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Schizophrenie

Letzte Aktualisierung: 21.11.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die Schizophrenie ist eine psychische, i.d.R. episodisch verlaufende Erkrankung, die durch eine vielfältige und komplexe Symptomatik gekennzeichnet ist. Dabei können Teile der Wahrnehmung, des Denkens, der Ich-Umwelt-Grenzen, des Affektes und der Psychomotorik betroffen sein. Je nach vordergründiger Klinik unterscheidet man verschiedene Unterformen. Am häufigsten findet sich dabei die paranoide Schizophrenie, bei der insb. akustische Halluzinationen, Wahn sowie Ich-Störungen auftreten. Neben dieser überwiegend in akuten Krankheitsphasen auftretenden Positivsymptomatik kann die Schizophrenie auch mit sog. Negativsymptomatik wie Affektverflachung und sozialem Rückzug einhergehen. Eine eher seltene Schizophrenieform ist die katatone Schizophrenie, bei der insb. psychomotorische Symptome imponieren (bspw. Stupor, Negativismus und Katalepsie).

Die Ursache der Schizophrenie ist bis heute nicht abschließend geklärt. Sie ist am ehesten multifaktoriell bedingt und durch genetische, umweltassoziierte, biochemische sowie strukturelle Einflüsse zu erklären. Differenzialdiagnostisch kommen eine Vielzahl somatischer, psychiatrischer und medikamenteninduzierter Krankheitsbilder in Betracht, sodass eine ausführliche Diagnostik unvermeidbar ist.

Therapeutisch kommen neben der pharmakologischen Behandlung mit Antipsychotika auch psychotherapeutische und psychosoziale Verfahren zum Tragen. Wichtig ist dabei das multiprofessionelle und empathisch-wertschätzende Vorgehen mit Rücksicht auf die Wünsche der Betroffenen und unter Einbeziehen wichtiger Vertrauenspersonen. Somatische Komorbiditäten sind häufig und sollten ebenso wie mögliche medikamentöse Nebenwirkungen stets im Blick behalten werden.

Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion “Tipps & Links".

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Lebenszeitprävalenz [1][2][3]
    • Weltweit ca. 1%
    • Erhöhung bei familiärer Belastung
  • Jahresinzidenz [1]
    • Weltweit 15/100.000 Personen
    • Leicht erhöhte Inzidenz in städtischen Regionen im Vergleich zu ländlichen Regionen
  • Alters- und Geschlechterverteilung [1]
    • Erkrankungsbeginn: Meist zwischen 15. und 35. Lebensjahr
      • Erkrankungsbeginn bei Männern durchschnittlich 3–4 Jahre früher als bei Frauen
      • Zweiter Erkrankungsgipfel postmenopausal bei Frauen
    • Lebenszeitrisiko:

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Ätiologietoggle arrow icon

Die Ursache der Schizophrenie ist bis heute nicht abschließend geklärt. Sie ist am ehesten multifaktoriell bedingt.

Genetische Faktoren

  • Insg. große Rolle der Erblichkeit bei Entstehung einer Schizophrenie , jedoch keinesfalls als alleiniger Einflussfaktor zu sehen
  • Vermutlich polygener Erbgang mit mittlerweile über 100 identifizierten Risikogenen
  • Risikofaktor für genetische Veränderungen: Hohes paternales Alter

Umweltassoziierte Faktoren [3]

Neurobiologische Faktoren

Neurochemische Befunde und Hypothesen [3]

Im Folgenden werden Fehlregulationen verschiedener Neurotransmitter und damit einhergehende Hypothesen beschrieben. Man geht dabei von einer Dysbalance zwischen erregenden und hemmenden Neurotransmittersystemen aus (insb. Glutamat, GABA, Dopamin), die nicht einzeln, sondern eher als miteinander agierende neuronale Regelkreise zu betrachten sind.

Strukturelle und funktionelle Veränderungen [2][3]

  • Verminderung der grauen Substanz in kortikalen und subkortikalen Regionen [4][7]
  • Vergrößerung der Seitenventrikel und des 3.Ventrikels
  • Minderaktivität frontaler Hirnregionen: „Hypofrontalität“
  • Fronto-temporo-limbische Netzwerkstörung (Diskonnektivitätshypothese)

Pathophysiologische Modellvorstellungen

Bei den folgenden Modellen handelt es sich um Modelle zur Erklärung des Zusammenspiels verschiedener krankheitsbegünstigender Faktoren:

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Die Symptomatik ist vielfältig und interindividuell unterschiedlich. Je nach vordergründiger Klinik unterscheidet man verschiedene diagnostische Unterformen der Schizophrenie.

Allgemeine Symptomatik [2]

Einteilung nach Positiv- und Negativsymptomatik [4][9]

Positivsymptomatik

Negativsymptomatik

  • Auftreten: Insb. in chronischen Phasen der Erkrankung
  • Definition: Nicht-produktive Symptome (im Vergleich zum „Normalzustand“ wird etwas abgezogen)

Die Negativsymptomatik lässt sich gut mit den 6 „A“ merken: Anhedonie, Apathie, Affektverflachung, Aufmerksamkeitsstörungen, Asozialität und Alogie!

Einteilung nach K. Schneider (veraltet)

Symptome 1. Ranges

Symptome 2. Ranges

Frühwarnzeichen eines psychotischen Rezidivs [3]

  • Definition: Unspezifische und individuell unterschiedliche Prodromi („Vorboten“) eines möglichen Rezidivs
  • Bedeutung: Wichtig, um frühzeitige Maßnahmen zur Abwendung bzw. Abmilderung eines Rezidivs einleiten zu können
    • Sowohl die Betroffenen als auch enge Bezugspersonen sollten die individuellen Frühwarnzeichen kennen
  • Symptome: Bspw.
    • Unruhe, Nervosität, Anspannung
    • Schlafstörungen
    • Reizbarkeit
    • Geräuschempfindlichkeit
    • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
    • Überforderungsgefühl
    • Sozialer Rückzug
    • Depressive Verstimmung, Grübeln, Stimmungsschwankungen
    • Misstrauen

Diagnostiktoggle arrow icon

Situatives diagnostisches Vorgehen

Diagnostik bei Erstmanifestation psychotischer Symptome [1]

Diagnostik bei Remanifestation einer Schizophrenie

Eine psychotische Symptomatik ist nicht primär „psychiatrisch“. Auch eine somatische Erkrankung kann als Ursache vorliegen und sollte unbedingt durch eine differenzierte Diagnostik abgeklärt werden!

Sofern keine vollständige Befunderhebung in der Erstdiagnostik stattgefunden hat, sollte dies möglichst nachgeholt werden! [1]

Hinweise auf eine somatische Genese der psychotischen Symptomatik [1]

Allgemeine Kriterien der Schizophrenie nach ICD-10 (F20.0-F20.3) [10]

Diagnostische Kriterien einer Schizophrenie nach ICD-10
Dauer
  • ≥1 Monat
≥1 Symptom
Oder
≥2 Symptome
Ausschlusskriterien
  • Für Informationen zur ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung) siehe: Tipps & Links

Diagnostische Unterformentoggle arrow icon

  • Einteilung je nach vordergründiger Klinik
  • Unterformen in DSM-5 und ICD-11 größtenteils nicht mehr aufgeführt

Paranoide Schizophrenie (F20.0)

Hebephrene Schizophrenie (F20.1)

Katatone Schizophrenie (F20.2)

Weitere Schizophrenieformen [1][3][10]

Exkurs: Katatonietoggle arrow icon

Bei der Katatonie handelt es sich um ein komplexes neuropsychiatrisches Syndrom bestehend aus psychomotorischen und affektiven Störungen sowie Verhaltensstörungen.

Epidemiologie [12]

  • Prävalenz: 7–15%
  • 59% der Fälle bleiben unterdiagnostiziert, davon wiederum werden 37% nicht adäquat therapiert

Ätiologie [13]

  • Mögliches Symptom vieler verschiedener Erkrankungen
  • Vermutete Störung des zentralen Neurotransmittersystems und Dysfunktion des basalgangliothalamisch-kortikalen Netzwerkes [12]
    • Unterfunktion des dopaminergen Systems
    • Verminderte GABA-A-Aktivität
    • Unterfunktion des glutamatergen Systems (NMDA-Rezeptor-Unterfunktion)

Klinik [13]

  • Insg. vielfältige Symptomatik mit häufig fluktuierendem Verlauf

Motorische Störungen [14]

Hypophänomene

  • Reduzierte Lidschlagfrequenz (Starren)
  • Motorische Hemmung
  • Stupor, Akinese
  • Sperrung: Plötzlicher Abbruch des Bewegungsablaufes ohne nachvollziehbaren Grund
  • Negativismus: Verweigerung von Handlungen, zu denen aufgefordert wurde
  • Katalepsie ≈ Haltungserstarren
    • Passiv vorgegebene, selbst unangenehme Körperhaltungen werden über einen abnorm langen Zeitraum nicht verändert
    • Häufig in Kombination mit Flexibilitas cerea (lat. für „wächserne Biegsamkeit“): Bei passiver Bewegung durch die untersuchende Person fällt eine wächserne, zähe Beweglichkeit der Gliedmaßen auf
  • Haltungsstereotypie
    • Spontanes Einnehmen von und Verharren in bestimmten Haltungen über einen abnorm langen Zeitraum
    • Im Gegensatz zur Katalepsie keine Veränderung der Haltung durch äußere Versuche möglich [15]
    • Beispiel: Oreiller psychique (franz. für „psychisches Kopfkissen“): Nach Wegziehen des Kopfkissens bleibt der Kopf der betroffenen Person unverändert in seiner Position und schwebt förmlich in der Luft [16]

Hyperphänomene

  • Erhöhte Lidschlagfrequenz (Blinzeln)
  • Psychomotorische Erregung
  • Nesteln
  • Bewegungsstereotypien: Repetitive Bewegungen, die keinerlei Funktion erfüllen und teilweise mit rhythmischem Charakter auftreten (Iterationen)
  • Manierismen
  • Grimassieren
  • Automatismen: Verhaltensweisen, die ohne erkennbare willentliche Kontrolle durchgeführt werden
  • Katatone Erregung: Nicht-zielgerichtete Unruhe mit unkontrollierten Bewegungen und sprachlichen Äußerungen
    • Raptus: Abrupter Wechsel von psychomotorischen Hypophänomenen zu einem Zustand ausgeprägter psychomotorischer Erregung, mitunter mit impulsiver und unkontrollierbarer Aggression (Erregungssturm)

Katatone Sprachstörungen

Katatone Affektstörungen

Bei einer Katatonie kann es zu einem Raptus kommen, d.h. einem abrupten Wechsel von psychomotorischen Hypophänomenen zu einem Zustand ausgeprägter psychomotorischer Erregung, der mit impulsiver und unkontrollierbarer Aggression einhergehen kann!

Diagnostik der Katatonie [12][13][14]

Um den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu stärken, sollte das diagnostische Vorgehen behutsam und wiederholt mit den Betroffenen thematisiert werden.

Stuporöse Patient:innen sind kaum in der Lage zu kommunizieren, sie verstehen jedoch alles und können sich nach Abklingen der Symptomatik meistens an alles erinnern! Obwohl man es ihnen nicht ansieht, können sie stark erregt oder ängstlich sein. Ein behutsamer Umgang ist hier gefordert! [13]

Diagnostische Kriterien [10]

Differenzialdiagnostik [12]

Vorkommen katatoner Symptome [13]

Das erstmalige Auftreten katatoner Symptome, insb. bei einem sonst unauffälligen psychopathologischen Befund erfordert immer ein multidisziplinäres differenzialdiagnostisches Vorgehen!

Therapie

Allgemeine Therapiemaßnahmen bei Katatonie [13]

Therapeutisch steht bei der Katatonie die Reduzierung von Ängsten und Anspannung im Vordergrund!

Pharmakotherapie der Katatonie [18]

Pharmakotherapie von Stupor und Katatonie bei unbekannter Ursache

Pharmakotherapie der Katatonie bei Schizophrenie [18]

Pharmakotherapie bei organisch katatoner Störung [18]

Die Gabe von Antipsychotika sollte nur erfolgen, wenn ein malignes neuroleptisches Syndrom sicher ausgeschlossen ist!

Komplikation: Perniziöse Katatonie

Bei der sehr seltenen perniziösen Katatonie handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand.

Katatones Dilemma: Differenzialdiagnostisch sind ein MNS und eine perniziöse Katatonie nur schwer voneinander abzugrenzen. Die perniziöse Katatonie erfordert jedoch die sofortige Gabe eines Antipsychotikums, das MNS hingegen ein sofortiges Absetzen dieser Medikamente!

Ist nicht klar, ob ein MNS oder eine perniziöse Katatonie vorliegt, sollte neben einer intensivmedizinischen Überwachung pharmakologisch die alleinige Gabe von Benzodiazepinen erfolgen!

Komorbiditätentoggle arrow icon

Das Risiko somatischer Komorbiditäten ist bei der Schizophrenie signifikant erhöht!

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Einer psychotischen Symptomatik können neben einer Schizophrenie eine Vielzahl weiterer somatischer, psychiatrischer und pharmakologischer Ursachen zugrunde liegen. Im Folgenden aufgeführt sind beispielhafte, wichtige Ursachen ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Psychiatrische Differenzialdiagnosen [23]

Nicht-organische Störungen [1]

Schizotype Störung (schizotype Persönlichkeit, schizotype Persönlichkeitsstörung, F21) [10]

  • Definition: Psychische Störung mit exzentrischem Verhalten, paranoid bizarren Ideen und Anomalien des Denkens, die auf Dritte schizophren wirken
  • Diagnostische Kriterien

Wahnhafte Störung (F22.0) [10]

  • Definition: Psychische Störung mit langandauerndem Wahn als einziges oder deutlich im Vordergrund stehendes Symptom
  • Diagnostische Kriterien

Akute vorübergehende psychotische Störung (F23) [10]

Induzierte wahnhafte Störung (Folie à deux, F24) [10]

  • Definition: Wahnhafte Störung, die zwei Personen betrifft, die in einem engen emotionalen Verhältnis zueinander stehen
  • Diagnostische Kriterien
    • Eine der beiden Personen leidet unter einer psychotischen Störung (F20–23), meist mit Wahnvorstellungen
    • Symbiontischer Wahn: Die andere Person entwickelt Wahnvorstellungen, die sie vor Kontakt mit der erkrankten Person nicht hatte
    • Die andere Person litt in der Vergangenheit nicht an einer psychotischen Störung (F20–23)
    • Beide Personen haben eine sehr enge Beziehung zueinander und leben isoliert von anderen Menschen

Schizoaffektive Störung (F25) [10]

Weitere

Organische psychische Störungen

Nicht-psychiatrische Differenzialdiagnosen

Überblick

Medikamenteninduzierte Psychosen [1][23]

Eine Vielzahl an Medikamenten kann eine psychotische Symptomatik induzieren, sodass bei jeder akuten psychotischen Symptomatik immer ein Medikationscheck durchgeführt werden sollte. Im Folgenden findet sich eine Auswahl dieser Medikamente.

Ein Medikationscheck ist obligat bei jeder neu aufgetretenen psychotischen Symptomatik!

Somatische Differenzialdiagnosen [1][23]

Erkrankungen des ZNS

Internistische Erkrankungen

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Allgemein [1]

Überblick über Therapiemaßnahmen

Medikamentöse Therapie

Nicht-medikamentöse Therapie

Die Therapie erfolgt multiprofessionell unter partizipativer Entscheidungsfindung, phasenspezifisch und integriert in einen Gesamtbehandlungsplan!

Zusammengefasst empfehlen sich eine frühzeitige medikamentöse Akutbehandlung, eine konsequente Rückfallprophylaxe, eine Psycho- und Soziotherapie sowie die soziale Wiedereingliederung!

Medikamentöse Therapietoggle arrow icon

Die medikamentöse Therapie sollte immer gemeinsam mit psychotherapeutischen und -sozialen Maßnahmen erfolgen. Wichtig ist dabei die vorherige Aufklärung der Betroffenen über Wirkungen und Nebenwirkungen der jeweiligen Medikamente sowie die Durchführung einiger Routineuntersuchungen (Labordiagnostik, EKG etc.). Medikamentöse Zwangsbehandlungen sind möglichst zu vermeiden.

Antipsychotische Therapie [1]

Wahl des Antipsychotikums

Dosierung und Applikationsform

  • Dosierung: Möglichst niedrig
    • Niedrigste Einstiegsdosis, langsame Steigerung
    • Individuelle Dosierung je nach Risiko-Nutzen-Abwägung
      • Häufig niedrigere Dosierungen notwendig bei Erstmanifestation , höherem Lebensalter und weiblichem Geschlecht
      • Bei Rezidiv mit akuter, schwerer Symptomatik: Sofortiger Behandlungsbeginn mit höherer Einstiegsdosis und relativ rascher Aufdosierung
    • Ausreichendes Abwarten nach relevanter Dosissteigerung, ggf. für 2–4 Wochen
    • Stetige Risiko-Nutzen-Abwägung und ggf. Dosisreduktion
  • Applikationsform: Bevorzugt oral

Für genauere Informationen zu Dosierungen der einzelnen Antipsychotika siehe: Antipsychotika - Wirkstoffe und Dosierungshinweise

Es ist eine orale antipsychotische Monotherapie in möglichst niedriger Dosierung zu bevorzugen!

Notwendige Maßnahmen im Verlauf der Behandlung

Vorgehen bei Unverträglichkeit oder ausbleibendem Therapieerfolg einer Antipsychotikatherapie [1][18]

Das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Pharmakotherapie sollte regelmäßig überprüft werden!

Medikamentöse Kombinationsbehandlung bei Schizophrenie

Erhaltungs- und Langzeittherapie

  • Indikation: Rezidivprophylaxe
  • Dauer : Soll individuell, in partizipativer Entscheidungsfindung, abgestimmt werden unter Beachtung von [1]
    • Schwere der Erkrankung und der jeweiligen Episode
    • Bisheriges Therapieansprechen
    • Nebenwirkungen
    • Motivation der Betroffenen
    • Stabilität des sozialen Netzwerkes
    • Familienanamnese
  • Vorgehen [1]
    • Kontinuierliche Fortführung der antipsychotischen Medikation in möglichst niedriger Dosierung
    • Ggf. kontrollierte Dosisreduktion auf individuell niedrigstmögliche Dosierung, ggf. bis zum Absetzen [1]
      • Langsam und unter engmaschiger Begleitung
      • Aufklärung über Reduktions- und Absetzsymptome , Frühwarnsymptome und Rezidivraten unter Einbeziehung enger Bezugspersonen
      • Reduktionsschritte von 5–20% der aktuellen Dosis (zu Beginn größere, später kleinere Dosisreduktionen)
      • Stabilität über 6–12 Wochen vor nächstem Reduktionsschritt
      • Beachtung guter Schlafhygiene
      • Bei beginnendem Rezidiv: Aufdosierung auf vorherige Dosis oder mehr
      • Beobachtungszeitraum nach Absetzen der Medikation: Mind. 2 Jahre [1]
    • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei Antipsychotika-Gabe
  • Applikationsform: Bevorzugt oral, alternativ als Depotgabe [1]

Es wird eine kontinuierliche antipsychotische Rezidivprophylaxe in möglichst niedriger Dosierung empfohlen!

Therapie von Begleitsymptomen und komorbiden Störungen bei Schizophrenie

Bei allen Kombinationsbehandlungen sollte auf ein höheres Interaktionspotenzial sowie das erhöhte Risiko von Nebenwirkungen geachtet werden!

Therapie von Begleitsymptomen

Therapie komorbider Störungen

Nicht-medikamentöse Therapietoggle arrow icon

Psychotherapeutische und psychosoziale Verfahren [1]

Die medikamentöse Therapie sollte immer gemeinsam mit psychotherapeutischen und -sozialen Maßnahmen erfolgen.

Psychoedukation

Die Psychoedukation ist wesentlicher Bestandteil der Therapie. Gleichzeitig kann das Wissen über die eigene Erkrankung und ihre potenziellen Folgen auch belastend sein und mit erhöhter Suizidalität einhergehen.

Kognitive Verhaltenstherapie [1]

  • Indikation
    • Ggf. bei erhöhtem Psychoserisiko
    • Alle Menschen mit Schizophrenie
      • I.d.R. gemeinsam mit einer medikamentösen Therapie [1]
  • Bestandteile
    • Beziehungsaufbau bei empathischer, entpathologisierender und nicht-konfrontativer Haltung der Therapierenden
    • Erarbeitung von Erklärungsmodellen
    • Ggf. kognitive Umstrukturierung von
    • Rückfallprophylaktische Interventionen
  • Dauer: ≥16 Sitzungen, bei komplexeren Therapiezielen ≥25 Sitzungen
  • Setting: Stationär oder ambulant

Allen Menschen mit Schizophrenie soll ein Angebot zur kognitiven Verhaltenstherapie gemacht werden! [1]

Metakognitives Training (MKT) [1]

Weitere psycho- und soziotherapeutische Verfahren

  • Familienfokussierte Interventionen [1][26]
    • Indikation: Alle Menschen mit Schizophrenie sowie ihre Angehörigen bzw. engen Vertrauenspersonen [1]
    • Bestandteile: Je nach Schwerpunkt, bspw. [1]
      • Psychoedukation
      • Problemlöse- und Kommunikationstraining
      • Förderung von Vernetzung untereinander bzw. gegenseitiger Unterstützung
      • Erarbeitung eines Krisenplans
    • Dauer: 3 Monate bis 1 Jahr mit mind. 10 Sitzungen [1]
    • Ziel
      • Senkung der Rezidivrate durch Aufklärung
      • Emotionale Entlastung der Angehörigen/Vertrauenspersonen
  • Soziales Kompetenztraining [1]
    • Indikation
    • Sonderform: Integriertes psychologisches Therapieprogramm
      • Kombiniert soziales Kompetenz- und Problemlösetraining [3]
  • Kognitive Remediation [1]
    • Indikation: Kognitive Defizite
    • Bestandteile
      • Training zur Verbesserung kognitiver Prozesse und der Alltagsfunktionen mit dem Ziel der leichteren beruflichen und sozialen Wiedereingliederung
      • In Kombination mit anderen psychosozialen oder rehabilitativen Interventionen
  • Weitere Verfahren

Nicht-invasive Stimulationsverfahren [1]

Komplikationentoggle arrow icon

Suizidalität

Fremdaggressives Verhalten

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Prognose und Verlauftoggle arrow icon

Krankheitsphasen [1][9]

  • Prodromalphase (Stadium des erhöhten Psychoserisikos)
    • Unspezifische Symptomatik über Monate bis Jahre vor Erstmanifestation ohne Erfüllung der Diagnosekriterien
    • Bei ca. 75% der Betroffenen
    • Für Informationen zu Früherkennung und Früherkennungszentren siehe: Tipps & Links
  • Akutphase : Überwiegende Positivsymptomatik
  • Postakute Stabilisierungsphase: Überwiegende Negativsymptomatik
  • Remissionsphase: Vollremission oder Teilremission mit Residuum (überwiegende Negativsymptomatik)

Verlaufsformen [1]

  • Individuelle Verläufe nicht vorhersagbar
    • 20% Vollremission nach erster Krankheitsepisode ohne späteres Rezidiv
    • ⅔ episodischer Verlauf
      • Mit zwischenzeitiger Vollremission oder
      • Mit zwischenzeitiger Teilremission
    • 5–10% chronisch progredienter Verlauf

Prognose [1]

  • Lebenserwartung: Ca.15 Jahre weniger als Gesamtbevölkerung
  • Mortalität: 2,6-fach höher als Gesamtbevölkerung

Prognostische Faktoren [3]

Prognostische Faktoren der Schizophrenie
Eher ungünstiger Verlauf Eher günstiger Verlauf
  • Verheiratet
  • Weiblich
  • Sozial gut integriert
  • Extrovertierte Persönlichkeitszüge
  • Akuter Krankheitsbeginn
  • Seltenere und eher kürzere schizophrene Episoden
    • Insb. kurze Dauer der unbehandelten initialen Psychose [1]

Historischestoggle arrow icon

  • Emil Kraepelin (1856–1926): Erstbeschreiber der Schizophrenie, die er als „Dementia praecox“ bezeichnete
  • Eugen Bleuler (1857–1939): Bleuler prägte den Begriff „Schizophrenie“, da er feststellte, dass die Erkrankung keine frühzeitige Demenz, sondern ein eigenständiges Krankheitsbild darstellt
  • Kurt Schneider (1887–1967): Begründer der Symptome 1. und 2. Ranges

Patienteninformationentoggle arrow icon

Meditrickstoggle arrow icon

In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.

Schizophrenie

Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. WHO - World Health Organization: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. 9. Auflage Hogrefe 2019, ISBN: 978-3-456-85992-7.
  2. Schizophrenie, Gesundheitsberichterstattung des Bundes.Stand: 15. Juli 2010. Abgerufen am: 23. August 2021.
  3. Mathias Berger: Psychische Erkrankungen. 6. Auflage Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2018, ISBN: 978-3-437-22485-0.
  4. S3-Leitlinie Schizophrenie (Langfassung).Stand: 15. März 2019. Abgerufen am: 12. Oktober 2020.
  5. e.g. Bäuml, Pitschel-Walz:Psychoedukation und Angehörigenarbeit bei SchizophrenieIn: PSYCH up2date. Band: 14 (2), 2020, doi: 10.1055/a-0748-8998 . | Open in Read by QxMD p. 111-127.
  6. Schneider: Facharztwissen Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Springer 2017, ISBN: 978-3-662-50344-7.
  7. Rentrop et al.: Klinikleitfaden Psychiatrie Psychotherapie. 7. Auflage Elsevier / Urban&Fischer 2019, ISBN: 978-3-437-23155-1.
  8. Adorjan et al.:Katatonie in der klinischen Realität: unterdiagnostiziert und vergessenIn: Fortschritte der Medizin. Band: 161, 2019, doi: 10.1007/s15006-019-1173-5 . | Open in Read by QxMD p. 7-11.
  9. S2k-Leitlinie „Notfallpsychiatrie“.Stand: 13. April 2019. Abgerufen am: 24. September 2019.
  10. Scharfetter et al.:Katatone Störungen an einer psychiatrischen IntensivpflegestationIn: Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie. Band: 7, 2006, .
  11. Leucht et al.: Kurzlehrbuch Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme Verlag 2018, ISBN: 978-3-132-42708-2.
  12. Huber: Psychiatrie: Lehrbuch für Studium und Weiterbildung. 7. Auflage Schattauer 2005, ISBN: 978-3-794-52214-9.
  13. Hirjak et al.:Deutsche Version der Northoff Catatonia Rating Scale (NCRS-dv) - Ein validiertes Messinstrument zur Erfassung katatoner SymptomeIn: Der Nervenarzt. Band: 88, 2016, doi: 10.1007/s00115-016-0136-7 . | Open in Read by QxMD p. 787-796.
  14. Benkert, Hippius: Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. 13. Auflage Springer 2020, ISBN: 978-3-662-61752-6.
  15. Fachinformation - Lorazepam dura 1mg Tabletten.. Abgerufen am: 13. Oktober 2021.
  16. Fachinformation - Diazepam AbZ 10 mg Tabletten.. Abgerufen am: 27. Oktober 2021.
  17. Fachinformation - Haloperidol-ratiopharm 5mg Tabletten.. Abgerufen am: 27. Oktober 2021.
  18. Fachinformation - Zyprexa 5mg.. Abgerufen am: 27. Oktober 2021.
  19. Möller et al.: Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie. 4. Auflage Springer 2010, ISBN: 978-3-642-03636-1.
  20. Phencyclidin.Stand: 1. November 2020. Abgerufen am: 13. Oktober 2021.
  21. Roth et al.: Psychoneurowissenschaften. Springer Spektrum 2020, ISBN: 978-3-662-59037-9.
  22. Falkai, Hasan: Praxishandbuch Schizophrenie. 2. Auflage Elsevier / Urban & Fischer 2019, ISBN: 978-3-437-22306-8.
  23. Davis et al.:A review of vulnerability and risks for schizophrenia: Beyond the two hit hypothesisIn: Neuroscience & Biobehavioral Reviews. Band: 65, 2016, doi: 10.1016/j.neubiorev.2016.03.017 . | Open in Read by QxMD p. 185-194.
  24. Englisch, Zink:Akute psychotische StörungsbilderIn: PSYCH up2date. Band: 13, Nummer: 06, 2019, doi: 10.1055/a-0826-0964 . | Open in Read by QxMD p. 483-500.
  25. Voderholzer, Hohagen: Therapie psychischer Erkrankungen - State of the art. Urban & Fischer 2020, ISBN: 978-3-437-24913-6.
  26. Gelbe Liste Online - Antikonvulsiva.Stand: 2. Januar 2019. Abgerufen am: 14. Oktober 2021.
  27. Update – Neue Arzneimittel: Cariprazin (Reagila®).Stand: 13. November 2018. Abgerufen am: 16. Dezember 2021.
  28. Knorr et al.:Das maligne neuroleptische SyndromIn: Der Nervenarzt. Band: 89, Nummer: 3, 2017, doi: 10.1007/s00115-017-0463-3 . | Open in Read by QxMD p. 300-310.
  29. Fachinformation - Leponex 100mg.. Abgerufen am: 31. August 2021.
  30. S1-Leitlinie Nichtorganische Schlafstörungen.Stand: 1. Juli 2018. Abgerufen am: 31. August 2021.

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