häufige Befunde bei leichter Pankreatitis
- Endosonografie: Weiterführende Diagnostik bei Unklarheiten in der transabdominellen Sonografie und fortbestehendem Verdacht auf biliäre Genese oder Tumorerkrankung [3]
- Vorteile/Zusätzlicher Informationsgewinn
- Hohe Ortsauflösung und ggf. genaue Lokalisation einer Stenose und Obstruktion in Gallen- und Pankreasgängen
- Nachweis auch kleinerer Gallensteine
- Vorteile/Zusätzlicher Informationsgewinn
- ERCP bei biliärer Pankreatitis: Weiterführende Diagnostik zur Darstellung des Gallen- und Pankreasgangsystems mit gleichzeitiger Interventionsmöglichkeit (bspw. Steinextraktion und/oder Gallengangs-Stent bei Cholestase)
- Indikation
- Bei bakterieller Cholangitis: ERCP und Papillotomie binnen 24 h
- Bei biliärer Pankreatitis und obstruktiver Cholestase ohne Cholangitis: Idealer Zeitpunkt einer Intervention per ERCP unklar, Abwarten eines spontanen Steinabganges möglich
- Antibiotikatherapie nicht generell zu empfehlen, sollte jedoch insb. bei längerem Abwarten erwogen werden
- ERCP und Papillotomie spätestens wenn kein spontaner Steinabgang binnen 48 h erfolgt
- Eher frühe ERCP als längeres Abwarten: Bei absehbarer Notwendigkeit einer Intervention, Indikatoren hierfür sind
- Anzeichen der schweren Pankreatitis
- Eindeutige klinische Symptomatik mit Gallenkoliken
- Eindeutige Laborbefunde mit (kurzfristig progredienter) Erhöhung der Cholestaseparameter
- Nachweis großer impaktierter Konkremente und Dilatation des DHC in der Abdomensonografie
- Im Zweifel: Weitere Abklärung durch Endosonografie oder MRCP vor einer Intervention
- Bei rezidivierender akuter Pankreatitis infolge eines Pancreas divisum: ERCP mit Dilatation oder Papillotomie der Minorpapille erfolgen
- Periinterventionelle Antibiotikatherapie: Häufig erforderlich, insb. bei [4]
- Manipulation der Gallenwege
- Drainagen- und Stenteinlage und Unsicherheit eines kompletten Abflusses
- Darstellung des Pankreasgangsystems bzw. bei Vorliegen von Pankreaspseudozyten
- Z.n. Lebertransplantation
- Indikation
- Computertomografie mit Kontrastmittel: Weiterführende Diagnostik, initial entbehrlich, insb. zur Diagnose und Verlaufskontrolle bei Komplikationen im Krankheitsverlauf wertvoll
- Vorteile / Zusätzlicher Informationsgewinn
- Hochauflösende, untersucherunabhängige Darstellung des gesamten Organs und der umgebenden abdominellen Strukturen (bspw. Nekroseareale und ihre Lagebeziehung zu Nachbarorganen)
- Ermöglicht Einschätzung des Schweregrades der akuten Pankreatitis
- Ermöglicht bei Raumforderungen differenzialdiagnostische Aussagen
- Radiologische Befunde: Aufgetriebenes Organ, ggf. hypodense Nekrosezonen und entzündliche peripankreatische Flüssigkeit, die sich in die angrenzenden Areale (bspw. Bursa omentalis und vorderer Pararenalraum ) ausbreiten kann [5][6]
- Zeitpunkt der CT-Diagnostik: Durchführung möglichst erst im Verlauf, da Nekrosen erst nach einigen Tagen, Pseudozysten sogar erst nach Wochen entstehen.
- Komplikation bei Kontrastmittel-CT: Akute Nierenschädigung bzw. Verschlechterung des im Rahmen einer schweren Pankreatitis vorliegenden Nierenversagens (siehe: Kontrastmittel-Nephropathie)
- Morphologische Klassifikation: Neben der Atlanta-Klassifikation der akuten Pankreatitis (s.o.) fließen folgende lokale Komplikationen in die Befundung ein:
- Nekrose des Pankreasparenchyms UND peripankreatisch
- Nur Nekrose des Parenchyms
- Nur Nekrose des peripankreatischen Gewebes
- Frühnekrosen umfassen Nekrosen und Flüssigkeitsverhaltungen
Spätnekrosen werden in Pseudozysten und raumfordernde Nekrosen mit Wandbildung („WON“ → „walled-off pancreatic necrosis“) unterteilt. Infizierte Spätnekrosen mit Wandbildung werden auch als Pankreasabszess bezeichnet (siehe auch: Komplikationen).
- Zeitliche Einteilung der gängigen Nekrosemuster nach CT
- Frühnekrosen (<4 Wochen): Nekrosen und Flüssigkeitsverhalte
- Spätnekrosen (>4 Wochen): Werden in Pseudozysten und raumfordernde Nekrosen mit Wandbildung („WON“ → „walled-off pancreatic necrosis“) unterteilt.
- Vorteile / Zusätzlicher Informationsgewinn
- MRT/MRCP: Weiterführende Diagnostik, insb. zur Klärung der Gallengangsmorphologie und zum Konkrementnachweis bei V.a. Choledocholithiasis
- Radiologische Befunde
- Aufgetriebenes Organ, ggf. Nachweis von Nekrosen und Raumforderungen
- Nachweis entzündlicher Umgebungsreaktionen
- Bei Durchführung als MRCP ggf. Darstellung von Gangdilatationen, Konkrementen, Stenosen und Raumforderungen möglich
- Vorteile / Zusätzlicher Informationsgewinn
- Sehr hohe Ortsauflösung
- Kontrastierte Darstellung der Gallenwege in T2-Wichtung (MRCP)
- Erkennen von Anomalien des pankreatikobiliären Gangsystems (bspw. Pancreas divisum)
- Erlaubt differenzialdiagnostische Rückschlüsse bei Raumforderungen
- Radiologische Befunde
- Konventionelles Röntgen: Unspezifische, ergänzende Diagnostik zum Nachweis extrapankreatischer Komplikationen (bspw. Pneumonie und Pleuraergüsse im Röntgen-Thorax) und ggf. zur Verlaufskontrolle bei (Sub‑)Ileuszuständen (Röntgen-Abdomen)
Bei Patienten >50 Jahren mit ätiologisch unklarer oder bereits wiederholt aufgetretener unklarer Pankreatitis sollte das Pankreaskarzinom als Differenzialdiagnose bedacht und mittels CT oder Endosonografie abgeklärt werden!
In der Frühphase einer akuten Pankreatitis sollte eine Computertomografie nicht angefertigt werden! (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme)
Therapie
Akute Pankreatitis - Allgemeine Therapiegrundsätze
- Jede akute Pankreatitis muss stationär überwacht werden!
- Aufnahme/Verlegung auf IMC (intermediate care) oder ITS (Intensivstation) bei:
- Sepsis und SIRS
- Zeichen eines Organversagens (bspw. Nierenversagen, respiratorische Insuffizienz)
- Prognostisch ungünstigen Laborparametern bei Aufnahme (s.o.) oder deren Verschlechterung im Verlauf
- Hypotonie und hohem Volumenbedarf in den ersten 24–48 h
- Risikofaktoren für einen schweren Verlauf wie Adipositas und hohes Alter (>70 Jahre)
- Bei intensivmedizinischen Patienten sollte aufgrund eines drohenden abdominellen Kompartments möglichst eine Blasendruckmessung erfolgen
- Aufnahme/Verlegung auf IMC (intermediate care) oder ITS (Intensivstation) bei:
-
Ausgiebige Flüssigkeitssubstitution bei akuter Pankreatitis, insb. in den ersten 48 h nach Aufnahme (Einschränkung bei Herzinsuffizienz) [7]
- Volumenbedarf: Wird häufig unterschätzt, wenn Beinödeme, Aszites und Pleuraergüsse bestehen
- Zielparameter zur Steuerung der Infusionstherapie - initial mit 200–250 mL/h
- Herzfrequenz <120/min
- MAP >65 mmHg
- Diurese 50–100 mL/h
- Hämatokrit 35–44%
- Kristalloide bevorzugen: Vollelektrolytlösungen (insb. Ringer-Laktat) nutzen, Plasmaexpander meiden
- Erweitertes hämodynamisches Monitoring: PiCCO® zur Steuerung des Volumenbedarfs erwägen
- Enterale Ernährung: Sobald der Patient dies toleriert, eine Nahrungskarenz ist allgemein nicht zu empfehlen
- Fettreduzierte Vollkost bei leichter Pankreatitis
- Bei Intensivpatienten/Inappetenz (insb. bei Darmatonie): Hochmolekulare Sondenkost über nasogastrale Sonde
- Einsatz einer doppellumigen Ernährungssonde
- Langsamer Beginn mit Sondenkost (10 mL/h), bei fehlendem Reflux langsam steigern
- Bei hohem Reflux bzw. fehlender Toleranz der gastralen Ernährung : Endoskopische Anlage einer Jejunalsonde mit gastralem Refluxschenkel, um effektive Ernährung zu ermöglichen
- Parenterale Ernährung: Nach allgemeinen ernährungs- und intensivmedizinischen Empfehlungen
- Indikation: Wenn der Energie- und Nährstoffbedarf innerhalb von 5 Tagen nach Erkrankungsbeginn nicht ausreichend enteral zu decken ist
- Durchführung: Wenn möglich immer in Kombination mit geringer enteraler Ernährung (10 mL/h)
Akute Pankreatitis - Medikamentöse Therapie
- Analgetikagabe
- Essenzielle Therapiemaßnahme!
- Mögliches Therapieschema
- Basisanalgesie mit Nicht-Opioid-Analgetikum, bspw. Metamizol
- Bei Bedarf zusätzlich hochpotentes Opioid, bspw. Piritramid
- Tramadol verursacht bzw. verstärkt häufig eine Übelkeit
- Buprenorphin hat als partieller Agonist Interaktionspotenziale bei der Gabe anderer Opioide
- Alternativ oder ergänzend thorakale PDA (Periduralanästhesie) ab Th8–9: Überwachung auf Intensivstation erforderlich
- Einsatz eines Opioids (bspw. Morphin) und eines Lokalanästhetikums (bspw. Bupivacain)
- Thromboseprophylaxe
- Protonenpumpenhemmer bei schwerem Verlauf (bspw. Pantoprazol zur Stressulkusprophylaxe)
- Ggf. Antibiotikagabe, insb. bei Cholangitis und/oder infizierten Nekrosen
- Indikationen für den Beginn einer antibiotischen Therapie
- Eitrige Cholangitis: Kalkulierte antibiotische Therapie einleiten und ERCP durchführen (Notfallindikation)
- Infizierte Nekrosen: Nachweis von Nekrosen im CT/MRT + Auftreten von Fieber + Erhöhung oder sprunghafter Anstieg der Entzündungsparameter (Leukozytose, CRP↑, Procalcitonin↑)
- Punktion und Aspiration der suspekten Nekrose für den Erregernachweis anstreben
- Kalkulierte antibiotische Therapie einleiten (ggf. Anpassung nach Resistogramm)
- Bei fehlendem Ansprechen oder steriler Nekrose: Absetzen der Antibiotika, erneute Fokussuche, ggf. erneute Punktion der suspekten Nekrose oder eines anderen suspekten Herdes
- Bei Nachweis von Pilzen im Feinnadelaspirat (bspw. Candida spp.) ist eine antimykotische Therapie zu erwägen, insb. dann, wenn unter antibiotischer Therapie keine Besserung eintritt.
- Bei Nachweis von Candida spp. in der Blutkultur siehe auch: Vorgehen bei Candidämie
- Bei Nachweis von Candida spp. im Gewebe siehe auch: Invasive Candidose
- Bei endoskopischer oder chirurgischer Intervention: Antibiotikatherapie schon vor bzw. spätestens bei der Intervention beginnen
- Kalkulierte antibiotische Therapie der akuten Pankreatitis
- Carbapeneme wie bspw. Meropenem und Imipenem/Cilastatin sind nachweislich wirksam sowie pankreas- und nekrosegängig
- Alternativen
- Kombination aus Ciprofloxacin und Metronidazol
- Kombination aus Ceftriaxon und Metronidazol
- Kombination aus Piperacillin und Tazobactam
- Alternativen
- Bei septischem Verlauf: Sepsis - Initialtherapie bei Fokus Gallenwege
- Carbapeneme wie bspw. Meropenem und Imipenem/Cilastatin sind nachweislich wirksam sowie pankreas- und nekrosegängig
- Indikationen für den Beginn einer antibiotischen Therapie
Solange an den Gallenwegen keinerlei Intervention erfolgt, können Zeichen und Nachweise einer bakteriellen Infektion abgewartet werden – bei iatrogenen Manipulationen entsteht nahezu immer eine bakterielle Cholangitis. Eine antibiotische Behandlung ist daher obligat!
Interventionell / Operativ [1]
- Allgemein: Bildgebende Kontrollen zur Detektion von Gallensteinen, lokalen Komplikationen und Nekroseherden
- Bei Cholangitis (siehe: Befundkonstellationen bei biliären Erkrankungen)
- Sofortige ERCP (siehe auch: Diagnostik) [3]
- ERCP mit Intervention an der Minorpapille (Ballondilatation/Papillotomie), wenn ein Pancreas divisum als Ursache einer rezidivierenden Pankreatitis in Frage kommt.
- Bei biliärer Pankreatitis (obstruktive Choledocholithiasis)
- Einleitung einer Antibiotikatherapie bei Anzeichen infizierter Nekrosen bzw. Anstieg der Infektionsparameter (siehe: Antibiotische Therapie bei Cholangitis)
- Engmaschige Verlaufsbeobachtung bezüglich eines Konkrementnachweises in den Gallenwegen (Cholangitis? Ansteigende oder fallende Cholestaseparameter?) bis zu 48 h bei mildem Verlauf einer Pankreatitis möglich
-
Bei Ausbleiben eines spontanen Steinabganges ERCP mit Steinextraktion und Papillotomie nach spätestens 48 h
- Papillotomie auch zur Prophylaxe einer erneuten biliären Pankreatitis
- Für detailliertere Entscheidungsabwägung bezüglich einer Intervention: Siehe ERCP bei biliärer Pankreatitis
Der optimale Zeitpunkt der ERCP in der Situation einer obstruktiven Choledocholithiasis ohne Nachweis einer Cholangitis ist weiterhin unklar, die angegebenen Zeiten sind daher orientierend zu verstehen!
- Bei nicht infizierten (sterilen) Nekrosen: Keine Intervention, primär konservative Behandlung [3]
- Eine Intervention bzw. Operation sollte bei Nekrosen mit einer Infektions- oder Kompressionssymptomatik nach Möglichkeit hinausgezögert werden, wenn der Verlauf konservativ beherrschbar ist. In der Regel sind spätere Interventionen (>30 Tage nach Krankheitsbeginn) prognostisch günstiger als frühe Interventionen (siehe Komplikationen)
- Absolute OP-Indikation bei Komplikationen (bspw. Arrosionsblutung, Perforation und/oder abdominelles Kompartment-Syndrom)
- Cholezystektomie: Sollte bei nachgewiesener biliärer Genese immer empfohlen werden
- OP-Zeitpunkt: Entweder unmittelbar im Anschluss an die Ausheilung (früh-elektiv nach 72 h) bei leichter Pankreatitis oder i.d.R. ca. 6 Wochen nach Ausheilung bei schwerer Pankreatitis
- OP-Risiko: Bei sehr hohem individuellem Operationsrisiko oder Ablehnung einer OP durch den Patienten kann auch eine ERCP mit einer weiträumigen Papillotomie als ausreichend erachtet werden
- Im Krankheitsverlauf Drainage symptomatischer Pseudozysten (siehe chronische Pankreatitis)
Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist eine ausreichende Flüssigkeitsgabe (mind. 3–4 L/Tag)!
„PANCREAS“ - Perfusion (Flüssigkeitssubstitution), Analgesia, Nutrition, Clinical (Überwachung), Radiology (bildgebende Kontrollen), ERC (endoskopische Steinextraktion), Antibiotics (Ggf. Antibiotikagabe), Surgery (Ggf. chirurgische Intervention).
Komplikationen
Lokal
- Bakterielle Infektion der Nekrosen
- Nekrosen des Pankreas und des peripankreatischen Gewebes sind grundsätzlich steril, können sich jedoch im Krankheitsverlauf infizieren (ca. ⅓ der Fälle)
- Bei Nachweis von Nekrosen: Engmaschiges klinisches , sonografisches und laborchemisches Monitoring, Intervention durch Drainage (richtiger Zeitpunkt umstritten)
- Step-Up-Verfahren bei infizierten Nekrosen
- Erstmaßnahme bei Infektion: Antibiotische Therapie mit Meropenem
- Unter antibiotischer Therapie bei infizierten Befunden sollte täglich eine abdomensonografische Kontrolle erfolgen
- Intervention/Operation
- Transgastrale bzw. transduodenale retroperitoneale Nekrosektomie bzw. Drainage mit Stents als endoskopische Intervention primär anzustreben
- Transkutane Punktion und Drainage bei erschwertem endoskopischem Zugang
- Chirurgische Optionen bei frustranen Interventionen
- Minimal-invasive retroperitoneale Nekrosektomie (laparoskopischer Zugang)
- Konventionell offene Nekrosektomie (Laparotomie als Zugang)
- Timing der Drainage
Erfolgt bei Nekrosen eine Intervention, sollte eine antibiotische Therapie eingeleitet werden!
- Pankreasabszess (entspricht einer infizierten Nekrose mit Wandbildung)
- Entsteht aus einer infizierten Pankreaspseudozyste oder aus infizierten Nekrosen
- Auftreten typischerweise >4 Wochen nach einer akuten Pankreatitis
- Darstellung in der Computertomografie
- Ähnlich einer Pseudozyste mit Kontrastmittel-aufnehmender Kapsel
- Nachweis von Flüssigkeit (Pus) in der Abszesskapsel möglich
- Nachweis von Gaseinschlüssen ist beweisend (nur in ca. 30–50% der Fälle möglich)
- Therapie: Punktion mit Drainage, bei Scheitern chirurgisches Vorgehen mit Nekrosektomie
- Abdominelles Kompartment-Syndrom
- Obere gastrointestinale Blutung bei gastroduodenaler Ulkuskrankheit
- Blutungen durch Gefäßarrosion
- Thrombosen und thromboembolische Komplikationen wie bspw. Pfortaderthrombose, Milzinfarkt
- Fistelbildung durch Darmarrosion
Systemisch
- SIRS, Sepsis
- Verbrauchskoagulopathie
-
Respiratorische Insuffizienz, Pneumonie, ARDS
- Eine respiratorische Insuffizienz wird gefördert durch:
- Überwässerung infolge Infusionstherapie und ggf. Nierenversagen → Pleuraergüsse und interstitielles Ödem
- Abdominelle Druckerhöhung und pulmonale Restriktion
- Endoskopische Untersuchungen mit Aspiration
- Eine respiratorische Insuffizienz wird gefördert durch:
- Schock
- Prärenales Nierenversagen aufgrund eines Volumenmangels
- Paralytischer Ileus
- Mikroinfarkte durch Leukozytenemboli: Einzelfälle mit plötzlicher Erblindung bei Embolisationen in die Arteria centralis retinae
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
- Angebot einer strukturierten Nachsorge bei [1]
- Nicht milder Pankreatitis jeglicher Art
- Alkoholinduzierter Pankreatitis
- Unklarer Ätiologie
- Persistierenden Beschwerden
- Nachsorgeprogramm: Alle 6–12 Monate für i.d.R. 2 Jahre
Bei Diabetikern mit einmaliger Episode einer nicht milden Pankreatitis kann die Nachsorge auf 5 Jahre verlängert werden, da ein gegenüber Nichtdiabetikern leicht erhöhtes Pankreaskarzinom-Risiko besteht!
Bei nicht-biliären Pankreatitiden ist die Empfehlung eines Rauchstopps zur Verhinderung erneuter Episoden sinnvoll!
Prognose
- Letalität
- Unkomplizierte Pankreatitis: 1 %
- Nekrotisierende Pankreatitis: 10–25 %
BISAP-Score [8] | |
---|---|
Parameter | 1 Punkt bei: |
BUN (Serumharnstoff-Stickstoff) | >25 mg/dL = Serumharnstoff >9 mmol/L |
Impaired mental status | Desorientiertheit, Lethargie oder Vigilanzminderung |
SIRS | mindestens 2 Kriterien |
Alter | >60 Jahre |
Pleuraerguss | vorhanden |
Auswertung: Bei 5 Punkten beträgt die Mortalität >20 %, bei 0 Punkten <1 % |
- Risikofaktoren für einen schweren Verlauf (Ranson-Score)
- Bei Aufnahme
- Alter >55 Jahre
- Leukozytose
- Hyperglykämie
- LDH↑
- AST↑
- Nach 48 h
- pO2↓
- Flüssigkeitssequester/-defizit
- Hämatokrit↓
- Calcium↓
- Harnstoff↑
- Basendefizit
- Bei Aufnahme
BISAP-Score (Rechner)
Patienteninformationen
[9][10]
AMBOSS-Podcast zum Thema
Akute Pankreatitis (August 2021)
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Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Akute Pankreatitis
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- K85.-: Akute Pankreatitis
- Die fünfte Stelle wird jeweils wie folgt vergeben:
- 0: Ohne Angabe einer Organkomplikation (Bspw.: K85.00: Idiopathische Pankreatitis ohne Angaben einer Organkomplikation)
- Pankreatitis: akut (rezidivierend), subakut, o.n.A.
- 1: Mit Organkomplikation (Bspw.: K85.01: Idiopathische Pankreatitis mit Organkomplikation)
- Pankreasabszess
- Pankreasnekrose: akut, infektiös
- Pankreatitis: eitrig, hämorrhagisch
- 0: Ohne Angabe einer Organkomplikation (Bspw.: K85.00: Idiopathische Pankreatitis ohne Angaben einer Organkomplikation)
- K85.0-: Idiopathische akute Pankreatitis
- K85.1-: Biliäre akute Pankreatitis (Gallenstein-Pankreatitis)
- K85.2-: Alkoholinduzierte akute Pankreatitis
- K85.3-: Medikamenten-induzierte akute Pankreatitis
- K85.8-: Sonstige akute Pankreatitis
- K85.9-: Akute Pankreatitis, nicht näher bezeichnet
- Die fünfte Stelle wird jeweils wie folgt vergeben:
- K87.-*: Krankheiten der Gallenblase, der Gallenwege und des Pankreas bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- K87.0*: Krankheiten der Gallenblase und der Gallenwege bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- K87.1: Krankheiten des Pankreas bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Pankreatitis bei Mumps (B26.3)
- Pankreatitis bei Zytomegalie (B25.2)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.